Neustadt könnte einspringen

Frühere Kaserne wird wohl Übergangsquartier für Flüchtlinge

von Michael Rinde

Neustadt. Gestern sprach das Regierungspräsidium bereits von einer Entscheidung, Neustadts Ex-Kaserne als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge zu nutzen. Neustadts Bürgermeister Thomas Groll hat andere Informationen. Nach einem Gespräch mit dem Regierungspräsidenten rechnet Groll was die Nutzung der Kaserne für Flüchtlinge angeht, erst Mitte Januar mit Klarheit. Eine Behördensprecherin erklärte am Dienstag hingegen gegenüber dieser Zeitung, dass die Behörde sich bereits definitiv für eine Nutzung von vier Gebäuden entschieden habe. Unterdessen ist die Zahl der Flüchtlinge, die in Gießen ankamen, weiter angestiegen. Gestern lag sie bereits bei 3 574 Personen.

Ex-Kaserne dient als möglicher Puffer

Regierungspräsident informierte gestern Neustadts Bürgermeister über denkbare Flüchtlingsunterkunft

In Gießen ist die Vorentscheidung gefallen: Die frühere Ernst-Moritz- Arndt-Kaserne wird eine der ersten Anlaufstellen für in Hessen ankommen- de Flüchtlinge – zumindest übergangsweise.

Neustadt. Die Überlegungen, in der früheren Neustädter Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne Flüchtlinge vorübergehend unterzubringen, sind sehr konkret. „Es ist eine Entscheidung gefallen“, erklärte Gabriele Fischer, Sprecherin des Regierungspräsidiums Gießen, gestern auf Anfrage der OP. Demnach könnten bis zu vier frühere Unterkunftsgebäude für Flüchtlinge genutzt werden, wohl ab Ende Januar. Die ehemalige Kaserne wäre dann eine Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung für nach Dessen kommende Flüchtlinge in Gießen. Am Montag hatte die Behörde noch nicht von einer endgültigen Festlegung sprechen wollen (diese Zeitung berichtete gestern).

Ein leichtes Verwirrspiel um die aktuelle Situation gab es gestern allerdings auch noch: Neustadts Bürgermeister Thomas Groll führte am Dienstagnachmittag ein Gespräch mit dem Gießener Regierungspräsidenten Dr. Lars Wittek. Der habe hm erklärt, dass die Neustädter Kaserne dann nur als Puffer für die Unterbringung von Flüchtlingen dienen solle. „Und er hat mir gesagt, dass es keinesfalls 800 Flüchtlinge werden sollen“, erklärte Groll.

RP-Sprecherin Fischer sprach gestern von vier Gebäuden, die die Behörde als Unterkünfte nutzen könnte. Die noch nicht verkauften Teile der früheren Kaserne werden vom Bundesamt für Immobilienmanagement verwaltet, einer Bundesbehörde.

Die Unterkunfts- und Verwaltungsgebäude sind seit Juni 2013 ungenutzt, zuletzt waren dort bis zu zwei Kompanien des Führungsunterstützungs- Bataillons 286 stationiert, zeitweise zwischen 200 und 400 Soldaten. Jene Gebäude, um die es jetzt gehen wird, sind vor 55 Jahren errichtet worden.

Wie die Flüchtlingsunterbringung in Neustadt gemanagt werden könnte, ist in Gießen definitiv noch nicht entschieden. Doch ein Betreibermodell scheint wahrscheinlich. So werden bereits die Unterkünfte für Flüchtlinge im ehemaligen Gießener US-Depot verwaltet. „Wir haben damit gute Erfahrungen, wobei wir immer nur einen Teil der Aufgaben delegieren“, sagt Gabriele Fischer. Hoheitliche Aufgaben werden dabei ohnehin nicht an private Betreiber abgegeben.

Fischer erneuerte die Ankündigung, dass es zeitnahe eine Informationsveranstaltung für die Neustädter Bürger geben soll.

Wittek habe ihm zugesagt, im Fall der Fälle dann auch selbst nach Neustadt zu kommen, so Bürgermeister Groll. Er rechnet mit endgültiger Klarheit über die Pläne der Behörde mit der Kaserne ohnehin erst Mitte Januar. Das Gespräch mit Wittek bewertete Groll gestern als positiv. Der Regierungspräsident habe auch Verständnis für seine gestrigen Äußerungen in der OP gezeigt, zugleich aber auch auf die hohe Zahl ankommender Flüchtlinge und die sich daraus ergebenden Zwänge hingewiesen.

Im Landkreis sind derzeit bereits knapp 1 000 Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht – und zwar anders als in der Erstaufnahmeeinrichtung dauerhaft. In der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben angekommene Flüchtlinge zwischen vier und sechs Wochen.

Der Kreis hatte sich bewusst gegen die denkbare Nutzung von leerstehenden Kasernen ausgesprochen, sondern gleich auf die Anmietung von Wohnungen gesetzt. „Wir haben die Kasernen als Unterbringungsorte gar nicht geprüft. Großunterkünfte bringen bei einer dauerhaften Unterbringung ein Mehr an Konflikten im Miteinander“, sagt Marian Zachow, der Erste Kreisbeigeordnete. Zachow hatte gestern ebenfalls noch einmal Kontakt mit Regierungspräsident Wittek. Auch er bekam von dort die Rückmeldung, dass Neustadts frühere Kasernengebäude eher als Puffer gedacht seien, um „Spitzen“ bei der Unterbringung abfangen zu können. Der Erste Kreisbeigeordnete sagte der Stadt Neustadt gestern breite Unterstützung zu, wenn auch das Land finanziell allein in der Pflicht steht. „Und mir ist es allemal lieber, wenn Flüchtlinge nicht in Gießen in Zelten frieren müssten, sondern in Neustadt ein Dach über dem Kopf hätten“, bezieht Zachow klar Position.

Die Zahl der in Gießen ankommenden Flüchtlinge steigt: Gestern Mittag waren es bereits 3 574. Davon waren 2 440 im früheren US-Depot, 410 in der Außenstelle Kirch- heim und weitere 69 in der Außenstelle Bad Arolsen untergebracht. Bis August 2015 sollen die Unterkunftsgebäude in Büdingen in der Wetterau bereitstehen.