Gold-Dorf goes Bioenergie

Mengsberger wollen morgen Genossenschaft für einzigartiges Nahwärme-Modell gründen

Auf Regional, Landes- und Bundesebene haben die Mengsberger bereits im Wettbewerb Unser Dorf hat Zukunft gesiegt. Morgen will die Dorfgemeinschaft ein neues Zukunftskapitel aufschlagen.

von Matthias Mayer

Mengsberg. Um 19 Uhr beginnt am Freitag im Gasthaus Ochs die Gründungsversammlung der Bioenergie-Genossenschaft Mengsberg, die sich zwei anspruchsvolle Ziele gesetzt hat:

Sie will zumindest 73 Prozent des Ortes in Sachen Heizenergie autark machen. Nicht mehr Öl-und Gas-Magnaten, Spekulanten und zweifelhafte Regime sollen über den Wärmepreis bestimmen können, sondern die Mengsberger selber. Wärmequelle ist keine Biogasanlage, sondern ein Solarthermie-Feld. Das wird mit einer Größe von 3 500 Quadratmeter bundesweit das größte seiner Art sein. Ein 9,5 Kilometer langes Nahwärmenetz wird die Sonnenwärme in die Häuser bringen. Sollte die Sonnenenergie nicht ausreichen, liefern zwei große Wärmepufferspeicher zusätzliche Energie. Für besonders kalte Tage stehen drei Spitzenlastkessel bereit, die mit Biomasse betrieben werden: Neben einem Rapsöl-Kessel wird es zwei Holzhackschnitzel-Kessel geben.

„Deutschlands größter Solarthermie-Park liefert die gleiche Grundwärme wie eine Biogasanlage“, stellte Mengsbergs Ortsvorsteher Karl-Heinz Kurz im Gespräch mit der OP fest. Das Modellprojekt aus Solarthermie-Park und Heizzentrale solle am Ortsausgang Richtung Wiera in der Gemarkung „In den Beetengärten“ gebaut werden. Das Solarthermie-Feld könne jederzeit erweitert werden. „Dort gibt es Platz genug“, blickt der Ortsvorsteher schon ein Stück weit in die Zukunft.

Die Gegenwart von Aufsichtsrat und Vorstand wird von einer brutal harten Zahl dominiert: 150. „Wir brauchen 150 Genossenschaftsmitglieder, die ihre Häuser an das Nahwärmenetz anschließen. Unterschreiten wir diese Zahl, rechnet sich das Projekt nicht. Dann ist die Angelegenheit gestorben“, sprach Karl-Heinz Kurz Klartext.

Einen ersten Fingerzeig wird die morgige Gründungsversammlung bringen, wenn sich die Interessenten in die Liste der Genossenschaftsmitglieder eintragen. Wenn die magische Zahl 150 morgen unterschritten werden sollte, ist das kein Beinbruch, sondern ein Stück Normalität. Die Erfahrungen aus den bestehenden Bioenergiedörfern zeigen, dass die Soll-

Zahl bei Gründungsversammlungen oft weit unterschritten wurden. Durch fleißiges Klinkenputzen und behutsame Überzeugungsarbeit der Vorbereitungsteams gelang es bislang immer, die Wirtschaftlichkeitsgrenze zu überschreiten.

Stimmung im Dorf ist für die Bioenergie

Auch Karl-Heinz Kurz stellt sich schon innerlich auf den „Häuserkampf“ ein, ist aber guten Mutes. Die Haltung der Mengsberger gegenüber der Bioenergie sei sehr gut. Sie habe sich deutlich gebessert, seitdem über den Bau einer Biogas-Anlage mit ihrer Mais-Problematik nicht mehr diskutiert werde, sagte der Ortsvorsteher.

Das Datenmaterial bestätigt die Wahrnehmung des Ortsvorstehers. Eine erste Befragung brachte 2012 die stolze Zahl von 182 Interessenten. Diese Zahl ermutigte die Mengsberger Bioenergie-Protagonisten dazu, eine Machbarkeitsstudie zu beauftragen. Die wurde am 28. November 2013 vorgestellt.

„Danach sind wir noch einmal intensiv ins Dorf gegangen. Das Ergebnis: 156 ernsthafte Interessenten. Diese stehen für 73 Prozent der Mengsberger Wohnhäuser. Mit dieser Zahl gehen wir in die Gründungsversammlung“, sagte Karl-Heinz Kurz und ergänzte: „Wir wollen niemanden überreden. Die Genossenschaftsmitglieder sollen von der Sache überzeugt sein.“

Vielleicht trägt der Hinweis zu dieser Überzeugung bei, dass der Wärmepreis der Genossenschaft nicht über den Vollkosten einer Ölheizung liegen wird.

Und das ist konservativ gerechnet: „Ich senke lieber den Wärmepreis, als ihn alsbald zu erhöhen“, sagte Kurz.

Über den Wärmepreis müssen Zins und Tilgung für die 6,2-Millionen-Euro-Investition und die Betriebskosten finanziert werden. Von der Gesamtsumme sind 960 000 Euro Förderung für das Nahwärmenetz und 500 000 Euro für den Solarthermie-Park abzuziehen. Außerdem winkt der Genossenschaft noch ein Zuschuss des Landes Hessen. Zudem hilft ein sehr günstiger Zinssatz, der durch eine Bürgschaft der Stadt Neustadt ermöglicht wurde, der Genossenschaft.

Geht alles nach Plan, wird im zeitigen Frühjahr 2015 gebaut. Und dann ist Mengsberg in gut einem Jahr Neustadts erstes Bioenergiedorf.