Kehrtwende beim Haus der Begegnung?

 

Für die Fördermittel liegen Zusagen vor, die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses billigten die Sanierungspläne – doch beim Geldgeber stieß die Stadt Neustadt auf wenig Begeisterung.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. Eigentlich wähnte sich die Stadt Neustadt beim Sorgenkind auf einem guten Weg: Im März hatten Bürgermeister Thomas Groll und zwei Architekten die Pläne für die Sanierung des maroden Hauses der Begegnung zahlreichen Vereinsvertretern und Bürgern vorgestellt, anschließend gab es auch von den Mitgliedern des Haupt- und Finanzausschusses grünes Licht für das Vorhaben. Doch dann kamen Mitarbeiter der geldgebenden Wirtschafts- und Infrastrukturbank (WI-Bank) in die Stadt, nahmen das Gebäude in Augenschein – und hatten so viel Kritik, dass die Stadt die 3,5 Millionen Euro schweren Pläne vorerst auf Eis legen will und nun über einen Neubau nachdenkt.

Für Feuchtigkeit im Keller gibt es Kritik

Mehr als einmal hätten die Gäste aus Offenbach die Wirtschaftlichkeit der angedachten grundlegenden Sanierung hinterfragt, berichtet Groll. Vor allem die Feuchtigkeit im Keller habe sie massiv gestört und dazu veranlasst, darauf hinzuweisen, dass nach den Förderrichtlinien des Programms „Soziale Stadt“ eine „Zweckbindung von 25 Jahren“ bestehe. Will heißen: In dieser Zeit muss sich das Haus in einem Topzustand befinden und den Bürgern uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen – ein feuchter Keller könnte dem natürlich einen Strich durch die Rechnung machen. Dieses Problem ist den Neustädtern jedoch schon länger bekannt, trieb ihnen aber keine Sorgenfalten auf die Stirn.

„Ist es verhältnismäßig, 3,5 Millionen Euro in ein 40 Jahre altes Gebäude zu investieren – und dabei auch noch ein Flachdach zu sanieren?“ Zwei Fragen, die ebenfalls kritisch betrachtet wurden. Doch die Mitarbeiter der WI-Bank hatten nicht nur unangenehme Mitteilungen für Groll: „Dem Gespräch konnten wir entnehmen, dass ein Abbruch des Gebäudes über das Programm Soziale Stadt mit knapp 75 Prozent der förderfähigen Kosten als Ordnungsmaßnahme unterstützt werden könnte“, teilt der Bürgermeister mit. 250000 Euro würde dies kosten – ein Punkt, den die Stadt ursprünglich als nicht-förderfähig angesehen hatte. Und auch bei einem Neubau könnte die Stadt mit 75 Prozent Unterstützung rechnen.

Doch Groll wäre nicht der Fördertopfkönig, hätte er nicht noch eine andere Möglichkeit ins Auge gefasst: Die Stadt will sich bemühen, vom „Investitionspakt Soziale Integration im Quartier“ Unterstützung für Abriss und Neubau abzugreifen – was mit etwa fünf Millionen Euro zu Buche schlagen könnte. Bei diesem Programm beträgt die Förderquote sogar 90 Prozent. „Wir arbeiten nun daran, die Förderkulisse neu zu stricken. Noch ist es aber natürlich zu früh für konkrete Angaben“, kommentiert der Bürgermeister, der den Stadtverordneten am Donnerstag, 20. April, um 19 Uhr im historischen Rathaus den Antrag unterbreiten will, die Pläne für die Sanierung zunächst bis Ende 2017 ruhen zu lassen – bis dahin wollen schließlich die Fördermittel-Geber über die neuen Anträge zu Abriss und Neubau entscheiden. Ursprünglich war vorgesehen worden, dass die Stadtverordneten die Sanierungspläne in der kommenden Woche absegnen.

