Nikolaj Arndt gibt Tipps / Neustädter Straßenmaler-Festival beginnt diesen Freitag
Von Florian Lerchbacher
Neustadt.
Schon als Kind in Gavrilov Posad in Russland war das Malen eine Leidenschaft von Nikolaj Arndt. Dann zeigte ihm sein Vater, wie man räumlich zeichnet und legte den Grundstein für die Karriere seines Sohnes.
Inzwischen ist Nikolaj Arndt 50 Jahre alt und gilt als einer der weltbesten 3-D-Straßenmaler. Bei bis zu sieben Straßenmalerfestivals zeigt er alljährlich sein Können – unter anderem, oder besser gesagt „vor allem“, in Neustadt: seinem Heimatfestival.
Als „etwas Heiliges“ bezeichnete er die Veranstaltung vor einigen Jahren im Gespräch mit der Oberhessischen Presse und sagt auch heute noch: „Neustadt ist Neustadt – das ist einfach etwas anderes.“ Denn es ist fast 20 Jahre her, dass er gemeinsam mit seiner Frau Arina und ihrem ersten Sohn Andrej aus Russland nach Deutschland flohen und bei Mutter Nina Köhler ihre neue Heimat fanden.
Arndt ist seit dem ersten Festival in Neustadt mit dabei
Es dauerte nicht lange, da wurde Roswitha Trümpert auf Arndt aufmerksam, der an der Pädagogischen Künstlerakademie in Jurjew-Polski studiert hatte und Kunstlehrer wurde. Sie war gerade dabei, das Straßenmalerfestival aus der Taufe zu heben – das in diesem Jahr in die 16. Auflage geht.
Noch heute spricht sie von einem Glücksfall und freut sich, dass er trotz des folgenden Aufstiegs in der Straßenmaler-Szene Neustadt treu blieb (auch wenn er inzwischen in Marburg lebt, wo er gemeinsam mit seiner Frau die Musikschule Allegro betreibt und das Malen lehrt). Als „Mischung aus Gefühl und Mathematik“ beschreibt Arndt die Kunst der 3-D-Malerei. Ganz wichtig sei es für die Straßenmalerei, die Maße zu kennen, in denen man malen wird.
Er bitte Veranstalter immer, ihm ein Foto der entsprechenden Fläche zu schicken – aufgenommen aus Augenhöhe. „Die Straße ist überall gleich breit, aber sie wirkt vorne breiter und hinten viel schmaler“, sagt er, während er ein entsprechendes Foto zückt und ein zentrales Schlagwort nennt: den Fluchtpunkt, auf den die Orientierungslinien zulaufen.
Beim 3-D-Malen ist das „Mono-Sehen“ notwendig
Dieser befindet sich unterhalb des Bildes: Zum Fluchtpunkt hin müsse das Motiv kleiner werden, während es nach hinten hin größer und verzerrt wird. „Es ist ein Spiel mit Perspektive“, sagt er und rät, die Skizze in das Foto der Fläche hineinzumalen – das helfe stark bei der Orientierung. Und dann sei es ratsam, das Bild nur mit einem Auge zu betrachten – oder durch die Linse eines Fotoapparates, die dieses „Mono-Sehen“ imitiere. Natürlich sorgten zwei Augen dafür, dass man Objekte dreidimensional sieht: „Aber wir wollen ja ein 2-D-Bild als 3-D sehen. Das geht nur mit einem Auge.“Unerlässlich sei es, sich ein Raster in die Fläche zu malen, um den Überblick zu behalten – und auch wieder die Orientierung.
Es sei denn, man nutzt eine Virtual-Reality-Brille: „Mit ihr kann ich meine Skizze auf die Fläche projizieren und sie auf den Asphalt zeichnen. Das macht vieles einfacher“, sagt er und berichtet davon, wie ihn eine Zuschauerin während eines Festivals kritisiert habe. „Sie meinte, das sei für das Publikum nicht so spannend. Es geht aber für mich schneller: Und da wir immer wieder mit Regen zu kämpfen und manchmal nur kleine Zeitfenster haben, muss es dann einfach schneller gehen.“ In Neustadt, wo es fast schon Tradition ist, dass Regen die Künstlerinnen und Künstler behindert, wird er wahrscheinlich auch wieder auf die VR-Brille setzen – und wahrscheinlich von einem Freund begleitet werden, der gerne für die Zuschauenden als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Er selber ist eher wortkarg – steht aber auch dazu.
Er lässt seine Bilder sprechen
Dafür lässt er seine Bilder sprechen, die in seiner Heimat als bestes Geschenk gelten, das man jemandem machen kann. In Neustadt wird er den Menschen eine Wespe schenken, die neben einem Käfer fliegt, der aus dem Asphalt herausbricht. Und wer sich selbst mal an Straßenmalerei versuchen will, der kann dies beim 16. Festival in Neustadt tun. Dieses findet am Samstag, 30. August, von 10 bis 18 Uhr sowie am Sonntag, 31. August, von 9 bis 16 Uhr statt. Anmeldungen sind online unter www. strassenmaler-neustadt.de oder vor Ort möglich. Kreide gibt es für einen Euro als Starter-Set. Die Veranstaltung insgesamt beginnt am Freitag, 29. August, um 19 Uhr mit der Eröffnung von „Glänzende Aussichten“, einer Wanderausstellung von Misereor.