Balance auf dem Stahlseil

Neustädter Kinder erobern für sich die Zirkuswelt „Manegentraum“ ohne Vorgaben der Erwachsenen
Neustädter Kinder erobern für sich die Zirkuswelt „Manegentraum“ ohne Vorgaben der Erwachsenen
Vorhang auf für die jungen Neustädter Artisten: Gestern zeigten 81 Nachwuchsartisten während zwei Aufführungen ihr Können.

von Karin Waldhüter
Neustadt. Zum zweiten Mal gastiert in dieser Woche der Mitmachzirkus „Manegentraum“ auf der Wiese neben dem Jun- ker-Hansen-Turm. Und hier ist einiges los: Teller werden auf Stöcken balanciert, Messer und Lassos fliegen durch die Lüfte, Tauben landen auf Kinderhänden, Kinder tanzen leicht wie eine Feder über ein Stahlseil und zeigen in luftiger Höhe ihr Können.
Vier Tage lang lernen die Kinder, darunter auch einige mit einem Handicap, was man braucht, um ein Publikum zu begeistern. Dabei verwandeln sie sich in Clowns, werden zu Taubendompteuren, Feuerspuckern, zeigen Jonglage und Hula-Hoop und werden während der öffentlichen Generalprobe um 10 Uhr und am Nachmittag um 16 Uhr vor großem Publikum ihr Können unter Beweis stellen.
Begonnen hatte die Woche mit einem gemeinsamen Frühstück im Haus der Vereine und einer Zirkusvorstellung der Zirkusfamilie Bichlmaier, die auch die einzelnen Gruppen betreut. Dann konnten die Kinder alle neun Nummern ausprobieren, um dann zu entscheiden, welche Gruppe die Richtige ist. Viele Kinder waren schon im vergangen Jahr dabei und sind schon richtige Zirkusprofis.
So wie der neunjährige Jonas, der schon zum dritten Mal dabei ist und sich diesmal die Taubennummer ausgesucht hat, weil er oft mit Tieren zu tun hat. Quentin (10) hat sich für die Gruppe der Feuerspucker entschieden. „Das Gefühl, wenn es vor einem so heiß wird, finde ich cool“, sagt er.
Bereits 2017 gastierte erstmals ein Mitmachzirkus in der Junker-Hansen-Stadt. Damals finanziert über das Programm „Soziale Stadt“, und die Resonanz war so gut, dass Zirkusfan Bürgermeister Thomas Groll eine Fortsetzung versprach. Im vergangenen Jahr ließ Groll nach der tollen Vorstellung die Besucher entscheiden, ob es eine Wiederholung geben soll. Mit stehenden Ovationen fiel dieser Entscheid eindeutig aus. Und das Stadtoberhaupt versicherte alles dafür zu tun, damit auch in diesem Jahr wieder ein Zirkuszelt in Neustadt steht.
Veranstalter ist neben der Stadt der für die Neustädter Jugendarbeit zuständige Verein bsj Marburg. Jugendpfleger Lars Kietz kümmerte sich darum, dass Fördermittel aus dem Programm „Kultur macht stark“ beziehungsweise dem Unterprogramm „Zirkus macht stark“ flössen. Das ermöglicht den Kindern die kostenlose Teilnahme. Unterstützung bei der Betreuung leisten die beiden Erzieherinnen Claudia Orth und Christiana Kappen von der Kindertagesstätte Regenbogen. Als Bündnispartner sind der Stadtallendorfer Verein zur Förderung der Integration Behinderter, fib Stadtallendorf und der Allgemeine soziale Dienst (ASD) des Landkreises dabei.
Doch nicht nur das Einstudieren der Zirkusnummern steht für die Kinder an, sie gestalten für ihren Auftritt auch T-Shirts selbst und überlegen sich eigene Anmoderationen. Wichtig und pädagogisch wertvoll sei, so Kietz, dass die Kinder im Vordergrund stünden und nicht ein vorgefertigtes Stück mit Hochglanznummern. Kinder sollten sich in verschiedenen Bereichen ausprobieren können und dabei Erfahrungen machen, die es im Alltag nicht gebe.
„Besonders durch das Zeigen des Gelernten und den Applaus erfahren die Kinder viel Wertschätzung“, unterstreicht Kietz.
Beginnen wird das bunte Programm wie im vergangenen Jahr mit einem gemeinsamen Auftritt aller Kinder und dem Lied „Hereinspaziert“. „Das Lied sitzt noch wie eine eins“, erzählt Ann-Katrin Bichlmaier lachend, denn 80 bis 90 Prozent seien Wiederholungskinder und viele schon mehrfach dabei. Am Samstag findet im Zelt das 6. Bandfestival statt. Am Sonntag folgt, nach der erfolgreichen Premiere im vergangenen Jahr, das Artistenfestival um den „Goldenen Biber“.