„Ich bin optimistisch, dass der neu aufgezeigte Weg zu einem guten Ende führt“, sagt Groll. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste die Stadt zu ihren Sanierungsplänen zurückkehren. „Die WI-Bank hat schließlich nicht gesagt, dass wir nicht sanieren dürfen – wohl aber, dass eventuell Mehrkosten auf uns zukommen oder wir nicht alle Fördermittel wie geplant erhalten. Wir müssten dann jeden einzelnen Punkt neu verhandeln“, ergänzt der Rathauschef – der mit einem städtischen Eigenanteil in Höhe von einer Million Euro kalkuliert hatte. Sollte die Stadt indes tatsächlich über das neu-entdeckte Programm 90 Prozent der fünf Millionen Euro gefördert bekommen, müsste sie sogar noch weniger berappen. „Was uns zunächst als schwere Prüfung erschien, erweist sich oft als Segen“, zitiert Groll voller Zuversicht den irischen Autor Oscar Wilde.

Notfalls ist Rückkehr zu den Sanierungsplänen möglich

So war seine Einstellung aber nicht immer: Als die Mitarbeiter der WI-Bank in Neustadt zu Gast gewesen waren, sei er ob ihrer Aussagen zunächst leicht schockiert gewesen, gibt er zu. Doch inzwischen habe er dies verarbeitet – und ein eingeschossiger Neubau klinge auch attraktiv. „Wir sind dankbar für jede finanzielle Unterstützung, die uns gewährt wird. Müssen aber im Gegenzug natürlich auch akzeptieren, dass uns Rahmenbedingungen vorgegeben werden“, zeigt Groll sogar Verständnis

Gut für die Stadt war, dass die Verantwortlichen im Rathaus in den vergangenen Monaten nicht die Zügel hatten schleifen lassen: Üblich sei zunächst eine Kontaktaufnahme zu den Fördergebern, erläutert Groll. Daher hatten die Neustädter dem hessischen Umwelt- und Finanzministerium ihr Sanierungsvorhaben präsentiert und Förderzusagen aus der Sozialen Stadt und den Kommunalen Investitionsprogrammen von Bund und Land erhalten. Im nächsten Schritt erfolgte dann die Erarbeitung der Planungen mit Präsentation vor den Bürgern. Als dritter Schritt erfolgt dann die baufachliche Prüfung durch die WI-Bank, die dann festlegt, was tatsächlich förderfähig ist und wie hoch die Zuschüsse wirklich ausfallen.

Dieser letzte Schritt hätte eigentlich im Spätsommer erfolgen sollen – doch das war den verantwortlichen Neustädtern zu lang. Daher drängten sie auf ein Vorabgespräch, erstellten extra eine Vorabplanung und bekamen ihren Wunsch dann auch erfüllt – mit erwähntem Ergebnis. Immerhin: So hält sich der zeitliche Verlust wenigstens in Grenzen.

Groll spricht sich nach dem Termin mit der WI-Bank und mehreren Telefonaten mit dem hessischen Umweltministerium nun also dafür aus, über einen Neubau nachzudenken. Vorteil sei, dass die Neustädter sich nicht an der bisherigen Gebäudestruktur orientieren müssten, sich beim Raumangebot an den heutigen Bedürfnissen orientieren könnten, die Feuchtigkeitsproblematik erledigt und die Barrierefreiheit leichter umzusetzen wären.

Freibad-Vorhaben soll nicht beeinträchtigt werden

Bisher hatten die Neustädter einen Neubau nie wirklich in Erwägung gezogen. Kurzzeitig lag die Idee auf dem Tisch, die Turnhalle der Waldschule gemeinsam mit dem Kreis zu sanieren und daraus eine Mehrzweckhalle zu machen. Ein anderer Gedanke war, in der Lehmkaute eine Festhalle zu errichten. Doch die Kommunalpolitiker zogen stets eine Sanierung vor – schließlich hatte die Stadt in den vergangenen Jahren immer wieder Mittel in den Erhalt des Hauses gesteckt, für dessen Kauf sie bis 2042 jährlich weiterhin 40000 Euro abstottern muss. Und das unabhängig davon, ob das Haus abgerissen wird oder nicht: „Ein Gebäude abzureißen, das noch nicht einmal bezahlt ist, war für uns bisher doch eher unvorstellbar“, erklärt Groll. Wichtig für ihn: Der städtische Haushalt dürfe nicht in Schieflage geraten. Noch dazu müsse gewährleistet werden, dass die Stadt auch bei der geplanten Freibadsanierung weiterkommen kann.