Neustadt startet mit Pionierarbeit

Vom Land finanziertes Projekt zur Gemeinwesenarbeit mit Flüchtlingen  Förderung des Zusammenlebens

Die Flüchtlingsherausforderungen aufgreifen, die Integration fördern, das Ehrenamt stützen und Angebote für alle Bürger entwickeln: Als eine der ersten Gemeinden in Hessen profitiert Neustadt von neuen Richtlinien.

von Karin Waldhüter

Neustadt. „In kurzer Zeit haben wir es geschafft, gemein- ‚ sam mit dem bsj Marburg und dem Diakonischen Werk Oberhessen, den Förderantrag auf den Weg zu bringen“, berichtete Bürgermeister Thomas Groll den Mitgliedern des Jugend- und Sozialausschusses. Als eine der ersten Kommunen halte man den Bewilligungsbescheid nun in der Hand. Mit dem Förderprogramm will das Land Kommunen bei der positiven Entwicklung von Gebieten, in denen sich soziale Problemlagen häufen, mit sozial-integrativen Maßnahmen unterstützen. Etwa 1 000 Flüchtling leben derzeit in der Erstaufnahmeeinrichtung in Neustadt. Hinzu kommen rund 150 Flüchtlinge, die über den Landkreis Neustadt zugewiesen wurden und schon länger dort leben.

Die Koordination der ehrenamtlichen Arbeit in der Erstaufnahmeeinrichtung hat das Diakonische Werk Oberhessen übernommen. Der bsj Marburg, der seit 2011 in der Stadt für die gesamte Jugendarbeit zuständig ist, übernimmt ab November die Gemeinwesenarbeit für diejenigen Flüchtlinge, die längerfristig in Neustadt leben. In der

Marktstraße 6 wird in Zukunft das „Gemeinwesenzentrum“ angesiedelt sein.

Bis das Büro in den nächsten Wochen fertiggestellt ist, kommen die beiden Vollzeitkräfte Egon Rettenbacher und Martin Methfessel zunächst im Rathaus unter.

Förderung bis 2018

Eine weitere Mitarbeiterin, möglichst mit Migrationshintergrund und Sprachkenntnissen, soll noch hinzukommen. Die Laufzeit des Projektes „Gemeinwesenarbeit Flüchtlinge“ endet im Oktober 2018. Bis dahin stellt das Land ab 2016 alljährlich 170 000 Euro zur Verfügung. Für 2015 stehen 30 000 Euro bereit. Das Projekt will die Integration von Flüchtlingen fördern, das vorhandene Ehrenamt stützen und Angebote für alle Bürger entwickeln. Neben Sport- und Bewegungsprojekten bestehen bereits verschiedene Ideen, wie zum Beispiel einen interkulturellen Garten anzulegen, eine Fahrradwerkstatt aufzubauen oder ein Repair-Cafe zu initiieren.

Bei gemeinsamen Feiern soll die Begegnung der Menschen im Vordergrund stehen. „Ziel ist es die Selbstorganisation und Selbsthilfe von Flüchtlingen und einheimischer Bevölkerung anzuregen“, erläuterte Jochem Schirp, Geschäftsführer bsj Marburg. Er stellte das Projekt „Gemeinwesenarbeit Flüchtlinge“ vor. Als weiteres Ziel nannte er die Unterstützung ehrenamtlichen Engagements in Neustadt, Anregungen zur Kommunikation zwischen den Gruppen aufzubauen und Projekte zur Förderung des Zusammenlebens anzuregen. Weiter werde angestrebt als Vermittler und Moderator bei Konfliktsituationen zu fungieren und als Anlaufstelle zu dienen. Dabei sollen Flüchtlinge und einheimische Bevölkerung bei anfallenden Fragen beraten werden. Für Sach- posten, wie Miete oder um vorhandene Akteure vor Ort zu unterstützen, stehen rund 20 000 Euro im Jahr zur Verfügung. „Ich finde es gut, dass wir die Ersten sind, die den Startschuss geben“, hob Bürgermeister Thomas Groll hervor. Er sei sicher, dass dieses Projekt Vorbildcharakter haben werde.

Er warnte davor, die große Politik mit dem Tagesgeschäft vor Ort, welche die Realität abbilde, mit der man leben müsse, zu vermischen.

Weitere Kooperation

Es sei wichtig die Kommunalpolitik mitzunehmen und geschlossen hinter der Sache zu stehen, so Groll. Man müsse nun schauen, wie die Angebote von den Flüchtlingen angenommen würden.

„Der Herausforderung müssen wir uns stellen, wir als Stadt Neustadt gehen sie an“, erklärte Bürgermeister Groll.

Seit 2001 besteht die Zusammenarbeit zwischen bsj und der Stadt Neustadt. Jochem Schirp, hatte zu Beginn die Arbeit vorgestellt. Dabei ging er auch auf die finanziellen Vorteile und die Möglichkeit der Beantragung von finanziellen Mitteln ein. Etwa 400 000 Euro Fördermittel seien zwischen 2001 und 2015 nach Neustadt gegangen, so Schirp.

Seit 2012 besteht eine enge Verzahnung von Jugendarbeit und Schulsozialarbeit. Derzeit übernehmen der Stadtjugendpfleger Lars Kietz und Katharina Kilian die anstehenden Aufgaben.

Im Verlauf des Abends hatte der Ausschuss seine Zustimmung signalisiert, die Jugendarbeit mit dem bsj Marburg bis 2021 fortzusetzen.