Wenn Betrunkene einen Alf wollen

Familie Meyer kommt seit 40 Jahren als Schausteller nach Neustadt – Kirmeseröffnung ins Festzelt verlegt

ln der sechsten Generation ist die Familie Meyer als Schausteller unterwegs. Seit 40 Jahren kommen die Frauen aus Limburg zur Trinitatis- Kirmes nach Neustadt – und haben entsprechend viel erlebt.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. Oben links auf dem Festplatz – das ist der Stammplatz der Losbude der Familie Meyer. Seit gestern ist sie ebenso wie zahlreiche andere Schausteller damit beschäftigt, sich auf den Beginn der Trinitatis- Kirmes vorzubereiten. Ein Fest, auf das sich die Meyers Jahr für Jahr freuen: „Es ist irgendwie familiär“, sagt Anita (62), die seit 40 Jahren nach Neustadt kommt (einst mit „Schiebeautomaten“) und viel mit dem Fest verbindet. Ihre Kinder Annabell und Brigitte standen schon als Babys im Schatten der Bäume des Festplatzes. Ein Neustädter Mädchen schickt ihr alljährlich Fotos, auf denen sie mit ihren an der Losbude gewonnenen Preisen posiert. Ein anderes will indes immer nur von Cousine Monika Kersten bedient werden. Und Tochter Brigitte (36) erinnert sich noch heute an eine Eule, die im Baum über dem Wohnwagen saß und lautstark auf sich aufmerksam machte. „Es sind die persönlichen Verbindungen, die das Fest besonders machen“, erklärt die Schaustellerin und freut sich über die Nachbarn, die sie jedes Jahr herzlich begrüßen und die Familie auch gerne mal beim Aufbau unterstützt – oder den Retter in der Not gibt: Vor rund 15 Jahren brachen Unbekannte in Anita Meyers Auto ein: „Sie hofften wohl, dort die Einnahmen zu finden – fanden aber nur zahlreiche Schecks und natürlich meine ganzen Papiere“, erinnert sie sich seufzend. Doch als sie noch verzweifelt an ihrer Bude gesessen und sich gefragt habe, was sie nun tun solle, seien schon Nachbarn mit den verloren geglaubten Dingen aufgetaucht: „Die Diebe hatten sie achtlos in Gärten geworfen – und die Nachbarn sammelten sie ein und brachten sie mir.“

Eben jene persönliche Verbindung zu den Neustädtern lässt sie auch schmunzelnd an Anekdoten zurückdenken, über die manch ein Mensch sich wahrscheinlich aufregen würde: Eines Nachts hätten gegen fünf Uhr mehrere Betrunkene an die Scheiben ihres Wohnwagens geklopft und einen Alf haben wollen – den Hauptgewinn an ihrer Losbude. Nochmal aufstehen wollte sie aber nicht – also lachte sie kurz, rief den Unbekannten zu, sie sollten am nächsten Tag wiederkommen, drehte sich um und schlief weiter.

An Bürgermeister Thomas Groll – der den Meyers für ihre Treue gestern zur Begrüßung einige Präsente überreichte – in seinen jungen Jahren kann sie sich indes nicht erinnern. Dabei ist der Rathauschef großer Fan von Dosenwerf- und Losbuden. „Vielen Besuchern des Festplatzes ist es wichtig, dass sie möglichst schnell gedreht werden. Für mich sind aber andere Angebote reizvoller“, betont er und gibt zu, diese Faszination auf seine Tochter Leonie übertragen zu haben – auf deren Bett sich nun auch schon rund 20 bei Festen gewonnene Tiere befinden. „Die muss man heimlich irgendwann verschwinden lassen“, lautet Anita Meyers Rat – der irgendwie auch nicht wirklich überrascht, schließlich lebt sie davon, dass ihre Preise Kinder faszinieren und einen Platz in ihrem Zimmer finden können.