Bald wird genagelt

Dachsanierung am Turm hat begonnen • 20 000 Schiefersteine werden mit 60 000 Nägeln befestigt
Im Mai soll der Junker- Hansen-Turm, das Wahrzeichen der Stadt Neustadt, in neuem Glanz erstrahlen. 660 000 Euro lässt das Land Hessen sich dies kosten. von Florian Lerchbacher
Neustadt. Die Eindeckung des Junker-Hansen-Turms ist schadhaft, berichtet Karl- Heinz-Waschkowitz – Leiter des Sanierungsprojektes beim Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen, der als Mengsberger natürlich einen besonderen Bezug zum größten Fachwerkrundbau der Welt hat. An den Zementfaserplatten gebe es viele Risse und Fehlstellen, was bedeute, dass sie ersetzt werden müssen. Eigentlich sogar ein Glücksfall, denn nun kommen statt des Industrieproduktes wieder (etwa 20 mal 20 Zentimeter große) Schiefersteine auf das Dach. Genau gesagt rund 20 000 Stück, die mit 60 000 Nägeln befestigt werden.
„Das wird ein ganz neues Bild ergeben“, betont Baudenkmalpflegerin Dr. Katarina Papajanni von der Verwaltung der Staat-
(VSG). Die bei der Sanierung im Jahr 1976 aufgebrachten Eternitplatten seien schließlich matt und inzwischen mit – viel Feuchtigkeit speicherndem – Moos bewachsen, der Schiefer werde indes glänzend und natürlich schön sein.
Dachrinne für Erkertürmchen sind nicht einfach zu bauen
Dachdecker Aydin Cittir wird dabei auf die „altdeutsche Deckung“ zurückgreifen, also immer kleiner werdende Schieferstücke nutzen, je weiter er nach oben kommt: „Es handelt sich bei Schiefer um sehr teures Material. Jedes Stück sollte daher genutzt werden“, erklärt er die Arbeitstechnik. Im Zuge der Erneuerung der Dacheindeckung bekommt der Turm auch neue Dachrinnen, Regenfallrohre, Wasserspeier und einen neuen Blitzschutz. Am großen Spitzhelm (dem Hauptdach) habe es bisher keine Regenrinne gegeben, berichtet Waschkowitz. Dies sei für den Schutz der Fassade des Gebäudes alles andere als optimal gewesen, ergänzt der Mengsberger. Auch die Erkertürmchen bekommen Dachrinnen: „Das ist auch schwierig. Es sind ja schließlich kleine, runde Segmente – da lassen sich keine handelsüblichen Dachrinnen verwenden.“
Außerdem sind kleinere Holzreparatur-, Putz- und Beschichtungsarbeiten vorgesehen, beispielsweise an den sogenannten Feuerkelchen, dem Abschluss des Fachwerks unterhalb des Daches. „Die sollten früher Blitze abhalten“, berichtet Wasch- kowitz und erläutert auf Nachfrage dieser Zeitung, dass von den Feuerkelchen nur einige überarbeitet werden müssen, tatsächlich erneuert werde indes der moderne, „echte“ Blitzschutz des spätgotischen Bauwerkes.
Die Erneuerung der Dacheindeckung sei dringend nötig, um die „technikhistorisch bedeutsame Holzkonstruktion des Gebäudes zu schützen“, sagt Papajanni und schwärmt von der besonderen Konstruktion aus Eiche, die sich unter dem Spitzhelm verbirgt. Insgesamt sei der Turm nach dem im Spätmittelalter neuesten Stand in „Rahmbauweise“ gezimmert worden.
Der landgräfliche Baumeister Hans Jakob von Ettlingen hatte den 49 Meter hohen Turm zwischen 1481 und 1483 errichtet. „Ich wüsste ja gerne mal, wie die Arbeiter das vor weit mehr als 500 Jahren gemacht haben“, fragt sich Bürgermeister Thomas Groll. Eigentlich nur mit Seilen und Rollen, erläutert Waschkowitz und betont, dass die Arbeiter heute es weitaus einfacher hätten – wobei es auch jetzt durchaus schwierig gewesen sei, das Gerüst um den runden Turm aufzustellen. Von den Teilen, die dann auch noch rund um die vier Erkertürmchen errichtet werden mussten, ganz zu schweigen: „Außerdem herrscht dort oben ein ganz anderer Winddruck. Wir mussten das Gerüst also teilweise noch verstärken.“
Kirsten Worms, die Direktorin der VSG, erinnerte an die großen Sanierungen der Jahre 1976 und 1998 bis 2001 – mit Erneuerung der Fassade und anbringen des Schutzes aus Schiefer an der Wetterseite. Auf Bildern aus dem Jahr 1890 sei ebenfalls schon ein solcher Wetterschutz zu sehen gewesen, es habe also auch schon früher eine solche Verkleidung gegeben, kommentiert Waschkowitz damalige Kritikpunkte und weist darauf hin, dass eigentlich alles an dem Gebäude historisch ist, da es beispielsweise von Kriegen oder Bränden verschont blieb: „Damals wurde Großes geleistet – das meiste hält jetzt schon seit mehr als 21 Generationen.“
Der Turm werde über das Landesprogramm „Erhaltung historisches Erbe“ saniert, berichtet Worms und stellt heraus, dass kontinuierlich Geld in den Erhalt des Bauwerks geflossen sei – in den vergangenen Jahrzehnten rund zwei Millionen Euro. Geplant ist, am und im Turm in Zukunft einige Infotafeln aufzustellen, um die Feinheiten des Bauwerks noch einmal zu verdeutlichen. Die Stadt hat vor, die Öffnungszeiten auszuweiten, um mehr Besuchern der Stadt einen Abstecher in das Wahrzeichen Neustadts zu ermöglichen.