Das Ende der klassischen Schulstunde?

Martin-von-Tours-Schule entwickelt Konzept, das auf 70 Minuten langen Unterrichtsblöcken basiert

„70 Minuten sind optimal für Schüler“, sagt Volker Schmidt, der Leiter der Martin-von-Tours-Schule. So lange könnten sich Jugendliche nach Analyse von Wissenschaftlern gut konzentrieren.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. Seit Anfang des Schuljahres beschäftigt sich eine Arbeitsgemeinschaft an der Martin-von-Tours-Schule mit der Neurhythmisierung des Unterrichts. „Wir wollen weg von den klassischen 45 Minuten“, sagt Steffen Wanke, der Vorsitzende des Gremiums, das sich aus Lehrern der Sekundarstufe I und der Grundschule sowie dem Schulelternbeiratsvorsitzenden und zwei Eltern zusammensetzt. Beispielsweise in den Naturwissenschaften sei die klassische Schulstunde für Versuchsvorbereitung, Aufbau, Umsetzung und Analyse schlichtweg zu kurz. Da 70 Minuten, so Leiter Volker Schmidt, laut Wissenschaftlern als optimale Konzentrationszeit gelten, sind Doppelstunden entsprechend zu lang.

Noch setzt die Martin-von- Tours-Schule auf das klassische Konzept. „Wir versuchen, mit Doppelstunden zu arbeiten, wo es möglich ist“, berichtet Schmidt und betont: „Das bringt mehr Ruhe in den Unterricht.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass der Vandalismus zurückgegangen sei, da zahlreiche Klassenraum- Wechsel in den Fünf-Minuten- Pausen wegfielen.

Ausgangspunkt für die Überlegungen rund um die Neurhythmisierung war die Umwandlung der Neustädter Schule in eine integrierte Gesamtschule vor einigen Jahren. Die Rolle des Lehrers hat sich verändert. Die Pädagogen fungieren außerhalb des Kernunterrichts, in dem sie – wie gehabt – Wissen vermitteln, grob gesagt eher als Lernbegleiter und Ansprechpartner. Ein zentraler Aspekt liegt auf dem Grundsatz „fördern und fordern“. Die Schüler bekommen während des „freien Lernens“ Zeit, Schwerpunkte zu setzen und arbeiten kooperativ, das heißt, sie unterstützen einander – und können jederzeit auf Hilfe von Lehrern zurückgreifen. Und da sich die Art des Unterrichts geändert hat, passt natürlich auch, dass am Zeitschema gearbeitet wird.

Einfach nach ihrem Gusto die Zeiten verändern können die Neustädter aber nicht. Sie müssen darauf achten, dass sie die Vorgaben der Stundentafel für die Sekundarstufe I (beziehungsweise die Grundschule) einhalten, so müssen Fünft- und Sechstklässler an integrierten Gesamtschulen beispielsweise wöchentlich zehn (klassische) Schulstunden Deutsch- und acht Schulstunden Matheunterricht haben. Dies in 70-Minuten-Blöcke umzurechnen gestaltet sich nicht so einfach, wie es scheint, berichtet Wanke. 80 Prozent sollen schließlich weiterhin Kernunterricht sein, während 20 Prozent der Zeit für freies Lernen (auch selbstorganisiertes Lernen genannt) zur Verfügung stehen. Und so würden die Schüler künftig etwas mehr Unterricht bekommen als vorgeschrieben. Eine Entscheidung, ob die Martin-von-Tours-Schule die Neurhythmisierung umsetzt, ist aber noch nicht gefallen: Bisher sei es nur ein Konzept, sagt Schmidt und betont: „Kollegium und Schulgemeinde müssen das natürlich zusammen entscheiden!“

Es gebe wissenschaftliche und pädagogische Gründe, warum eine Umstellung sinnvoll wäre, erklärt der Schulleiter: „Aber das müssen wir selber noch aufarbeiten, belegen und darlegen. Es gibt schon Schulen, die mit 70-Mi- nuten-Blöcken arbeiten – aber ein solches Konzept ist nicht eins zu eins auf andere Schulen übertragbar. Man muss bei jedem Punkt schauen, ob das zu den Bedürfnissen der Region passt.“

Ein weiterer Punkt ist, dass die Schule auf dem Weg zur Ganztagsschule künftig eine Mittagspause von einer Stunde anbieten möchte, in der es auch ein, so Schmidt, „vernünftiges Essensangebot“ statt der bisher vorhandenen Snacks geben soll. „Wir sind in Verhandlungen mit dem Kreis“, ergänzt der Schulleiter.