Das Minus sinkt auf 240 000 Euro

Vornehmlich Steuererhöhungen sorgen für die bessere Haushaltslage der Stadt Groll kritisiert das Land

Entwickeln sich die Ergebnisse wie geplant, schreibt die Stadt Neustadt ab dem Jahr 2016 wieder schwarze Zahlen. Bürgermeister Thomas Groll traut dem Frieden jedoch nicht.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. „Welcher „kleine Bürgermeister“ will es sich schon anmaßen, die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes besser als ein Staatsminister zu beurteilen“, fragte Thomas Groll gestern Abend, als er den Haushaltsplanentwurf 2015 in der Stadtverordnetenversammlung einbrachte. Die Antwort ergab sich aus seiner Rede: Er – wobei die Bezeichnung „klein“ natürlich Auslegungssache ist.

Der Neustädter Kämmerer zieht es nämlich vor, einige vom Land Hessen vorgegebene Anstiege bei den Einnahmen in Frage zu stellen – anstatt blind daran zu glauben, dass die Zuwächse auch tatsächlich eintreten. Und so kündigte er den theoretisch machbaren Haushaltsausgleich für das Jahr 2016 nur unter Vorbehalten an. Die städtischen Mitarbeiter hätten bei der Erstellung der Zahlen die Vorgaben des Landes befolgt – Groll geht allerdings nicht davon aus, dass die Gewerbesteuereinnahmen in den kommenden Jahren, wie von Innenminister Peter Beuth prognostiziert, in jedem Fall um drei oder vier Prozent beziehungsweise die Einkommenssteueranteile der Kommunen um sechs beziehungsweise fünf Prozent steigen. „Wir handeln im Eigeninteresse, wenn wir den Prognosen des Ministers folgen“, kommentierte er die positive Entwicklung des Haushalts – im Jahr 2017 soll die Stadt gar ein Plus in Höhe von fast 300 000 Euro machen.

Den Ausblick über das Jahr 2015 hinaus beendete Groll mit einem Zitat des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain: „Voraussagen sollte man unbedingt vermeiden, besonders solche über die Zukunft.“ Stattdessen richtete der Kämmerer den Blick auf das anstehende Jahr und den Haushalt, der mit einem Defizit von rund 240 000 Euro schließt. Dieses Zahlenwerk sei „kein Potemkin’sches Dorf, welches schon beim ersten Windhauch in sich zusammenfällt, weil ihm einfach die Substanz fehlt“, stellte er heraus. Er werde aber auch nicht das „hohe Lied einer erfolgreichen kommunalen Finanzpolitik anstimmen und „Friede, Freude, Eierkuchen“ zum Motto seiner Haushaltsrede machen“. Zum einen, weil er ein mit wenig Talent ausgestatteter Sänger sei. Zum anderen, weil der Ausspruch Beschreibung einer oberflächlich intakten Situation sei, die bei genauer Betrachtung durchaus Anlass zu Nachfrage und Sorge gebe.

Erneut verwies er darauf, dass Steuereinnahmen und Einnahmen aus Schlüsselzuweisungen aufgrund von Schwankungen „nur schwierig planbar“ seien. Zudem gab er zu, dass die verbesserte finanzielle Lage vornehmlich Steuererhöhungen. zu verdanken sei – die das Land Kommunen von oben aufzwingen würde. Der Innenminister habe gesagt, dass der Hebesatz der Grundsteuer B mindestens 359 Punkte betragen müsse, da sonst der Haushalt nicht genehmigt werde. Der Finanzminister habe sogar mitgeteilt, dass sie mindestens 365 Punkte betragen müsse, da dies sonst negative Auswirkungen auf die Höhe der Schlüsselzuweisungen habe. „Wer hier noch etwas von der Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung erzählt, der könnte der Gefahr unterliegen, den .Gestiefelten Kater‘ der Brüder Grimm für einen Tatsachenbericht und nicht eines der beliebtesten deutschen Märchen zu halten“, sagte Groll und keilte weiter Richtung Land Hessen und des reformierten kommunalen Finanzausgleichs aus (die OP berichtete), der für Neustadt ein Nullsummenspiel sei: „Der große Wurf ist diese Reform nicht. Man hat die vorhandenen Mittel größtenteils nur anders verteilt.“ Letztendlich formulierte er eine Forderung in Richtung Land: „Die auskömmliche Finanzierung der Kommunen muss sichergestellt sein – und die Steuererhöhungsspirale für die Bürger muss endlich ein Ende haben.“

