Von Brot, Wurst und Schuhschränken

Zahlreiche Speckswinkler nutzen erstes Gastspiel des mobilen Supermarktes Einweihung des neuen Platzes

So wird Einkaufen zum echten Erlebnis: Als gestern der mobile Supermarkt erstmals in Speckswinkel Halt machte, sorgten zahlreiche Bürger für gute Stimmung und unterhaltsame Wartezeit.

von Florian Lerchbacher

Speckswinkel. „Am besten, Sie gehen rückwärts raus“, sagt Holger Nachtwey zu Anni Naumann (81), einer seiner ersten Kundinnen in Speckswinkel. Der Hinweis kommt jedoch zu spät: Die Seniorin hat sich im mobilen Supermarkt bereits an den „Abstieg“ gemacht und klettert aus dem mit Waren vollgestopften, aber gut sortierten Kleinlastwagen heraus. Der gutgelaunte und extrem hilfsbereite Verkäufer hat ihr zuvor mit großer Sorgfalt beim Einkaufen geholfen und trägt ihr nun noch die Taschen zum Auto.

„Wir können froh sein, dass es so etwas gibt“, freut sich Naumann über den mobilen Supermarkt, der auf Initiative einer Arbeitsgruppe nach Speckswinkel gekommen ist, die sich an den Vorbereitungen auf „Unser Dorf hat Zukunft“ beteiligt -und mit ihrer Aktion dem Namen des Wettbewerbes alle Ehre macht, schließlich gibt es seit einigen Monaten in Neustadts kleinstem Stadtteil keine Einkaufsmöglichkeit mehr.

„Wir mussten dafür extra nach Neustadt fahren“, sagt Anni Naumanns Ehemann Heinrich und ergänzt: „Da wir beide noch Auto fahren, ging das – aber es gibt Mitbürger, die sind eben nicht mobil. Und für die ist das hier wichtig.“

Gretel Frind ist so ein Fall: „Ich war auf Hilfe angewiesen und musste immer Nachbarn oder meine Schwester bitten, wenn ich zum Einkaufen musste, Sie waren sehr hilfsbereit – aber ein Markt vor Ort ist natürlich toll.“ Ähnlich sieht das Katharina Reibert: „Ich bin allein auf weiter Flur und freue mich sehr, dass ich wieder in Speckswinkel einkaufen kann.“ Ebenso wie den anderen Kunden ist ihr der Preis der Waren egal: „Ich habe gar nicht darauf geachtet. Auch wenn es ein klein bisschen teurer sein mag, dann ist das nicht schlimm: Hauptsache, ich kriege, was ich brauche.“

Und das ist der Fall: Alles, was der Mensch für das alltägliche Leben benötigt, scheint Nachtwey in seinem Wagen zu haben. Und sollte mal etwas fehlen, dann könne er dies auch problemlos einen Tag später nachliefern, erklärt er – die Kunden könnten im Vorfeld auch eine Bestellung aufgeben, falls sie etwas außergewöhnlichere Wünsche haben und diese erfüllt bekommen möchten. „Ich habe auch schon einmal einer Kundin ein Schuhschränkchen mitgebracht und aufgebaut“, berichtet Nachtwey schmunzelnd.

Ohnehin ist gute Laune Trumpf: Aufgrund des begrenzten Platzes können maximal drei Kunden gleichzeitig einkaufen, der Andrang ist jedoch weitaus größer. Dass es daher zu Wartezeiten kam, störte nicht. „Das Wetter ist gut und es gibt nette Gesprächspartner. Ist doch alles bestens“, hebt eine Rentnerin hervor.

Die Einweihung des neuen Platzes in der Dorfmitte ist entsprechend gelungen. Dort, wo vor einiger Zeit noch ein altes, marodes Haus stand, ist offensichtlich ein kleiner Treffpunkt entstanden -und das vornehmlich dank Eigenleistung der Speckswinkler. Unterstützung gab es zwar vom Bauhof, doch zahlreiche Aufgaben wie das Abreißen des alten Gebäudes erledigten die Bürger. „Ich weiß gar nicht, wie viele Stunden Arbeit darin stecken“, gibt Ortsvorsteher Karl Stehl zu und betont: „Das sind eine Menge.“ Noch dazu stellten der Verkehrs- und Verschönerungsverein und andere Vereine des Dorfes für das Projekt insgesamt rund 7 500 Euro zur Verfügung.

Es ist zu erkennen, dass Bewegung ins Dorf kommt. Nicht nur im Hinblick auf „Unser Dorf hat Zukunft“ – aber auch: Weit mehr als 50 Bürger engagieren sich in Arbeitsgruppen in der Vorbereitung und haben zahlreiche Projekte ins Auge gefasst. Zum Beispiel möchten sie eine Art Mitfahrzentrale für Bürger einrichten, die nicht mehr mobil sind. Ein weiteres größeres Projekt ist die Gestaltung eines Dorf- und Naturpfades, der durch Speckswinkel und Umgebung führt und an Sehenswürdigkeiten vorbeigeht: vom Teich über den Windpark bis hin zu Hessenmännchen – also Fachwerk-Besonderheiten. „Wenn ich sehe, was für Ideen die Menschen haben, bin ich guter Hoffnung“, kommentiert Bürgermeister Thomas Groll und fügt hinzu: „Hier wird sehr viel Gehirnschmalz investiert.“

Ein sehr guter Ansatz war es, den mobilen Supermarkt nach Speckswinkel zu holen. Immer montags um 13 Uhr macht er auf dem neu gestalteten Platz am Friedhof Station. „Wichtig ist, dass das Projekt keine Eintagsfliege ist. Wenn so etwas angeboten wird, müssen wir es auch annehmen und ausgiebig nutzen“, appelliert Hans Henkel an seine Mitbürger.

Lediglich fünf bis sieben Kunden müssten bei ihm pro Stopp einkaufen, dann lohne sich sein Konzept, von Ort zu Ort zu fahren, gibt Nachtwey an und ergänzt, dass er bei einer solchen Frequenz auch zweimal die Woche nach Speckswinkel kommen könnte – und Kunden, die nicht zu ihm an den Friedhofsplatz kommen können, beliefert er sogar.