Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 26. August 2019 (Teil 1)

Wiederkehrende Straßenbeiträge behandelt Sachstandsberichte zu kommunalen Vorhaben – Gefahrenabwehrverordnung beschlossen –
Am 26. August fand unter dem Vorsitz von Stadtverordnetenvorsteher Franz-W. Michels im Sitzungssaal des Historischen Rathauses die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung nach der „Sommerpause“ statt.
Wenn auch die Tagungsordnung überschaubar war, so gab es doch zahlreiche Informationen für die Mandatsträger. Schade, dass – wie fast immer – nur zwei „treue Besucher“ (Ehrenstadtrat Ludwig Dippel und Hermann Schulze) zugegen waren. Gerade das Thema „Wiederkehrende Straßenbeiträge – Prioritätenliste 2019-2031“ hätte doch von Interesse sein müssen, schließlich stehen hier für 2020 grundlegende Veränderungen an.
Hauptthema der Sitzung war also die Einführung der Wiederkehrenden Straßenbeiträge. Eingangs befasste sich der Bürgermeister nochmals mit einigen grundsätzlichen Punkten. Er verwies darauf, dass die Stadtverordnetenversammlung die Veränderung der Beitragssystematik im April 2019 einstimmig verabschiedet habe und auch die vier Ortsbeiräte im Ergebnis zugestimmt hätten. Dafür, dass es gegenwärtig Nachfragen, Unsicherheiten und auch kritische Sichtweisen gebe, so Groll, habe er Verständnis.
Auch er werde immer wieder auf die Thematik angesprochen. Beispielsweise habe man ihn gefragt, warum die Kommune zukünftig keinen Anteil mehr zum kommunalen Straßenbau zahle und die Bürger alles tragen müssten. Diese Aussage sei aber völlig falsch. Richtig sei vielmehr, dass die Kommune nach der derzeitigen Planung bis 2031 voraussichtlich 1,643 Mio. Euro zahle (knapp 28 Prozent), der Anteil der Anlieger belaufe sich auf rund 4,33 Mio. Euro (rund 72 Prozent). Dazu kämen für die Kommune noch 1,3 Mio. Euro für Reparaturarbeiten an Straßen und Nebenanlagen, für die keine Anliegerbeiträge anfielen. Zudem zahle die Stadt natürlich auch für ihre Grundstücke Wiederkehrende Straßenbeiträge.
Es sei richtig, dass inzwischen über 50 von rund 430 hessischen Kommunen die Straßenbeiträge komplett abgeschafft hätten. Hier lohne sich aber immer ein genauer Blick, denn im gleichen Atemzug sei oftmals die Grundsteuer erhöht worden oder würden notwendige Straßensanierungen zurückgestellt. Zuletzt habe Kassel die Abschaffung beschlossen. Er habe in diesem Zusammenhang in der Zeitung gelesen, so Thomas Groll, dass die große Stadt Kassel jährlich nur 1,1 Mio. Euro an Straßenbeiträgen von den Grundstückseigentümern vereinnahme und sei darüber sehr überrascht gewesen. In Neustadt sollen es bis 2031 im Durchschnitt jährlich 330.000 Euro sein und dies sei sicherlich noch nicht genug, um überall dort, wo es nötig sei, zu agieren. Kassel sei aber um ein vielfaches größer und müsste daher deutlich mehr als den genannten Betrag zahlen oder habe einen beachtlichen Investitionsstau. Er sei gespannt, wie Kassel in vier, fünf Jahren den kommunalen Straßenbau finanzieren werde. Der Oberbürgermeister habe übrigens als Kämmerer vehement vor einer Abschaffung gewarnt.
Mancher Bürger hätte ihn in diesen Tagen zudem gefragt, warum er als CDU-Mitglied für Wiederkehrende Straßenbeiträge plädiere und der CDU-Landratskandidat dagegen. Auch er, so der Bürgermeister, würde gerne auf die Straßenbeiträge verzichten, wenn denn die Rahmenbedingungen stimmen und verwies auf die ausführliche Stellungnahme hierzu im „Mitteilungsblatt“. Da die Voraussetzungen hierfür aber gegenwärtig nicht vorlägen, sei er für diese Variante, die auf alle Fälle besser sei als das alte Beitragssystem. Straßenbeiträge seien im Übrigen kein Thema im Verantwortungsbereich des Kreises und vor Wahlen komme es schon vor, dass Kandidaten „äußerst wählerfreundlich“ argumentieren. Man sollte sie immer an dem messen, was sie nach der Wahl täten. Er selbst habe im Bürgermeisterwahlkampf in seinem Flyer mitgeteilt, dass er – wie die Stadtverordneten auch – für die Einführung Wiederkehrender Straßenbeiträge sei.
