Das „Fossil“ brennt noch immer

Neustadts Bürgermeister Thomas Groll startet mit viel Elan in seine vierte Amtszeit
Von Nadine Weigel

Neustadt.
Dankbar und demütig sei er. Dass er mit 93 Prozent Stimmenanteil in seine nächste Amtszeit als Neustadts Bürgermeister gewählt wurde, sei für ihn keine Selbstverständlichkeit, sagte Thomas Groll am Montagabend im Stadtparlament.
Zuvor hatte er feierlich mit der Amtskette geschmückt und mit ernster Miene den Amtseid für seine vierte Amtszeit als Neustadts Stadtoberhaupt geschworen. Damit ist der erst 54-jährige Groll, der seit 34 Jahren in der Kommunalpolitik tätig ist, der dienstälteste Bürgermeister im Landkreis Marburg-Biedenkopf.

Wegen seiner jahrzehntelangen Erfahrung und bekannten Reserviertheit gegenüber allzu vielen technischen Neuerungen komme er sich manchmal wie ein „Fossil“, aber auch ein wenig „wie ein Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart“ vor, sagte Groll.

Trotz der beträchtlichen Jahre auf dem kommunalpolitischen Buckel brenne er noch immer für sein Amt und seine Stadt, betonte er. Dabei sparte Groll auch nicht an biblischen Bildern und zitierte unter anderem den alttestamentarischen Propheten Jeremia, der die Aussage geprägt hatte, „nach der Stadt Bestem zu streben“. Dies sei auch für ihn Verpflichtung. „Schließlich werde ich von der Kommune für meine Arbeit bezahlt“, so Groll.

Bürgermeister will sich nicht auf Erfolgen ausruhen

Getreu seinem Motto „dankbar rückwärts, mutig vorwärts“ blickte Groll in seiner 30-minütigen Rede auf Erfolge seiner Amtszeiten zurück, nannte dabei exemplarisch den Neubau der Kita „Regenbogen“, den Neubau des Kultur- und Bürgerzentrums, die Sanierung von Frei- und Hallenbad, den Neubau des „Hauses für alle“ in Mengsberg, die Umgestaltung des Bürgerparks, den Umbau des alten Kindergartens zum Multifunktionalen Haus in Momberg und die Sanierung des Waldstadions als Beispiele, die in Neustadt, in der Region und in Wiesbaden positiv zur Kenntnis genommen würden.

„Aber ruhen wir uns nicht auf den Erfolgen der letzten Jahre aus, sondern gehen Neues an“, betonte er und gab einen Ausblick auf Pläne der kommenden sechs Jahre. Diese würden nicht nur aufgrund der weltpolitischen Lage sicherlich herausfordernd werden. Vor allem die leeren Kassen bei Bund, Land und inzwischen auch den Kommunen seien ein Problem. „Kaum eine Stadt oder Gemeinde ist noch in der Lage, ihren Ergebnishaushalt auszugleichen. Auch wir können es 2025 nicht mehr“, sagte Groll und kritisierte fehlende Förderungen.

„Wir brauchen aus Wiesbaden kein verbales Mitgefühl, wir brauchen eine angemessene Förderung“, betonte er. Deshalb bewerbe sich Neustadt auch um ein Städtebauförderungsprogramm, mit dessen Hilfe Projekte wie Bahnhof und Leerstände in der Innenstadt vorangetrieben werden sollen.

Groll fordert mehr Unterstützung vom Land

Vorhaben wie Bau des Hochbehälters in Speckswinkel, Straßenbau in Momberg, Planung des weiteren Straßenbaus in Mengsberg, Umsetzung des „Grünen Kilometers“, Erwerb eines HLF 20 für die freiwillige Feuerwehr der Kernstadt und viele andere sollen umgesetzt werden.

Groll will weiterhin die interkommunale Zusammenarbeit fördern und die grundhafte Sanierung von Straßen ausbauen. Zudem stehen der Neubau von Kindergarten und Feuerwehrhaus in der Kernstadt sowie die schrittweise Verbesserung des Rad- und Fußverkehrs auf seiner Agenda für die kommenden Jahre. „Wir müssen das angehen, was tatsächlich gebraucht wird und was wir bezahlen können“, sagte Groll, der sich auch für die Sicherung der ärztlichen Versorgung in Neustadt einsetzen will.

Eine Herkulesaufgabe sei die Kommunale Wärmeplanung im Herbst 2025. Alleine für die Kernstadt seien Kosten von 60 Millionen Euro genannt worden. „Ich frage mich schon, wo dieses Geld herkommen soll – aus dem Stadtsäckel sicher nicht“, stellte Groll fest.

Hoffnung machen ihm indes die Windradpläne: „Wenn die Windräder bei ‚Trillrodt‘ und am ‚Dreiherrenstein‘ nun tatsächlich gebaut werden und es Gelder aus der EEG-Abgabe für mittelfristig geplante Anlagen bei Wasenberg und Willingshausen gäbe, dann tut dies unserem Stadtsäckel gut“, stellte er fest. Dank der erneuerbaren Energien seien namhafte Einnahmen zu erzielen, die zur Stabilisierung des Ergebnishaushalts dienten. „Wir brauchen vor Ort die berühmten Mitmacher, auf bloße Miesmacher können wir gut verzichten“, appellierte der Bürgermeister an das Parlament und erntete Applaus.