Die Entspannung ist eingeplant

Neues 70-Minuten-Modell der Martin-von-Tours-Schule stößt auf gute Resonanz

„Wir haben das neue Konzept lange entwickelt. Es wird vom Großteil der Schulgemeinde gut angenommen – aber es gibt eine Handvoll Kritiker, die für schlechte Stimmung sorgen“, berichtet Schulleiter Volker Schmidt.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. Die Martin-von- Tours-Schule erfindet sich seit einigen Jahren neu. Erst stellte sie auf das Konzept der integrierten Gesamtschule um, nun sagte sie Ade zu den althergebrachten 45-Minuten-Unterrichtseinheiten und stellte auf 70-Minuten-Blöcke um. Eigentlich kommt dies bei Schülern, Lehrern und Eltern gut an, wie Leiter Volker Schmidt erklärt: „Allerdings sagen einige wenige Eltern, wir würden machen, was wir wollen und hätten darüber im Vorfeld nicht informiert – das sorgt an manchen Stellen für schlechte Stimmung.“

Von diesem Vorwurf distanziert sich die Lehrerschaft jedoch in aller Form: Diese Zeitung habe schließlich darüber berichtet, zudem gab es in jedem Elternbrief mindestens einen Hinweis – und noch dazu fanden Infoabende und Tage der offenen Tür statt, bei denen das neue Modell vorgestellt wurde. „Ich weiß nicht, was wir noch hätten tun können“, kommentiert Carmen Fütterer, die stellvertretende Leiterin.

Die ersten Erfahrungen mit den 70-Minuten-Blöcken sind jedenfalls gut. Die „Unterrichtsstunden“ dauern nun bei jeweils 20 Minuten Pause dazwischen von 7.45 bis 8.55 Uhr, von 9.15 bis 10.25 Uhr und von 10.45 bis 11.55 Uhr. Anschließend ist bis 12.55 Uhr Mittagspause, während der die Schüler das Essensangebot, den Spieleraum und die Bibliothek nutzen oder eine „bewegte Pause“ machen können.

Danach folgen zwei weitere 70-Minuten-Blöcke – in denen es für alle, die keinen Unterricht haben, zahlreiche AGs gibt. Für Erst- und Zweitklässler ist um 11.55 Uhr Schluss, Dritt- und Viertklässler müssen an einem Tag nach dem Mittagessen noch einmal für 70 Minuten in den Unterricht. „Bei der Umrechnung beziehungsweise der Neurhythmisierung entstanden 16 Blöcke – das ließ sich also bei fünf Schultagen nicht anders machen“, erklärt Fütterer. Eigentlich sei schließlich ein Ziel gewesen, dass sich sowohl Eltern als auch Schüler auf regelmäßige Schlusszeiten einstellen können. Fünft- bis Zehntklässler haben dienstags bis donnerstags bis 15.25 Uhr Schule, für sie sind Montag und Freitag die AG-Tage.

Vor allem ging es allerdings um einen Wechsel zwischen An- und Entspannung, wie Steffen Wanke hervorhebt. Er ist der Vorsitzende des Gremiums, das sich mit der Umstellung auseinandersetze und aus Lehrern der Sekundarstufe I und der Grundschule sowie dem Schulelternbeiratsvorsitzenden und zwei Eltern bestand.

Die – zumeist chaotisch ablaufenden und mit viel Rennerei für Lehrer und Schüler verbundenen – Fünf-Minuten-Pausen gehören der Geschichte an. Das Gleiche gilt für den insbesondere in den Naturwissenschaften entstehenden Zeitdruck, den die Beschränkung auf 45 Minuten angesichts von Versuchsvorbereitung, Aufbau, Umsetzung und Analyse auslöste. „Besonders bei den Kleinen waren 45 Minuten unpraktisch, da sie länger brauchen, um sich zu sortieren und ins Arbeiten zu kommen“, sagt Grundstufenleiterin Sandra Claar und ergänzt, dass 90 Minuten wiederum zu lang gewesen seien, um die Konzentration aufrechtzuerhalten.

Täglich hat jede Klasse einen Block „freies Lernen“, den die Schüler entweder im Klassenraum oder in der offenen Lernlandschaft verbringen. Begleitet werden sie dabei sowohl von Klassenlehrern und weiteren Lehrkräften. Ein Hauptaugenmerk liegt aber auch darauf, dass sich die Schüler entsprechend ihrer Stärken und Schwächen gegenseitig unterstützen und voneinander profitieren. „So fördern wir die Selbstständigkeit der Schüler und entlasten die Lehrer, die dann andere Aufgaben übernehmen können“, wirft Wanke ein. Mit dabei ist zudem der Verein Bipoli, der sich vornehmlich um Kinder mit Migrationshintergrund kümmert, wie Claar ergänzt. Gerade bei Grundschülern gebe es schließlich erheblich Entwicklungsunterschiede von bis zu drei Jahren.

Im „freien Lernen“ erledigen die Schüler also Aufgaben, die sie statt klassischer Hausaufgaben gestellt bekommen. „Das ist ein Hauptproblem der Eltern: Sie meinen, dass sie nichts mehr vom Schulalltag mitbekommen, weil sie sich durch die fehlenden Hausaufgaben nicht mehr eingebunden fühlen“, ergänzt Claar und verweist erneut auf die Förderung der Selbstständigkeit: „Es gibt aber auch die Möglichkeit, Übungen zu machen, die wir für jeden Jahrgang aufgestellt haben, und die- Schüler begleitend zum Unterricht zu Hause machen können.“

Letztendlich, so Schmidt, soll das neue System auch Eltern neue Möglichkeiten bieten: Egal, welchen Jahrgang ihre Kinder besuchen – theoretisch können sie mit den zahlreichen AG-An- geboten tagtäglich eine Betreuung in der Schule bis 15.25 Uhr in Anspruch nehmen. „Können sie, müssen sie aber nicht“, resümiert der Schulleiter.