„Fake News“ sorgen für zusätzliche Verunsicherung

Bürgermeister appelliert an seine Mitmenschen, bei Posts im Internet Vorsicht walten zu lassen und keine Ängste zu schüren
VON FLORIAN LERCHBACHER
NEUSTADT. „Wo bleibt der Artikel, dass Neustadt (Kreis Marburg-Biedenkopf) unter Quarantäne gesetzt wurde?“, fragte eine Userin der OP- Facebook-Seite gestern Morgen. Nun, die Antwort ist einfach: Diesen Artikel wird es dieser Tage und hoffentlich auch in näherer und weiter entfernter Zukunft nicht geben. Denn Neustadt (Hessen) steht nicht unter Quarantäne. Neustadt am Rennsteig hingegen schon. Ob die Userin, die nicht unter ihrem echten Namen registriert ist, die „Fake News“ nun absichtlich oder aufgrund des Verwechselns der beiden Neustadts unabsichtlich in die Welt setzte, sei einmal dahingestellt. Fakt ist aber: Jeder, der die Frage gelesen hatte, fragte sich natürlich, was da nun dran ist.
Ein Anruf bei der Stadt Neustadt (Hessen!) bringt Klarheit: überhaupt nichts. Eine Kita-Gruppe sei zwar geschlossen, weil es dort einen Corona-Fall gebe – mehr aber auch nicht, sagt Bürgermeister Thomas Groll im Gespräch mit dieser Zeitung. „Es macht mir Sorgen, dass einige Menschen auch in diesen Tagen bei Facebook Stimmung machen – gerade auch gegen Flüchtlinge11, ergänzt er dann und ärgert sich über „gezielte Falschmeldungen“. So sei zum Beispiel gepostet worden, dass er sich weigere, eine Ausgangssperre für die in der Erstaufnahmeeinrichtung lebenden Flüchtlinge zu verhängen: „Das kann ich doch gar nicht, dazu habe ich kein Recht“, erklärt er und betont, im steten Austausch mit dem Regierungspräsidium Gießen und der Einrichtung zu sein. Auch dort würden das Thema Corona und die geltenden Vorsichtsmaßnahmen ausführlich den Menschen erläutert. Und wer glaube, dass sich
die Flüchtlinge nicht dafür interessieren würden, irre sich gewaltig: „Auch diese Menschen wollen sich schließlich vor der Krankheit schützen.“ Die Bewohner der Einrichtung würden in allen Sprachen informiert. Und bei Kontrollfahrten gestern habe sich gezeigt: Auch die Flüchtlinge seien maximal zu zweit unterwegs. Wenn zu dritt, dann im „Entenmarsch“ – also mit rund zwei Metern Abstand.
„Populismus ist schon in normalen Zeiten ein schlechter Wegbegleiter“, sagt der Bürgermeister, in Krisenzeiten sei Populismus aber noch viel unangebrachter. Ohnehin schon verunsicherte Menschen würden zusätzlich verunsichert und Ängste geschürt. Auch im Internet sollten die Menschen daher darauf achten, dass sie keine Gerüchte, Halbwahrheiten oder gar Falschmeldungen verbreiten. Entsprechend hoffe er, dass sie sensibler würden und sich nur auf sichere Quellen verlassen.
Insgesamt würden sich Neustadts Bürger gut an die Vorgaben der Bundesregierung halten, so der Bürgermeister. Am Wochenende habe die Stadt zwei Jugendliche aus einem anderen Landkreis aus dem (um die Verlockung zu minimieren) gesperrten Bürgerpark verscheuchen müssen und am Sonntag hätten ein paar Jugendliche in Speckswinkel Party gemacht, dann aber auf den Ortsvorsteher gehört und das Feiern abgebrochen. Insgesamt seien die Neustädter aber vernünftig.
Ein paar schwarze Schafe gibt es aber leider immer – unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder Herkunft.