„Es geht um menschliche Schicksale“

OP bekam exklusiven Einblick in die Arbeit der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge

Seit Mai gibt es in der Erstaufnahmeeinrichtung in Neustadt eine Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Die Mitarbeiter haben sich seitdem mit rund 4 600 Asylanträgen befasst.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. Stück für Stück ist die Neustädter Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in den vergangenen Monaten gewachsen. Inzwischen befassen sich im „Gebäude 34“ der ehemaligen Kaserne rund 50 Mitarbeiter mit den Asylverfahren von Flüchtlingen: von der Antragstellung bis zur Aufenthaltsgenehmigung – oder eben der Ablehnung.

Erster Schritt ist die Antragstellung, bei der eine elektronische Akte mit den Daten der Flüchtlinge angelegt wird. Ein wichtiger Schritt ist dabei das Prüfen der Fingerabdrücke des Asylbewerbers. Der Bamf-Mitarbeiter bekommt dann sofort angezeigt, ob sein Gegenüber bereits registriert wurde oder es Gründe gibt, dass ein Asylverfahren erst gar nicht in Frage kommt. Dieses Verfahren heißt „Fast ID“, erklärt Andreas Jödecke, der beim Bamf unter anderem für die Außenstellen in Hessen und dem Saarland zuständig ist.

Dominik Haeder überprüft mithilfe der Fast-ID, ob es Gründe gibt, die gegen ein Asylverfahren des Bewerbers sprechen. Bayram Ali Demirel ist einer der sogenannten „Entscheider“, die für die Anhörungen der Flüchtlinge zuständig sind.

Zudem werden Pässe und Urkunden überprüft. „Wenn wir Fälschungsansätze erkennen, geben wir die Unterlagen weiter nach Nürnberg (dem Bamf- Hauptsitz, d. Red.), wo unser Verdacht überprüft wird“, erklärt Heinz-Jürgen Schmitt. Oftmals verlieren die Antragsteller durch Vorlegen gefälschter Papiere ihre Glaubwürdigkeit – aber nicht immer, betont der Leiter der Außenstelle Neu-

Angelina Blech überprüft die vorgelegten Pässe und Dokumente, unter anderem mit Infrarot-Untersuchungen. Fotos: Lerchbacher

Stadt. Aus Eritrea beispielsweise sei die Flucht eigentlich nur mit gefälschten Pässen möglich. „Was gar nicht geht ist, wenn Syrer ihre Identität verschleiern wollen“, ergänzt er. Auffällig sei es beispielsweise, wenn Syrer maximal zwei Jahre alte, „saubere Pässe“ präsentierten: Solche Unterlagen könnten nicht echt sein, weil es in dem Land keine funktionierenden Struktur mehr gebe.

Als nächstes steht die Anhörung durch einen sogenannten „Entscheider“ an, der den Asylbewerber zu seinen Fluchtgründen befragt. „Ein solches Gespräch kann 15 Minuten dauern, aber auch viel länger“, berichtet Schmitt. Pauschal lasse sich das nicht sagen: Bei all der Masse an Anträgen gehe es noch immer um Einzelschicksale von Menschen.

Für Asylbewerber aus Ländern wie Afghanistan, Äthiopien oder dem Iran gibt es Spezialisten unter den Entscheidern, da diese Fälle meist schwieriger sind und Fachkenntnisse erfordern. Einfacher ist es indes beispielsweise bei Syrien, das als unsicheres Herkunftsland gilt, weil dort Bürgerkrieg herrscht. Flüchtlinge von dort bekommen in fast 99 Prozent eine Aufenthaltsgenehmigung. Umgekehrt sieht es in des bei Menschen aus Albanien aus – da sie aus einem „sicheren Herkunftsland“ kommen, können sie sich kaum Hoffnungen auf ein Bleiberecht in Deutschland machen.

Täglich gehen 150 bis 160 Asylanträge über die Tische

Nach dem Gespräch fordert der Entscheider gegebenenfalls noch weitere Informationen wie ärztliche Gutachten an. Sobald er über „alle notwendigen Erkenntnisse“ verfügt, entscheidet er über das Asylgesuch und erstellt den Asylbescheid. Fällt seine Entscheidung positiv aus, wird der Asylsuchende einer Kommune zugewiesen. Fällt sie negativ aus, wird die Person in ihr Herkunftsland zurückgeführt.

Die Mitarbeiter der Bamf-Außenstelle – die Unterstützung von fast 30 Dolmetschern bekommen – bearbeiten täglich rund 150 bis 160 Asylanträge. Jeder Entscheider schafft pro Tag durchschnittlich 4 oder 5 Anhörungen. Seit Juni sind rund 4 600 Asylanträge über Neustädter Tische gegangen, zudem wurden etwa 600 Anhörungen geführt.

Ein zentraler Bestandteil der Arbeit ist aber auch das Schließen einer Lücke, die als „Easy Gap“ bekannt ist. Das bedeutet, die Mitarbeiter müssen Flüchtlinge erfassen, die bisher noch keinen Asylantrag gestellt haben, aber bereits den Kommunen zugewiesen wurden. Der Plan lautete, dies bis Ende des Monats abgeschlossen zu haben. „Das werden wir aber nicht überall schaffen“, gibt Schmitt zu.

Zwei Drittel der Mitarbeiter der neuen Bamf-Außen- stelle stammen aus der Region und haben nicht weiter als 25 Kilometer zu fahren, freut sich Schmitt – der selber in Stadtallendorf heimisch ist. Rund 50 Personen sind wie erwähnt dort bereits tätig, das Personal-Soll liegt sogar bei 55. Auch wenn es in diesem Jahr weniger Anträge als erwartet gebe, der Arbeitsaufwand bleibe hoch, heißt es dann auch auf der Homepage des Bamf.