Das Wunder ist geschehen

Architekten übergeben das neue 6,6 Millionen Euro teure Kultur- und Bürgerzentrum der Stadt Neustadt
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. „Wunder gibt es immer wieder“, schmetterte es aus den Lautsprechern im großen Saal des neuen Bürger- und Kulturzentrums, während auf einer Leinwand Fotos vom alten und dem Werdegang des neuen Gebäudes flackerten. Eigentlich hätte das Lied von Katja Ebstein live von Ulla Keller gesungen werden sollen – während einer Einweihungsfeier mit 435 Gästen samt Staatsminister und Landrätin. Doch die Corona-Pandemie habe dies natürlich unmöglich gemacht, bedauerte Bürgermeister Thomas Groll.

Die Geschichte ist schon eine besondere

Und so war es die letzte Stadtverordnetenversammlung der Legislaturperiode, die als Erstes im prachtvollen 6,6-Millionen-Euro-Bau stattfand. Immerhin somit genau mit den Protagonisten, die im Jahr 2017 mit ihren Beschlüssen das Projekt überhaupt erst auf den Weg gebracht hatten.

Groll ließ es sich nicht nehmen, einen Blick zurückzuwerfen – die Geschichte ist schließlich schon eine besondere. Im Jahr 1979 hatte die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung (KAS) das damalige Soldatenfreizeitheim errichtet und eingeweiht – und gab es bereits 1992 wieder auf. Ein Strukturwandel bei der Bundeswehr war Schuld, denn dieser brachte die Außerdienststellung des Panzergrenadierbataillons 142 mit sich, wodurch das Gebäude nicht mehr für seinen ursprünglichen Zweck benötigt wurde. Die Stadt Neustadt erwarb es – für 3,9 Millionen Euro mittels eines zinsfreien Darlehens.

Das Kuriose: Obwohl das Haus heute nicht mehr existiert, muss die Kommune es noch bis 2042 mit jährlich rund 40000 Euro abstottern. Er habe es gleich bei mehreren Verteidigungs- und Finanzministern vergeblich versucht, an dieser Stelle eine Veränderung herbeizuführen, bedauerte Groll. Er habe aber immerhin einen Brief mit der Unterschrift „Dr. zu Guttenberg“: „Vielleicht ist das ja auch was wert,“ sagte er mit einem Seitenhieb auf die Plagiatsaffäre, die den ehemaligen Minister neben seinem Titel letztendlich auch den Posten kostete.

Doch nach dem Kauf traten immer mehr bauliche Mängel zutage. Vor rund zehn Jahren wollte die Stadt das alles andere als barrierefreie Haus zumindest energetisch sanieren, doch der Kommune fehlten die notwendigen Mittel für die Co-Finanzierung. 2014/15 mussten wegen Brandschutzmängeln „unkonventionelle“ Lösungswege beschritten werden, so Groll – doch dann die Aufnahme in das Städtebauförderungsprojekt „Soziale Stadt“ (heute „Sozialer Zusammenhalt“).

Die Neustädter schmiedeten Pläne für eine Sanierung im Umfang von rund 3,5 Millionen Euro – zumindest solange, bis sie ihr Vorhaben einem, laut Bürgermeister, „vor Selbstbewusstsein protzenden“ Mitarbeiter der Wirtschafts- und Infrastrukturbank vorstellten. Dieser sprach von einem „Fass ohne Boden“ und riet zum Neubau. Die Neustädter warfen alles über den Haufen, der Rathauschef baute mit Unterstützung von Heike Brandt vom Kasseler Büro für Stadt- und Regionalentwicklung eine Förderkulisse auf – und letztendlich bekam die Stadt mehr als 5,3 Millionen Euro an Unterstützung für einen 6,6 Millionen Euro teuren Neubau.

Erinnerung an einen traurigen Moment

Dieser ist nun fertig. Groll übernahm das Haus für die Stadt von den Architekten Stefan Strack und Karsten Schmidt und deren Mitarbeiter Lars Ruhl – erinnerte in diesem fröhlichen Moment aber auch an den traurigsten: Im Dezember 2018 war ein polnischer Bauarbeiter bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen. „Wir haben hier Millionen von Euro in Steine investiert. Geld das letztlich den Einwohnern unserer Stadt und unseren Vereinen zugute kommt. Das Kultur- und Bürgerzentrum soll rege genutzt und ein Ort für Kultur, Freizeit und Weiterbildung sein“, resümierte Groll, der den städtischen Mitarbeitern und den Handwerkern dankte.

Wann das Kultur- und Bürgerzentrum tatsächlich in Betrieb geht, ist noch unklar. Der Stadt liegen bereits Anmeldungen für Familienfeiern vor, zudem ist für den 9. April ein Auftritt des Hessischen Landestheaters Marburg geplant. Was möglich ist, werden die nächsten Wochen zeigen.

In das Gebäude passen 435 Besucher. Es gibt verschiedene Optionen, den Saal und den Vorraum zum Feiern zu nutzen. Außerdem wird das Kultur- und Bürgerzentrum die Mediathek, das Familienzentrum, die kommunale Leitstelle „Älter werden in Neustadt“ samt Bürgerhilfe und ein Büro des Diakoniezentrums Hephata (das an Wochenenden ein kleines Café bewirtschaften will) beherbergen. Auch die Volkshochschule und die benachbarte Martin-von-Tours-Schule werden zu den Nutzern gehören.