Patenschaften sollen beim Einleben helfen

Ursula Hett und ihr Mann kümmern sich um eine junge Familie

Die Gemeinwesenarbeit hat ein Patenprogramm auf dem Weg gebracht, das Neustädter und Flüchtlingsfamilien zusammenbringt, um den Neubürgern das Leben und die Integration zu erleichtern.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. „Ich habe gesehen, dass sie Hilfe und Unterstützung im Alltag brauchen – da musste ich nicht lange nach- denken“, sagt Ursula Hett, die gemeinsam mit ihrem Mann eine Flüchtlingsfamilie im Alltag unterstützt. Die beiden sind nun also Paten des jungen Mannes aus Eritrea und seiner Frau, die aus Äthiopien stammt – und natürlich ihrer beiden Kinder.

Sie versuchen, den Flüchtlingen das Leben zu erleichtern und ihnen durch die Tücken des Alltags zu helfen. Regelmäßig begleitet Ursula Hett die Äthiopierin zum Frauenarzt, da diese jüngst ihr zweites Kind zur Welt brachte. „Direkt im Rettungswagen“, wie die Neustädterin berichtet und betont, dass dies das Ausstellen der Geburtsurkunde erschwert habe. Ein Punkt, bei dem wiederum ihr Mann die Flüchtlingsfamilie unterstützte und bei den daraus resultierenden Behördengängen half.

Dabei ist das eigentlich eine Aufgabe, bei der die Mitarbeiter der vom bsj organisierten Gemeinwesenarbeit einspringen. „Wie sich die Hetts engagieren, ist toll“, betont Annika Schlüter, eine der Ansprechpartnerinnen im Begegnungstreff, in dem die Flüchtlinge nicht nur andere Menschen kennenlernen, sondern auch Hilfe bei Formularen, Gängen auf die Ämter und vielem mehr bekommen können. „Wir freuen uns über die Entlastung – aber eigentlich geht es bei Patenschaften darum, dass sich Familien kennenlernen und gemeinsam etwas Schönes erleben. Das ehrenamtliche Engagement soll keine Belastung sein.“

Als solche empfindet Ursula Hett die zusätzlichen Aufgaben, die sie übernimmt, aber auch nicht. Für sie gehört es schlicht und ergreifend dazu, auch bei schwierigeren Dingen zu unterstützen: „Als gläubige Christen fühlt man sich doch auch verantwortlich dafür, Menschen, denen es schlecht geht, zu helfen.“ Wobei es der Flüchtlingsfamilie nicht schlecht geht, das Einleben in einem fremden Land und einer fremden Kultur mit Kleinkindern aber auch alles andere als einfach ist.

Ursula Hetts Engagement begann damit, der jungen Äthiopierin Deutschunterricht zu geben – eine Aufgabe, die der pensionierten Grund- und Förderschullehrerin quasi auf den Leib geschnitten ist. Die Sprach- und daraus resultierenden Kommunikationsschwierigkeiten hatte sie bei einem gemeinsamen Grillabend festgestellt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich dann das Miteinander. Sie gibt Unterstützung bei Arztbesuchen, hilft beim Einkäufen, bringt das erstgeborene Kind regelmäßig in den Kindergarten oder buk kürzlich auf Wunsch einen Kuchen, den der Eriträ- er mit zu Hephata nahm, wo er eine Ausbildung zum Krankenpflegehelfer absolviert und gemeinsam mit seinen Kollegen die Note eins bei einer Zwischenprüfung feiern wollte.

Sie ist Helferin, Freundin und eine Art Oma-Ersatz – wobei Hett mit viel Freude beobachtet, wie sich die Äthiopierin immer weiter öffnet und auch auf fremde Menschen zugeht. Dass die junge Frau inzwischen im Wartezimmer bei Ärzten versucht, sich mit Gleichaltrigen zu unterhalten macht sie froh und irgendwie auch stolz.

„Ein solches Rundum-Sorg- los-Paket erwarten wir von unseren Paten natürlich nicht“, wirft Schlüter ein und ergänzt, dass gelegentliche Treffen und gemeinsame Unternehmungen auch schon reichen würden: „Wir wollen besonders junge Familien zusammenbringen – und da ist uns durchaus bewusst, dass nicht so viel Zeit in deren Leben übrig ist.“ So beruhigt sie dann auch gleich eine junge Mutter, die Interesse an einer Patenschaft hat – aber sich angesichts von zwei kleinen Kindern nie und nimmer so engagieren könnte wie Ursula Hett: „Das muss auch niemand. Jeder gibt das, was im Rahmen seiner Möglichkeiten drin ist und sich in den Alltag integrieren lässt.“

Und auch vor der Kommunikation müssten die Neustädter keine Angst haben: Mit einer Mischung aus Deutsch, Englisch und Händen und Füßen lässt sich eine Unterhaltung zumeist führen. Und ansonsten können einfach Taten sprechen. „Sie kann kein Englisch, aber inzwischen etwas Deutsch. Und eigentlich versteht sie alles

– man muss eben langsam sprechen und einfach Worte nehmen“, sagt Hett und hebt hervor, dass die Patenschaft nicht nur eine große Hilfe für die Flüchtlinge sei, sondern auch ihr viel gebe: „Man hat eine Aufgabe und fühlt sich nützlich.“ Sie ist noch nicht lange in Pension, ihre eigene Tochter lebt in Neuseeland – und so war sie auf der Suche nach einer Beschäftigung. In der Patenschaft hat sie eine gefunden, die sie allem Anschein nach glücklich macht.

Aber ein wenig Angst hat sie nun auch, da der subsidiäre Schutz des Eriträers nur noch bis März 2018 gelte: „Nicht, dass er dann in seine Heimat zurückgeschickt wird. Er macht seine Ausbildung, seinen Führerschein – er will sich doch integrieren“, betont Hett und bekommt von Schlüter die Zusage, dass sie und ihre Kollegen alles tun werden, dies zu verhindern. „Wir werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen“, sagt sie und weist daraufhin, dass eine solche Situation eigentlich nicht entstehen solle: „Beim Patenprogramm suchen wir Helfer für Familien, bei denen das Asylverfahren durch ist – eben, um solche Situationen zu verhindern. Aber es gibt immer ein paar Wackelkandidaten.“

Sieben Paten engagieren sich bereits ehrenamtlich, doch weitere werden gesucht. Schlüter hofft vor allem auf Familien, doch letztendlich sei das Alter egal. Wann und wie oft Treffen stattfinden, bleibt jedem Patenteam selbst überlassen.

Über den Ehrenamtsfreibetrag (bis zu 720 Euro im Jahr) können Paten eine Aufwandsentschädigung erhalten, um zum Beispiel Fahrt- oder andere Kosten zu decken.

Die Gemeinwesenarbeit will monatlich ein Patencafe im Begegnungstreff oder einem anderen Ort organisieren, bei dem sich die Menschen austauschen wollen. Die nächste Veranstaltung ist ein gemeinsames Weihnachtsplätzchenbacken am Donnerstag, 14. Dezember, ab 15 Uhr (Marktstraße 6). Dazu seien auch alle eingeladen, die sich spontan entschließen, Paten zu werden und geflüchtete Familien kennenlernen zu wollen, stellt Schlüter heraus.