Die Einführung der Wiederkehrenden Straßenbeiträge laufe im Übrigen sowohl in der Verwaltung als auch beim beauftragten Büro KC Becker planmäßig. Ende Oktober solle die Auswertung aller Fragebogen abgeschlossen sein.
Der Bürgermeister erläuterte anschließend den Entwurf für das Bauprogramm 2019-2031. Dieser wird ebenso wie die anderen nachfolgend genannten Aufstellungen im „Mitteilungsblatt“ abgedruckt. Dieses, so Groll, diene der Transparenz und der Information.
Beim Bauprogramm und den damit einhergehenden Kosten kommt es zu einigen Veränderungen gegenüber der Aufstellung aus dem Jahre 2017. Zunächst musste eine Steigerung der Baupreise von 25 Prozent eingepreist werden. Gerade im Tiefbau sind die Preise in die Höhe „geschossen“. Weiterhin liegen nach der Auswertung von 2/3 der Erhebungsbögen genauere Erkenntnisse über die Flächengrößen und Geschossflächenzahlen vor, als bei der pauschalen Betrachtung 2017. In der Kernstadt wurden für den ersten Abrechnungszeitraum 2019-2022 zwei Straßen neu aufgenommen. Die Querallee sollte ursprünglich bereits 2017 bzw. 2018 fertiggestellt werden und in der Karl-Braun-Straße steht 2021 eine Gemeinschaftsmaßnahme von ZMA und ZMW an, an der sich die Kommune sinnvollerweise beteiligen sollte. Neu aufgenommen wurde der Struthring aufgrund des Schadensbildes und dessen zu erwartender Weiterentwicklung. Nicht mehr im Bauprogramm enthalten sind zwei Straßenabschnitte: Im Teilbereich der Bismarckstraße (von Alsfelder Straße bis Nellenburgstraße) fanden bereits Reparaturarbeiten statt und das Schadensbild der Neuen Gartenstraße ist „besser“ als jenes des Struhringes. In den Stadtteilen kam es im Wesentlichen nur zu zeitlichen Verschiebungen. Im Stadtteil Speckswinkel soll bis 2031 nur die Buchseite grundhaft saniert werden, um die Bürger nicht über Gebühr zu belasten, daher wird der Steinweg verschoben.
Der Bürgermeister betonte ausdrücklich, dass sich bis 2031 natürlich Veränderungen im Bauprogramm ergeben könnten. Man müsse schauen, welche Maßnahmen die Versorgungsträger durchführen und wo sich akute Schadensbilder ergeben. Daher werde die Liste regelmäßig überdacht werden.
Nach Einarbeitung der restlichen 800 Fragebögen und des Artzuschlages für teilweise oder ausschließlich gewerblich genutzte Grundstücke dürfte es nochmals zu leichten Veränderungen der Beitragshöhe kommen. Die Zahlen dürften dann Ende Oktober vorliegen. Zunächst sind sie aber nur für die Kernstadt relevant. Bescheide in den Stadtteilen werden erst 2021 (Mengsberg), 2022 (Momberg) und 2025 (Speckswinkel) verschickt. Die Zahlen sind daher natürlich nur „Anhaltspunkte“, denn wer weiß heute schon, was 2025 oder gar 2030 sein wird. Groll äußerte die Hoffnung, dass die Baupreise mittelfristig wieder nach unten gehen. Man habe aber einmal ein Szenario über 13 Jahre hinweg entwickelt, um näher über die zukünftige Entwicklung zu informieren.
