Neustadts Zeit als Standort endet

Letzter Appell in der Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne • Zwei Kompanien aus Rotenburg aufgelöst

Was 1960 mit dem feierli­chen Einzug der ersten Bundeswehrsoldaten in Neustadt begann, endete am Dienstag mit einem unspektakulären Appell. Bis September räumt die Truppe die Kaserne.

von Michael Rinde

Neustadt. Die letzte Gnaden­frist für die Neustädter Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne ist abge­laufen. Am Dienstagnachmit­tag stellte Oberstleutnant Uwe Reinhard, Kommandeur des Führungsunterstützungs-Ba-taillons 286, die beiden in Neu­stadt stationierten Kompanien seiner Einheit außer Dienst. Für Reinhards Bataillon kommt das Aus Mitte 2015, wenige Monate später schließt auch die mit Mil­lionenaufwand sanierte Kaser­ne in Rotenburg (Fulda). Eine Kuriosität am Rande: Nur dank der Sanierungsarbeiten in Ro­thenburg hatte die Bundeswehr die Aufgabe der Neustädter Ka­serne im Jahr 2008 überhaupt verschoben.

Nur wenige Besucher verfolgten das historische Ereignis auf dem Appellplatz, die Musik kam aus einer Lautsprecheranlage. „Wir haben hier schon ganz r anderes erlebt“, bekannte Neu­stadts Bürgermeister Thomas Groll wehmütig bei seiner An­sprache.

Die dritte und vierte Kom­panie des Führungsunterstützungsbataillons 286 waren 2008 ( in Neustadt aufgestellt worden, zunächst als Einheiten für ( die Grundausbildung. Bataillonskommandeur Reinhard erinnerte am Dienstag daran, dass erst ab 2011 der Ausbildungsschwerpunkt der Neustädter Soldaten auf der Führungsunterstützung, sprich Kom­munikation gelegen hat. „Die Situation in Neustadt war nicht leicht“, bekannte Oberstleut­nant Reinhard. 59 Soldaten der beiden Kompanien aus Neu­stadt waren in den vergangenen Jahren im Kosovo und in Afgha­nistan im Einsatz.

Angst vor „Wildwest“ in der Kaserne

7 der insgesamt 32 Hektar einstiger Kasernenfläche wer­den inzwischen von zwei Unter­nehmen zivil genutzt. Zumin­dest beim früheren Technikteil der Kaserne ist die Konversion, die Umwandlung von Bundeswehrflächen zu zivil genutz­tem Gelände, in Gang gekom­men. Doch was wird nun aus dem restlichen Teil der Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne? Vor ei­nem warnt Bürgermeister Groll vor allem: „Dass sich in der leer­stehenden Kaserne Vandalismus oder Wildwest-Zustände breitmachen.“ Bis September wird die Kaserne von der Bun­deswehr vollends geräumt sein. Wann das Gelände zur weiteren Vermarktung an die Bundes­anstalt für Immobilienaufgaben übergeben wird, ist noch nicht absehbar.

Jörg Töpper, Leiter des Bun­deswehr-Dienstleistungszen­trums (früher Standortverwal­tung) in Homberg/Efze, will in jedem Falle für „ein höchst­mögliches Maß an Sicherheit“ der bald leer stehenden Kaser­ne sorgen. Klar ist, dass die zivi­len Mitarbeiter der Bundeswehr an den verbleibenden Bundes­wehr-Standorten in Stadtallen­dorf verbleiben können.

Bürgermeister Groll sieht für die Stadt Neustadt keinen Be­darf an Bundeswehr-Liegen­schaften. Angesichts des Bevöl­kerungswandels bestehe kein Bedarf für zusätzlichen Wohn­raum.

Außerdem sind die zum größ­ten Teil mehr als 50 Jahre al­ten Unterkunftsgebäude stark sanierungsbedürftig. Zuletzt brauchte die Bundeswehr noch ganze sechs der Unterkunfts­gebäude. Die übrigen standen in den vergangenen fünf Jahren bereits leer.

Interessant könnte theoretisch noch der frühere Sportplatz für die Stadt sein. Doch auch da winkt Groll im Gespräch mit dieser Zeitung ab. Denn Neu­stadt habe bereits zwei Sport­plätze in der Kernstadt. „Und außerdem war es in der Vergan­genheit Bedingung, dass wir dann die Sporthalle mit über­nehmen müssten, die wir wirk­lich nicht brauchen“, sagt Groll. Für ihn steht fest, dass es sich die Stadt nicht leisten könne, weiteres Geld, das die Stadt oh­nehin nicht habe, in die leere Kaserne zu investieren.

Bliebe die Hoffnung auf Ge­werbebetriebe, die sich dort im Laufe der Zeit ansiedeln könn­ten. Doch auch dafür müsste die Stadt Geld in die Hand neh­men, um Baurecht zu schaffen. Außerdem wäre jedes Gewer­begrundstück, das aus dem Kasernengelände heraus entsteht und verkauft wird, eine „Kon­kurrenz“ zu den fertig erschlos­senen Gewerbeflächen im Ge­biet „Am Gelicht“.