Groll pocht auf mehr Polizisten, Präsident sieht dafür keinen Grund

Diskussion über Sicherheitskonzept rund um die künftige Erstaufnahmeeinrichtung

Neustadts Bürgermeister Thomas Groll ist mit der Zusammenarbeit mit dem Land inzwischen zufrieden. Er spricht von Unterstützung für die Stadt.

von Michael Rinde

Neustadt. Ursprünglich sollte es im Laufe dieses Monats so weit sein, nun rechnet das Regierungspräsidium Gießen damit, dass die Erstaufnahmeeinrichtung mit zunächst drei Unterkunftsgebäuden am 18. Mai starten kann. Bei der Herrichtung der künftigen Kantine sind kurzfristig technische Probleme aufgetaucht. Dies erklärte Gabriele Fischer, Sprecherin der Behörde, gegenüber der OP. Die Kantine wird wohl erst Anfang Juni betriebsbereit sein. Daher sei eine Übergangslösung nötig. Mit 250 bis 300 Flüchtlingen will das Regierungspräsidium in Neustadt aller Voraussicht nach beginnen. Wenn alle Gebäude im Laufe des Jahres in der ehemaligen Kaserne fertiggestellt sind, sollen es rund 700 sein. Sie werden zwischen vier und sechs Wochen in Neustadt untergebracht, bevor sie auf die hessischen Landkreise verteilt werden.

Neustadts Bürgermeister Thomas Groll (CDU) ist mit der Kooperation zwischen dem Regierungspräsidium und der Stadt zufrieden und erwähnt dabei vor allem Elke Weppler. Sie ist Leiterin der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung Gießen und künftig für Neustadt mitverantwortlich. Groll verweist im Gespräch mit der OP darauf, dass sämtliche Stellenausschreibungen für die neue Erstaufnahmeeinrichtung in Neustadt veröffentlicht werden. Handfeste Hilfe vom Land gibt es auch mit einer von dort bezahlten zusätzlichen Stelle in der Verwaltung und zusätzlicher Förderung für die Feuerwehr (die OP berichtete). Auch beim Antrag der Stadt Neustadt auf Aufnahme in das Bund-Länder-Förderprogramm „Soziale Stadt“ sieht sich Groll gut unterstützt. Am Montag wird das Stadtparlament über den Aufnahmeantrag in das Programm beraten und beschließen. Neustadt könnte je nach Projekt hohe Förderungen erhalten – was den Haushalt spürbar entlasten dürfte.

Doch bei einem anderen Punkt, den er in der Vergangenheit immer wieder betont hatte, ist Neustadts Bürgermeister ausgesprochen unzufrieden. Er erneuert seine Forderung, die für Neustadt verantwortliche Polizeistation Stadtallendorf mit mehr Beamten auszustatten. Darin ist ersieh mit seinem Stadtallendorfer Amtskollegen Christian Somogyi (SPD) absolut einig.

Neustadts Rathauschef führt für seine Forderung drei Gründe an:

Das Sicherheitsgefühl der Bürger in Neustadt und im Ostkreis müsse gewahrt bleiben, was durch eine stärkere Streifenpräsenz möglich sei.

Für den Schutz der Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung Neustadt müsse es ausreichend Personal geben, ohne dass die Stadtallendorfer Polizei ihre regulären Aufgaben vernachlässige. Dabei hat Groll, auch wenn es dafür keine Anzeichen gibt, den Schutz vor Extremisten im Sinne. Aus der Bevölkerung gebe es nach den zunehmenden Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte in der Republik immer mehr Nachfragen bei ihm. „Die Bürger schauen darauf, wie sich die Dinge entwickeln“, sagt Groll.

Bei Vorkommnissen in der Erstaufnahmeeinrichtung müsse die Polizei in der Lage sein, zu reagieren. „Schwarze Schafe, die sich nicht an Regeln halten, wird es überall geben“, sagt Groll.

Zuletzt hatte er sich schriftlich an Polizeipräsident Manfred Schweizer, Chef des Polizeipräsidiums Mittelhessen, gewandt, der bei einem Fernsehinterview die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingsunterkünften betont hatte. „Wenn das Land mehr als zehn Millionen Euro in die bauliche Infrastruktur stecken kann, dann dürften auch einige zehntausend Euro im Monat für zusätzliche Beamte möglich sein“, sagt Groll.

