Kommunale Ebene ist nicht das Problem

Thomas Groll glaubt, dass der Erfolg der AFD durch fehlerhafte Innenpolitik zu begründen ist

Fast jeder fünfte Neustädter wählte am Sonntag die AFD. Stiller Protest gegen die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge? Nein, sagt Bürgermeister Thomas Groll.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. „Das ist ein Denkzettel für die beiden Volksparteien – wenn man angesichts der Ergebnisse überhaupt noch von Volksparteien reden kann“, kommentiert Bürgermeister Thomas Groll (CDU) den Erfolg der AfD auf Bundesebene. Auch in „seiner“ Stadt hat die Partei mit 18,5 Prozent ein hohes Ergebnis eingefahren. Die Gründe dafür sieht der Rathauschef allerdings in Berlin und nicht in Neustadt.

Sowohl die SPD als auch die CDU hätten in den vergangenen Jahren Fehler gemacht: „Es gibt eine allgemeine Unzufriedenheit mit „denen da oben“. Die CDU muss sich fragen lassen, ob der Kurs der vergangenen Jahre wirklich richtig war“, sagt Groll und erklärt: Bundeskanzlerin Angela Merkel sei ein eminent wichtiger Faktor in der Weltpolitik. „Aber Wahlen gewinnt man mit Innen-, nicht mit Außenpolitik. Ich habe große Achtung vor Frau Merkels Engagement in der Welt – aber hier ist vieles liegengeblieben.“ Seiner Meinung nach muss die CDU wieder „das konservative Klientel mehr bedienen und den Menschen Gehör schenken“: „Wir sollten auch wieder Themen ansprechen wie Heimat oder Zusammengehörigkeit – und das ist kein AfD- Vokabular.“

Dass die Bundeskanzlerin im Jahr 2015 die Tore spontan für Flüchtlinge öffnete, sei in Krisenzeiten nachvollziehbar: „In

Ausnahmezeiten muss man einfach schnell entscheiden.“ Danach jedoch sei es zu Verfehlungen gekommen: „Es gibt die Flüchtlingsthematik auf Bundesebene. Da sind viele Fragen offen und es ist einiges liegengeblieben. Im Kleinen, wie hier in Neustadt, haben wir das meines Erachtens gut gemanaged.“ Es habe kaum Konflikte oder „spektakuläres Fehlverhalten“ vonseiten der Flüchtlinge gegeben, und die Neustädter hätten ihrerseits großes Engagement gezeigt, den Menschen beim Ankommen im Land und bei der Integration zu helfen. Noch dazu lebten in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge derzeit lediglich

rund 150 Menschen: „Das fällt im Stadtbild nicht auf.“

In diesem Zusammenhang zieht er den Vergleich mit Rotenburg/Fulda, einer Stadt, die ebenfalls eine Erstaufnahmeeinrichtung bekommen hatte – und deren Bürger zu rund 80 Prozent am Wochenende Bürgermeister Christian Grunwald im Amt bestätigten. Einen CDU-Mann also. Und das, während die Partei an sich bei der Bundestagswahl in der Stadt fast neun Prozent verlor – und die AfD ihre Stimmen auf rund zwölf Prozent verdoppelte. „Ich glaube, die Menschen differenzieren zwischen dem, was vor Ort passiert, und der großen Linie“, sagt Groll und verweist darauf, dass die AfD in Neustadt keine offiziellen Vertreter sitzen habe, aber bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr kreisweit bereits ein hohes Ergebnis erzielt hatte.

„Wir waren uns vielleicht nicht bewusst, wie vielen Menschen es vor Ort nicht gut geht. Früher gab es, grob gesagt, die Armen, die Reichen und den Mittelstand. Und gerade die Gruppe des Mittelstandes wird kleiner“, sagt Groll und ergänzt: „Viele Menschen machen sich Sorgen um die Zukunft und wurden nicht angesprochen von den Wahlversprechen der großen Parteien, zum Beispiel der Sozialkampagne der SPD.“ Diese habe schließlich in den vergangenen Jahren mitregiert und dabei in den Augen vieler Wähler nicht die Erwartungen erfüllt. „Und so sind die Menschen dann eben offen für plakative Formulierungen.“

Seines Erachtens sei es auch von den Medien ungeschickt gewesen, das Thema Flüchtlingskrise hochzukochen: „Allein die Hälfte des Kanzlerduells im Fernsehen war der Flüchtlingspolitik gewidmet. Das war ein Fehler, denn die Thematik ist derzeit nicht aktuell. Und dann waren sich die beiden Kandidaten prinzipiell auch noch einig – was eigentlich richtig ist. Aber deswegen konnte die AfD in den letzten zwei Wochen vor der Wahl noch einmal zulegen.“

Für Groll ist allerdings noch nicht klar, ob sich die Partei in Deutschland festige oder nur eine Momentaufnahme sei: „Ihre Mitglieder zerfleischen sich ja gerade gegenseitig.“ Die Politiker müssten dem nun durch konstruktives Arbeiten begegnen: „Auf die Wähler schimpfen ist der falsche Weg. Wir müssen die AfD jetzt an ihren inhaltlichen Beiträgen zur Politik messen und sehen, ob sie etwas und was sie bewirkt.“