Ohne große Mühe zum Bienen-Paradies

Auftaktveranstaltung zu „Neustadt blüht“ • Stadt verteilt kostenlose Samen-Mischungen an ihre Bürger
Schon vor Jahren begann die Stadt, vereinzelte Wildblumen-Felder einzurichten – und fand auch Nachahmer. Nun will sie in Zusammenarbeit mit ihren Bürgern großflächig das Nahrungsangebot für Bienen verbessern.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. „Wenn viele Menschen etwas Gutes tun, können wir gemeinsam Großes erreichen“, betonte Bürgermeister Thomas Groll während der Auftaktveranstaltung zu „Neustadt blüht“. Mit der Initiative schließt sich die Stadt zahlreichen anderen Städten und Gemeinden – wie Kirchhain oder Stadtallendorf – an, die sich für Bienen, Insekten und die Artenvielfalt insgesamt einsetzen.
Als erstes stellt sie ihren Bürgern 2 000 Tütchen mit Samen zur Verfügung. Diese Mischung heimischer Blumen sei auf die Region abgestimmt und biete Bienen über mehrere Monate eine optimale und vielfältige Nahrungsquelle, erläuterte Groll und rief seine Mitmenschen dazu auf, sich im Bürgerbüro Samen abzuholen und entweder im Garten oder in Blumentöpfen auszusäen. Nach den Sommerferien will die Stadt in einem zweiten Schritt auf kommunalen Flächen aktiv werden. Für den Herbst sind dann Gespräche mit Landwirten geplant, was diese unternehmen könnten.
Für die Auftaktveranstaltung hatten sich die Neustädter einiges an Erfahrung ins Boot geholt: Meike Bonsa von der Stadt Kirchhain sprach über die seit Jahren gepflegte Initiative ihres Arbeitgebers. Werner Gemmecker, Vorsitzender des Imkervereins Kirchhain und Umgebung, informierte über Bienen im Allgemeinen. Zudem stand Dr. Ursula Mothes-Wagner von der Agentur für Naturentwicklung Marburg-Biedenkopf für allgemeine Fragen zur Verfügung.
Bonsa erinnerte an die Anfänge von „Kirchhain blüht“ zu Beginn des Jahrzehntes und sprach über die Entwicklung, unter anderem von einjährigen zu den heutigen mehrjährigen Pflanzenmischungen. Diese Veränderung habe das Bieneninstitut auf den Weg gebracht, erklärte sie – weil die mehrjährigen Pflanzen als Nahrungsquelle für heimische Insekten besser geeignet seien. „Da steckt viel Bürgerschaft drin“, hob sie hervor und animierte auch die Neustädter dazu, sich aktiv in das städtische Projekt einzubringen. Ein Apfelbaum, der nicht von Bienen bestäubt werde, bringe rund zehn Kilo Ertrag – einer, der bestäubt werde, indes rund 100 Kilo, nannte sie als Beispiel, um die Leistung der Insekten für das Leben auf dem Planeten zu verdeutlichen.
Sie animierte aber auch dazu, gleichzeitig mit dem Projekt etwas für die Bildung von Kindern und Jugendlichen zu tun: In Kirchhain gebe es einen Naschgarten, der am Schulweg des Kirchhainer Nachwuchses liege. Grund für die Initiative sei gewesen, dass Kinder beispielsweise nicht wussten, dass Erdbeeren vom Strauch oder Erbsen direkt aus der Schote essbar seien. „Das hat mich stutzig gemacht“, kommentierte Bonsa.
Sie erklärte außerdem, dass 75 Prozent aller Bienenarten ihre Nester im Boden bauten. „Sie müssen also in ihrem Garten nicht alles durchstrukturieren. Bienen brauchen Rohboden“, gab sie ihren Zuhörern mit auf den Weg. „Seien Sie also nicht zu ordentlich“, fügte Mothes- Wagner hinzu und betonte, dass der Einsatz für Bienen zumeist weniger Gartenarbeit bedeute: „Im Winter die Stängel stehen lassen ist das A und O“, nannte sie als Beispiel. Der ehemalige städtische Gärtner Günter Heidenreich berichtete, dass in seinem Garten ein Bienenvolk im Boden genistet und ihn vor die Frage gestellt habe, wie er mit den Insekten umgehen solle. Er habe die Erde jedenfalls erst mal nicht bearbeitet. „Wenn Sie nicht zu tief hacken, ist das kein Problem“, entgegnete Bonsa: „Die Röhren gehen sehr tief, zudem werden die Kammern am Ende verschlossen.“ Der Bienennachwuchs werde also durch vorsichtige Gartenarbeit nicht gefährdet.
Auch Gemmecker rief dazu auf, die Bürger sollten sich am Anblick von Bienen erfreuen: „Es muss ein Umdenken erfolgen“ – sowohl in der Forstwirtschaft als auch bei Privatleuten. Bei einem „englischen Rasen“, fehlten zum einen „das schöne Bunte“ der Blumen und zum anderen die Nahrungsquelle für Bienen: „Und denken Sie immer daran: Honig kann man notfalls importieren, die Bestäubungsleistung der Bienen aber nicht.“
Helmut Zieße, der Vorsitzende des Heimat- und Verschönerungsvereins Mengsberg, nutzte die Anwesenheit der Experten, um sich zu erkundigen, warum keine Hummeln in die vom Verein aufgestellten Insektenhotels ziehen würden. Den konkretesten Tipp bekam er jedoch von Wolfram Ellenberg, dem Ersten Stadtrat, der einst in seinem Garten Lavendel pflanzte. Das habe bei ihm quasi zu einer richtigen „Hummelflut“ gesorgt, berichtete er.