Der von ihm direkt angesprochene Polizeipräsident äußerte sich am Freitag im Gespräch mit der OP dazu. Als Chef des Polizeipräsidiums Mittelhessen warne er davor, „eine besorgniserregende Situation herbeizureden“. Er verweist auf sehr gute Erfahrungen mit der Flüchtlingsunterkunft Kirchheim. Rund 300 bis 400 Flüchtlinge sind in dieser Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen seit vergangenem August untergebracht.

Dort gebe es aus polizeilicher Sicht keinerlei Schwierigkeiten. „In Gießen haben wir angesichts von über 4 000 Flüchtlingen, darunter viele jüngere Alleinstehende, auf engem Raum, Sicherheitsprobleme mit einem kleinen Teil der Bewohner. Die Situation in Neustadt ist damit nicht vergleichbar“, sagt Schweizer, zumal die Einrichtung in Neustadt noch gar nicht eröffnet sei.

Eine Verstärkung der Polizeistation Stadtallendorf, so, wie die Bürgermeister Groll und Somogyi sie verlangen, gibt es nicht – zumindest vorerst nicht. Die Polizei werde die Situation in Neustadt und im Ostkreis sehr genau beobachten und sofort reagieren, wenn es notwendig sei, sagt der Polizeipräsident. Das gelte auch mit Blick auf das Sicherheitsgefühl der Bürger.

Das von Regierungspräsident Dr. Lars Witteck im Februar in Neustadt angesprochene Streifenkonzept mit den Polizeistationen Alsfeld und Schwalmstadt für Neustadt und Umgebung wird es in dieser Form nicht geben.

Den Streifendienst werde die Polizei Stadtallendorf leisten, sollte Hilfe nötig sein, gebe es umgehend Unterstützung der benachbarten Polizeistationen, bei Bedarf auch der Bereitschaftspolizei. „Natürlich werden wir präsent sein. Aber es gibt in der Erstaufnahmeeinrichtung auch einen Betreiber und vor allem einen Sicherheitsdienst, der entsprechend geschult sein wird“, sagt Schweizer. Eine besondere Bedrohung für die Flüchtlinge – etwa durch ausländerfeindliche Extremisten – sei für die Polizei derzeit in Neustadt nicht erkennbar. Nach jener Flyerverteilung der NPD in Neustadt hatte sich der Staatsschutz der Polizei eingeschaltet, strafrechtlich relevant waren die Flugblätter nicht. Groll, am Freitag von der OP mit Schweizers Aussagen konfrontiert, reagiert mit Unverständnis auf die klaren Worte aus Gießen: „In meinen Augen ist Prävention wichtiger als Reaktion.“

Die künftige Situation dürfte nicht dazu führen, dass die Polizei zu stark mit der Erstaufnahmeeinrichtung befasst sei. Groll rechnet vor, dass in Neustadt und Stadtallendorf bis Jahresende rund 1 100 Flüchtlinge zeitweise oder dauerhaft leben werden, was einen erheblichen Bevölkerungszuwachs bedeute.

Der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Andreas Grün, erklärte im Vorfeld der Äußerungen von Groll und Schweizer gegenüber dieser Zeitung, dass er davon ausgehe, dass ein schlüssiges Sicherheitskonzept für Neustadt beim Start vorliege. Grün betont aber auch: „Es gibt Flüchtlingsunterkünfte, da läuft es in Sachen Sicherheit völlig problemlos.“

Mit Blick auf die Situation der Stadtallendorfer Beamten macht er klar, dass ein Sicherheitskonzept nicht dazu führen dürfe, dass bestehende Aufgaben vernachlässigt oder zusätzliche Überstunden bei den Beamten aufgebaut werden.

Manchen Belastungen sind Stadtallendorfer Polizeibeamte ohnehin schon ausgesetzt. Auch sie werden bei Not am Mann kurzfristig zu Einsätzen jenseits der Kreisgrenze gerufen, wie die OP in der Vergangenheit berichtete – nötigenfalls sogar im Raum Wetzlar.

In der Polizeistation Stadtallendorf arbeiten rund 50 Polizeibeamte, verteilt auf 5 Dienstgruppen. Während einer Schicht sind zwischen 7 und 8 Beamte im Dienst. Tagsüber stehen für den gesamten Ostkreis zwischen 2 und maximal 3 Streifenwagenbesatzungen zur Verfügung. In der Nacht sind zwei Streifen unterwegs im Gebiet zwischen Mengsberg und Hertingshausen und zwischen Großseelheim und Wolferode.