Windenergie: Neustadt geht neue Wege

Stadt kooperiert künftig mit Tochterunternehmen der Energiegenossenschaft Vogelsberg
Von Florian Lerchbacher

Neustadt.
„Erst mal ist es nur eine Hülle, die mit Leben gefüllt werden kann und auch soll – und die uns viele Möglichkeiten eröffnen wird“, sagt Bürgermeister Thomas Groll (CDU) über die geplante Gründung der „Energie Neustadt GmbH“. SPD-Fraktionsvorsitzender Hans-Gerhard Gatzweiler schwärmt gar von „etwas, das in den nächsten Jahren ganz wichtig wird oder zumindest werden könnte“, während FWG-Fraktionsvorsitzender Karsten Gehmlich die Magistratsvorlage als „wunderbar“ bezeichnet.
Diese Vorlage besagt, dass die gemeinsam mit einem Tochterunternehmen der Energiegenossenschaft Vogelsberg (der VOBEG Beteiligung GmbH) eine eigene GmbH mit dem Namen „Energie Neustadt“ gründet. Ziele sind unter anderem, eigene Energieprojekte zu planen und umzusetzen, Bürgerbeteiligung zu ermöglichen, die Flächennutzung für Anlagen der regenerativen Energiegewinnung im Sinne der Stadt und ihrer Bürger zu steuern, aber auch Gelder in die Stadtkasse zu spülen.

Kommunale Wärmeplanung wird bald ein zentrales Thema

„Vieles ist möglich – auch wenn noch nichts Konkretes feststeht, betont Groll. Die neue GmbH sei nicht an der Umsetzung bereits geplanter Anlagen beteiligt: „Aber es könnte beispielsweise sein, dass uns die Energiegenossenschaft Vogelsberg fragt, ob wir mitmachen wollen, wenn sie ein Windrad bauen will“, erläutert er. Der Rathauschef verweist auch darauf, dass bald die ersten Analyseergebnisse vorliegen und die Frage der kommunalen Wärmeplanung aufkommt. Er könne sich beispielsweise vorstellen, dass in Speckswinkel und Momberg ein genossenschaftliches Nahwärmeprojekt umsetzbar sei – in der Kernstadt aber eher nicht. Und da könnte dann beispielsweise die neue GmbH in einer möglichen Umsetzung einspringen. Wichtig sei jedenfalls, dass sich die Menschen Gedanken machen, ob sie prinzipiell Interesse an einer Wärmeversorgung über regenerative Energien, zum Beispiel aus Windrädern, haben und mitmachen würden. Allerdings bestehe da kein Zeitdruck: In Mengsberg habe sich schon gezeigt, dass von der ersten Idee bis zu einer Umsetzung einige Jahre vergehen.

„Es wird darauf ankommen, wie wir die Menschen begeistern. Wir brauchen von Anfang an Leute, die sich dem Ort verbunden fühlen und bereit sind, den neuen Weg mitzugehen“, sagt Groll. Und dann stelle sich die Frage, in welchem Quartier sich viele solcher Menschen finden ließen. Grob geschätzt würden Nahwärme-Projekte für das gesamte Stadtgebiet 80 bis 100 Millionen Euro kosten. „Ich weiß zwar jetzt nicht, wo man solche Summen hernehmen sollte. Aber man soll nicht nur Fragen, wo die Probleme sind, sondern auch, wo die Chancen liegen.“

Bürgerbeteiligung soll

leicht möglich werden

Gatzweiler erinnerte daran, dass er und seine Fraktion schon vor 15 Jahren bedauert hätten, dass sich bei Speckswinkel zahlreiche Windräder drehen – aber es keine Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger gebe, an den Erträgen beteiligt zu werden. Und auch der Versuch, eine eigene Genossenschaft zu gründen, um von weiteren Anlagen zu profitieren, sei gescheitert. Die vom Magistrat vorgeschlagene GmbH-Form ändere das nun und gebe der Stadt und ihren Menschen ganz neue Möglichkeiten.

Gleichzeitig beobachte er die deutschlandweite Entwicklung skeptisch und sehe es mit Bedauern, dass sich der Bau von Windrädern und Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen immer häufiger als nicht wirtschaftlich darstelle. Dabei steige der Energiebedarf – auch durch E-Autos und Wärmepumpen: „Das ist eine Bedrohung für die Energiewende.“

Er sei sich aber sicher, dass es sinnvoll ist, als Stadt zu 50 Prozent an der neuen GmbH beteiligt zu sein. Das werde Geld in die Kassen spülen – und auch Bürgerbeteiligung bereits mit geringen Beträgen ermöglichen. Doch zunächst muss die Stadt investieren: 12.500 Euro werden als Einlage in das Stammkapital fällig. Die Stadtverordneten stimmten dem Vorhaben einstimmig zu.