Bäume an der Trasse fallen ein Jahr später

Stadtallendorfs Bürgermeister Christian Somogyi reagiert mit großer Sorge auf die neuen Entwicklungen bei der A 49, Autobahngegner hingegen jubilieren teilweise.
von Michael Rinde und Nadine Weigel
Stadtallendorf. Paukenschlag bei der A 49: Wankt jetzt der ehrgeizige Zeitplan für den Weiterbau? Die Firma Deges verschiebt zumindest die Baumfällarbeiten auf der etwa 30 Kilometer langen Trasse. Die Fällungen von etwa 85 Hektar Mischwald sollen nun erst ab Oktober 2020 stattfinden. Deges bereitet den Weiterbau der Autobahn vor und wählt nach einer Ausschreibung den Projektpartner aus. Der soll im Zuge einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) die Trasse – von Schwalmstadt bis Gemünden (Felda) bauen und 30 fahre lang insgesamt 60 Kilometer der A 49 betreiben.
Ausgleichsmaßnahmen müssen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Baubeginn bei einem solchen Großprojekt beendet sein. Das ist offenbar nicht gelungen, wie das Unternehmen Deges am Freitag mitteilte. Die Aktionsgemeinschaft „Keine A49“ hatte zuletzt immer wieder Kritik an den mangelnden Fortschritten bei Ausgleichsmaßnahmen für die 1 Autobahn geübt. Diese Kritik war auch
Teil des Antrags, das Baurecht für die A49 wieder zurückzunehmen. Diesen Antrag hatte das hessische Verkehrsministerium ab- i gelehnt. Jetzt bleibt der Klageweg, den die Umweltorganisation BUND auch angekündigt hat. Für Deges und alle Beteiligten ist die Verschiebung der Fällungen also auch ein Stück weit Eigenschutz vor Klageverfahren, die weitreichendere Folgen haben können. Entscheiden muss in diesem Fall das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Deges erläutert unter anderem, dass geschützte Tierarten an der Trasse nicht rechtzeitig umgesiedelt werden konnten. Das soll nun im nächsten Jahr fortgesetzt werden.
Unternehmenssprecher Michael Zarth erklärte auf Nachfrage dieser Zeitung, dass es sich um geschützte Zauneidechsen handelt, die umgesiedelt werden müssen.
Das Unternehmen muss aufgrund der Verschiebungen jetzt die Vertragsunterlagen für den künftigen Projektpartner anpassen. Außerdem muss noch der abschließende Nachweis erbracht werden, dass ÖPP tatsächlich wirtschaftlicher ist als eine konventionelle Bauweise – also eine Finanzierung durch den Bund und allein aus Steuermitteln. So geschieht es beim A-49-Abschnitt zwischen Neuental und Schwalmstadt derzeit. Dieser Autobahnabschnitt soll nach jetzigem Stand in jedem Falle im Jahr 2022 in Betrieb gehen – mit allen Folgen für Kommunen wie Neustadt und Stadtallendorf.
Das Unternehmen Deges gibt sich dennoch zuversichtlich. Jetzt soll der Bau an Stellen entlang der Trasse beginnen, wo keine vorherigen großflächigen Baumfällungen erforderlich sind. Konkreter wurde Deges am Freitag nicht.
Fest steht, dass keine neue Ausschreibung erfolgen wird, das Vergabeverfahren für den Projektpartner läuft weiter. „Das laufende Vergabeverfahren wird fortgesetzt. Es erfolgt lediglich eine Anpassung der Vertragsunterlagen sowie der Terminschiene“, sagt Deges-Sprecher Michael Zarth.
Besorgt reagiert Stadtallendorfs Bürgermeister Christian Somogyi (SPD) auf die Nachrichten des in Berlin angesiedelten Unternehmens. „Ich bin enttäuscht und ich fürchte, dass es am Ende doch Verzögerungen für den Weiterbau geben wird“, sagt er im OP-Gespräch. Und das ist für die Stadtallendorfer wie Neustädter durchaus folgenreich. Umso länger müssten sie mit dem erheblichen Zusatzverkehr leben, der durch ein vorläufiges Autobahnende bei Schwalmstadt entstehen wird. „Uns droht dann definitiv ein noch längerer Verkehrskollaps in der Stadt“, sagt Somogyi.
Jubel hingegen beim Aktionsbündnis „Keine A49“. Dort spricht man von einem „Etappensieg“ und will den eigenen Protest wie auch die „Aufklärungsarbeit“ im nächsten Jahr fortsetzen.
Deutlich verhaltener reagierten am Freitagnachmittag einige der Aktivisten, die Baumhäuser im Dannenröder Forst errichtet haben, um Baumfällungen zu verhindern. Ob sie ihre Besetzung beenden werden, lassen sie offen. „Unser Ziel ist es, dass von dem ganzen Projekt abgerückt wird“, sagt eine der Autobahngegner. „Wir wollen mehr, wir wollen eine Verkehrswende und einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs“, ergänzt einer ihrer Mitstreiter. In den nächsten Tagen wollen die Dannenröder Waldbesetzer nun über ihr weiteres Vorgehen beraten.
Das Thema Verkehrsbelastung treibt die Menschen an der Bundesstraße 3 besonders um: Mehr als 700 Lkw fahren täglich durch Schönstadt und weitere 1 400 Fahrzeuge täglich. Eine enorme Belastung für die Anwohner. Vor allem Pendler befürworten die Autobahn: „Ich würde mich freuen, wenn die A49 weitergebaut werden würde. Es ist jedes Mal eine Katastrophe hierherzukommen“, so Olaf Herde aus Clausthal-Zellerfeld, der regelmäßig im Landkreis Marburg- Biedenkopf arbeitet und dann von Kassel den „Kriechweg über die B 3 nehmen muss“.
Doch auch die Baumbesetzer haben für die Sorgen und Nöte der B 3-Anwohner Verständnis: „Ich kann die Verärgerung über den Lkw-Verkehr komplett verstehen. Ich würde auch nicht gern in so einem Ort wohnen wollen“, gibt „Gelb“ zu. Darum auch die geschilderte Forderung nach einer Verkehrswende.