Junker Hans: Verwandtschaft kehrt zurück

Ohne Schwert und Lederweste, aber dafür mit jeder Menge historischen Wissens im Gepäck kehrte in Albert-Frederick von Dörnberg ein Verwandter in die vom Junker Hans geprägte Stadt Neustadt zurück.
von Florian Lerchbacher

Den Junker Hans kennt in Neustadt jedes Kind. Er ist fast schon eine Art Stadtheiliger, wie Bürgermeister Thomas Groll mit einem Augenzwinkern sagt. 1477 hatte Landgraf Heinrich III. von Oberhessen Neustadt an Hans von Dörnberg verpfändet. Die Herrschaft der Dörnberger und damit die Blütezeit der Stadt endete 1549, als das Erzbistum Mainz die Pfandschaft wieder auflöste.

Stadtkirche, Rathaus (das ehemalige Schloss) und das Wahrzeichen der Stadt schlechthin, der Junker-Hansen-Turm, wurden alle auf Initiative des Junkers gebaut. Und natürlich ranken sich zahlreiche Mythen und Sagen um die historische Persönlichkeit. So soll er im 15. Jahrhundert einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sein, der wiederum 666 Pflöcke in den sumpfigen Boden schlug, um einen geeigneten Untergrund für den Junker-Hansen-Turm, den größten Fachwerkrundbau der Welt, zu schaffen – dessen Mauern Hans von Dörnberg später auf seinem Ross hinauf- und hinabritt.

Nicht zu vergessen, dass an der Nellenburg noch ein vergrabener Schatz liegen soll. Die Verehrung des Junkers in Neustadt ist groß. Alljährlich stellt die Stadt zur Kirmes einen jungen Mann und zwei Frauen vor, die ein Jahr lang zu offiziellen Anlässen den Junkers Hans und seine Burgfräulein mimen – in historischen Kostümen. Hans trägt zu seiner Einführung immer Bart und Lederweste und bekommt von seinem Vorgänger das Schwert überreicht.

Junker Hans „verhalf Neustadt zu Prosperität“
Ganz anders trat nun einer seiner Verwandten in Neustadt auf: Albert-Frederick Freiherr von Dörnberg (68) ist seit Oktober des vergangenen Jahres Hauptmann, also geschäftsführender Vorstand, der gemeinnützigen Dörnberg‘schen Stiftung Burg Herzberg. Junker Hans hatte die Anlage – die größte Höhenburg Hessens – zwischen 1480 und 1497 errichtet. Dort befindet sich der Stammsitz der Familie, die zum hessischen Uradel gehört. Dritter Standort der Dörnbergs war das Schloss Hausen (in der Gemeinde Oberaula im Schwalm-Eder-Kreis).

Natürlich habe er eine Verbindung zu Neustadt, betonte Albert-Frederick Freiherr von Dörnberg im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Stadt sei schließlich Teil der Familiengeschichte. So habe er sich bereits in seiner Jugend in Marburg, wo er aufwuchs, mit ihr auseinandergesetzt und sie auch besucht. So kannte er beispielsweise schon den Stein in der Kirche, der aussieht wie ein Gesicht – der Legende nach ein Abbild des Junkers Hans, der überprüft, wer alles den Gottesdiensten beiwohnt.

Allerdings habe er während seiner Recherchen in Archiven nie ein Bild von Hans gefunden, erklärte Albert-Frederick von Dörnberg und studierte interessiert den Pappaufsteller im Junker-Hansen-Turm, der zeigt, wie sich die Neustädter den Junker vorstellen. „Er verhalf Neustadt zu Prosperität. Man würde heute sagen, dass er ein guter Manager war“, kommentierte er das Leben seines Vorfahren – von dem er allerdings nicht abstammt, was auch gar nicht möglich ist, da Hans keine Kinder hatte. Der Junker sei prägend gewesen für die Stadt und das Land Hessen: „Aber er war auch ein rauer Geselle, der später im Leben beispielsweise exkommuniziert wurde.“

Einladung zum Jubiläum
Auf jeden Fall freute sich der Burghauptmann über die noch immer anhaltende Begeisterung der Neustädter für den Junker Hans – besonders auch darüber, dass die Stadt ihn sozusagen als Aushängeschild nutzt: „Ich finde diese Tradition schön. Es ist schön, dass die Stadtgeschichte auf diese Art und Weise lebendig gehalten wird – der Mensch lebt schließlich sonst recht bezugslos in unserer schnelllebigen, vom Materiellen geprägten Zeit.

Die Geschichte gibt Orientierung und sorgt für einen Bezug. Man sollte sich außerdem mit ihr beschäftigen, weil es erklärt, warum wir uns auf eine bestimmte Art und Weise entwickelt haben.“ Als Albert-Frederick von Dörnberg erfuhr, dass es in Neustadt sogar noch die Ritterschaft „Dörnbergs Recken“ gibt, nickte er anerkennend, lachte und freute sich überrascht: „Oh, das ist ja toll.“

Bürgermeister Groll zeigte sich begeistert von der Art, wie sein Gast in Neustadt auftrat und mit ihm und Wolfram Ellenberg (Erster Stadtrat) sowie Klaus Groll (Ortsvorsteher) und Franz-W. Michels (Stadtverordnetenvorsteher) über die Geschichte sprach. Da wunderte es kaum, dass er den Repräsentanten der Familie, die Neustadts Geschichte über sieben Jahrzehnte prägte, direkt zum Jubiläum „750 Jahre Stadtrechte“ im Jahr 2022 einlud. Außerdem hofft er, dass der 68-Jährige im Vorfeld noch einmal zurückkehrt, um während der von ihm initiierten Vortragsreihe zu wichtigen Ereignissen der Geschichte über den Junker Hans zu referieren.