Zu den Haushaltsplänen sagte der Bürgermeister, dass „das Notwendigste“ – und nicht „das Wünschenswerte“ Eingang in den Ansätzen gefunden habe. Der Ergebnishaushalt wird geprägt von Projekten rund um den Erhalt der kommunalen Infrastruktur: Rund 130 000 Euro fließen in die Unterhaltung von Verkehrswegen, die Untersuchung von Brücken und die „partielle Ergänzung“ der Straßenbeleuchtung. Groll freute sich, dass die Ortsbeiräte Wünsche geäußert hätten, sich dabei aber an der finanziellen Situation der Stadt orientierten. Entsprechend könnten alle Wünsche berücksichtigt werden.

Beim Finanzhaushalt war Groll am wichtigsten, dass die Stadt erneut ohne Nettoneuverschuldung auskomme.

Die Stadt könnte sogar 150 000 Euro abstottern, ziehe es jedoch vor, Flächen im Gewerbegebiet „Am Gelicht“ von der Hessischen Landgesellschaft (HLG) zurückzukaufen. Die HLG hatte Mitte der 90er Jahre mehrere Hektar Land für die Kommune erworben. Da es bisher nur „eine geringe Zahl von Verkäufen gab“, sei inzwischen ein Betrag von 500 000 Euro angelaufen, den die Zinsspirale Jahr für Jahr in die Höhe treibe. Der Rückkauf eines Teils der Flächen sei also ebenfalls ein „effektiver Schuldenabbau“.

Die größten vorgesehenen Investitionen sind die Sanierung der Nebenanlagen der Hindenburgstraße und der Wiera- er Straße, die mit 46 000 Euro veranschlagte Erschließung des Heidentals und die auf 66 000 Euro bezifferte Fertigstellung des Tiefen Grabens – wobei die Anlieger der letztgenannten Straßen jeweils 90 Prozent der Kosten tragen müssen.

Zudem plant die Stadt die Sanierung der Leichenhalle in Neustadt (20 000 Euro), die energetische Sanierung des großen Saales des Dorfgemeinschaftshauses Momberg (60 000 Euro – Umsetzung erfolgt nur, wenn es 30 000 Euro Zuschuss vom Land gibt) und den Umbau der Grundschule Momberg zum Kindergarten) (50 000 Euro). Des Weiteren muss sie die zweite Rate für das Neustädter Staffellöschfahrzeug zahlen (145 000 Euro – es gibt aber 72 000 Euro an Fördermitteln). 58 000 Euro fließen ebenfalls in die Feuerwehr, und zwar in die Umstellung auf BOS-Funk. 25 000 Euro kostet ein Fahrzeug für den Bauhof. 20 000 Euro werden für ein neues Ehrenmal verplant – die Stadt hofft dabei auf Spenden. Weitere 20 000 Euro sind vorgesehen für eine Freibad-Studie. Ins Soldatenheim soll, so Groll, „nichts außer der Reihe“ fließen.

Für die Zukunft denkt er unter anderem darüber nach, den Hort in der Kindertagesstätte Regenbogen aufzugeben, da es an der

Grundschule ein ähnliches Angebot gebe. Zudem will er die Sportlerehrung streichen.

So langsam gehen ihm jedoch die Ideen aus, weiter Geld einzusparen, „denn die Zitrone, sprich die Ansätze des Ergebnishaushaltes, ist weitestgehend ausgepresst“.