Der Bürgermeister wiederholte nochmals folgende Eckpunkte: Es wird vier Abrechnungsgebiete geben. Der Abrechnungszeitraum beträgt immer vier Jahre. Dann wird endabgerechnet. Gezahlt wird nur, wenn tatsächlich Straßenbau stattfindet. Es gelte eine Befreiungsregelung von 25 Jahren nach Endabrechnung für in der Vergangenheit grundhaft sanierte Straßen. Gleiches gelte für Erschließungsanlagen.
Die Stadtverordneten Markus Bätz und Karsten Gehmlich (beide FWG) sprachen im weiteren Verlauf die modifizierte Beitragsberechnung für die Kernstadt an. 2017 waren 0,03 Cent pro qm beitragsfähiger Fläche vorgesehen. Nun sind es 0,09 Cent. Dies sei leicht erklärbar, so der Bürgermeister. Seinerzeit waren lediglich Baukosten von rund 350.000 Euro vorgesehen, nunmehr seien es aufgrund der oben dargestellten Notwendigkeiten – Verschiebung Querallee, Gemeinschaftsmaßnahme Karl-Braun-Straße – und der Kostensteigerung von 25 Prozent über 1,2 Mio. Euro. „Da wurde damals nichts schön gerechnet, sondern die Gegebenheiten haben sich verändert“, so Thomas Groll.
Für die unterschiedliche Beitragshöhe in der Kernstadt und den Stadtteilen sind im Übrigen die doch stark abweichende anschlussfähige Fläche, die Baukosten und der prozentuale Anteil der Kommune, der sich am jeweiligen Verhältnis der Bundes-, Landes-, Kreis- und Anliegerstraßen orientiert, verantwortlich.
Karl Stehl (CDU) fragte nach, wann die „Baustraßen“ fertiggestellt würden. Der Bürgermeister kündigte ein entsprechendes Bauprogramm für 2020 an. Er verwies aber darauf, dass es bei zahlreichen dieser Straßen zu tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten bei Herstellung und Abrechnung kommen könnte.
In der Folge wird nun sowohl über das eingebrachte Bauprogramm 2019-2031, die Einstufung sogenannter „historischer Straßen“ (Straßen, für die bisher keine Beiträge gezahlt wurden und die 1961 die wesentlichen Merkmale einer Straße aufwiesen) und die Satzung für den Abrechnungszeitraum 2019-2022 für die Kernstadt abzustimmen sein. Zuvor werden die Vorlagen in den Fachausschüssen beraten.
Eine einzige Magistratsvorlage stand auf der Tagesordnung. Diese wurde ohne Aussprache einstimmig verabschiedet. Hierbei ging es um eine Gefahrenabwehrverordnung über die Sicherheit und Ordnung auf und an den Straßen in Neustadt. In der Begründung der Vorlage heißt es unter anderem: „Immer wieder kommt es zu Verhaltensweisen von Personen im Bereich von öffentlichen Straßen und Plätzen, an denen die Mehrheit der Einwohner Anstoß nimmt und die teilweise auch zu Gefährdungen von Personen, Tieren, der Verkehrssicherheit, der Umwelt und dem Sicherheitsgefühl der Einwohnerschaft führen. Die durch die Gefahrenabwehrverordnung künftig geregelten Sachverhalte waren bisher nicht geregelt und konnten daher nicht geahndet werde. Dies wird zukünftig anders sein.“ Es geht unter anderem um Verunreinigungen, wildes Müllablagern oder grob störendes Verhalten. Im Rahmen der Sicherheitsoffensive KOMPASS war der Kommune zu einer solchen Verordnung geraten worden. Die neue Satzung, die demnächst im „Mitteilungsblatt“ veröffentlicht wird, orientiert sich an der Gefahrenabwehrverordnung Marburgs. „Aus personellen Gründen werden wir nicht überall präsent sein können, aber nun haben wir eine Handhabe, um in vielen Fällen überhaupt Ordnungsgelder verhängen zu können“, erklärte der Bürgermeister.
Ab Herbst wird im Auftrag der Kommune wieder eine Sicherheitsfirma insbesondere den ruhenden Verkehr überwachen.
Da die Sitzungen der beiden Fachausschüsse aufgrund nur einer vorliegenden Magistratsvorlage bzw. fehlender Anträge der Fraktionen ausgefallen waren, gab Bürgermeister Thomas Groll der Stadtverordnetenversammlung einen ausführlichen Sachstandsbericht über aktuelle Vorhaben der Kommune. Der Bürgermeister verwies darauf, dass sämtliche Bauvorhaben der Kommune mit Mitteln von EU, Land, Land und/oder Landkreis gefördert werden. ..Nur durch unser aktives Fördermittelmanagement ist es uns möglich, Zukunft in diesem großen Rahmen zu gestalten“, so Thomas Groll. „Da wir hierbei auch an Fristen gebunden sind, müssen wir vieles gleichzeitig vorantreiben. Dies führt dazu, dass manche andere Sache verschoben werden muss oder die Umsetzung etwas länger dauert. Mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für ihren Einsatz und den Planungsbüros für das gute Miteinander“, so der Bürgermeister
Kultur- und Bürgerzentrum
Am 7. August 2019 fand im Rahmen einer stimmungsvollen Feier im Beisein von Hessens stellv. Ministerpräsident Tarek Al-Wazir und Landrätin Kirsten Fründt die Grundsteinlegung für den Neubau des Kultur- und Bürgerzentrums statt. Der Bürgermeister berichtete davon, dass ihm gegenüber die Veranstaltung vielfach gelobt worden sei.
Am 13. August 2019 erfolgte die Submission (öffentliche Ausschreibung) für die Gewerbe Heizung, Lüftung und Sanitär. Im Juni gab es keine Bieter für das Gewerk Sanitär und jeweils ein deutlich über der Kostenschätzung liegendes Angebot für die Gewerke Heizung und Lüftung. Mehrkosten von knapp 100.000 Euro standen im Raum. Auf Vorschlag des Bürgermeisters hatte sich der Magistrat daher dazu entschieden, die Ausschreibungen aufzuheben und neu auf den Weg zu bringen. Diese Entscheidung war, wie sich jetzt zeigte, richtig. Im August gab es genügend Bieter für alle drei Gewerke und die Kostenschätzungen wurden eingehalten. „Wir hatten Mut und Glück“, so Thomas Groll das Ergebnis zusammenfassend. Auch beim Gewerk Innenputz konnte der Kostenansatz unterschritten werden
Gegenwärtig liegt man im Hinblick auf die Baukosten insgesamt immer noch leicht unter der Erwartung der Planer. Weitere Gewerke befinden sich mittlerweile ebenfalls in der Ausschreibung. Ziel ist es, möglichst viele Gewerke frühzeitig auszuschreiben, um (überhaupt) Handwerksbetriebe zu finden und nach Möglichkeit günstige Preise zu erzielen. Der letzte „dicke Brocken“ Elektro dürfte in wenigen Wochen zur Ausschreibung gelangen. Hier zeichnen sich unter anderem wegen Brandschutzauflagen bereits Mehrkosten ab.
Für Ende Oktober wird das „Richtfest“ angestrebt. Nach dem Bauzeitenplan ist für August 2020 die Fertigstellung des Gebäudes vorgesehen.
Historisches Archiv
Beim Haus „Ritterstraße 19“, dem Historischen Archiv, sind Balken in der Giebelseite und Beckenbalken, die in die Giebelseite hineinragen, unterschiedlich schadhaft. Möglicherweise wurden hier bei der ersten Sanierung des Gebäudes vor etwa 30 Jahren Fehler gemacht. Eine bloße „Zwischenlösung“ mit Holzverschindelung des Giebels würde Kosten von rund 90.000 Euro mit sich bringen. Eine Komplettsanierung dürfte sich nach einer groben Kostenschätzung auf über 300.000 Euro belaufen. Da keine akute Gefahr vom Gebäude ausgeht, hat sich der Magistrat dafür entschieden, zunächst keine der beiden Varianten umzusetzen. Mittels einer Folie soll eine Sicherung des Status quo erreicht werden.
Aufgrund der hohen Summen spricht sich der Magistrat dafür aus, zunächst ein mittelfristiges Nutzungskonzept für das Gebäude zu erstellen. Nach der gegenwärtigen Einstellung des Stadtarchivs ist momentan der Kulturhistorische Verein der einzige Nutzer. Mit ihm wird das Gespräch über das weitere Vorgehen gesucht. (Wird in der nächsten Ausgabe fortgesetzt)