Neustadt kommt seit fünf Jahren in den Genuss von Mitteln aus „Soziale Stadt“
Neustadt. Ein bisschen pompös sollte es schon werden – doch dann kamen die steigenden Infektionszahlen, und am Ende stand Bürgermeister Thomas Groll ganz alleine auf der Baustelle des Kultur- und Bürgerzentrums. Seit fünf Jahren ist Neustadt im Förderprogramm „Soziale Stadt“, das inzwischen „Sozialer Zusammenhalt“ heißt, und hat vieles umgesetzt, das einst angesichts der mauen finanziellen Lage als unmöglich eingestuft werden musste. Allem voran der 6,6 Millionen Euro schwere Neubau des Kultur- und Bürgerzentrums. Das Leuchtturmprojekt schlechthin – entsprechend sollte dort auch die Festveranstaltung stattfinden (auch wenn der Neubau noch nicht fertig ist).
Doch das, so Groll, „kleine Jubiläum“ fiel der Corona-Pandemie zum Opfer – wie zuvor schon der „Tag der Städtebauförderung“, an dem die Stadt ihren Bürgern bereits mit einem Tag der offenen Tür einen Einblick in das vom Finanzaufwand größte Neustädter Bauprojekt hatte geben wollen. „Die Kommune muss hier auch als Vorbild gegenüber anderen fungieren“, begründet der Rathauschef die Absage – auch wenn dies sehr schade sei: „Wir werden das in besseren Zeiten nachholen.“ Und so werde sich auch das neue Bürger- und Kulturzentrum mit Leben füllen und seinem Namen alle Ehre machen.
Projekte mit einem Volumen von sieben Millionen Euro hat die Stadt seit der Aufnahme in das Förderprogramm auf den Weg gebracht – von denen sie nur um die 20 Prozent (rund 1,4 Millionen Euro) selber zahlen musste, wie Groll berichtet: „Das sind herausragende Zahlen und sie machen deutlich, wie wichtig ein aktives Fördermanagement der Kommune ist. Stand heute finanzieren wir das alles, ohne Kredite aufnehmen zu müssen.“
Doch Neustadt investiere, wie geplant, nicht nur in Bauprojekte, sondern auch in Menschen. „Du kannst den allerschönsten Platz der Welt planen, erstellen und bauen – aber man benötigt Menschen, um den Traum wahr werden zu lassen“, zitiert er im Gespräch mit dieser Zeitung den Trickfilmer Walt Disney – den Blick durch den fast fertigen aber in naher Zukunft zunächst kaum genutzten Saal des Kultur- und Bürgerzentrums schweifen lassend. Das Gebäude soll eines Tages das „soziale Herz“ der Stadt werden, denn unter anderem werden sich dort das Familienzentrum, der Bürgerverein „Wir für uns“, die kommunale Leitstelle „Älter werden in Neustadt“ und die Mediathek befinden. „Soziale Arbeit muss in die Mitte der Kommune“, sagt Groll und ergänzt, dass dies im zentral gelegenen Neubau der Fall sei.
Im Zuge der „Sozialen Stadt“ / des „Sozialen Zusammenhalts“ hat die Stadt ein Quartiersmanagement geschaffen, dessen „Managerin“ Svetlana Nerenberg sich um die Bewohner der sogenannten Quartiere (also der Gebiete, die das Förderprogramm umfasst) kümmert. Die Gründung des Waldkindergartens gehe beispielsweise auf das Miteinander engagierter Eltern mit der Quartiersmanagerin zurück, betont der Rathauschef. Auch die Gründung des Bürgervereins, der die Bürgerhilfe auf die Beine stellt und den Bürgerbus betreibt, sieht Groll als „flankierende Maßnahme“.
Außerdem wurden Machbarkeitsstudien für den Bürgerpark, zum Thema „Kunst und Kultur im öffentlichen Raum“ und für die Nutzung des Gebäudes „Marktstraße 3“ erstellt. Im Bürgerpark läuft bereits die Umgestaltung. Und auch für das leerstehende Haus gibt es Hoffnung: Der Kolpingverband Fulda erstellt derzeit eine Studie, um aus dem Gebäude eine Wohnanlage für Auszubildende und Studierende zu machen. „Hier gilt es zu schauen, inwieweit ein solches Konzept im ländlichen Raum umgesetzt werden kann“, so der Bürgermeister, der hervorhebt, dass die Machbarkeitsstudien nicht für die Schublade produziert worden seien. Auch* im Hinblick auf Kunst und Kultur habe die Stadt schließlich schon Akzente gesetzt.
In Neustadt gibt es des weiteren inzwischen einen „Verfügungsfonds“, aus dem kleinere Projekte mit bis zu 5 000 Euro gefördert werden. Ein Projekt, das sowohl das „Bauen“ als auch den sozialen Zusammenhalt fördert, ist die Neugestaltung der Spielplätze im „partizipatorischen Verfahren“, also unter Einbeziehen der Bürger. In der Aue, in der Leipziger Straße und in der Emil-Rössler-Straße war dieser Ansatz ein voller Erfolg: Zahlreiche Kinder wie auch Erwachsene brachten sich in die Projekte ein. Noch dazu hat die Stadt auch zum Aufwerten des Schulhofs in der Querallee beigetragen.
Grolls Zwischenbilanz nach fünf von zehn Jahren: Das Programm sei in Neustadt sehr erfolgreich. „Das Land Hessen hat uns 2015 mit der Aufnahme in das Städteförderungsprogramm eine große Chance eröffnet, die wir auch bis 2025 weiterhin nutzen müssen.“ Er könne verstehen, dass manch einer über die Vielzahl an Projekten stöhne, aber angesichts der Fördersummen heiße es weiterhin: „Wenn es Brei regnet, müssen die Löffel heraus.“ Die Stadt befinde sich mitten in einem 110-Meter-Hürdenlauf: „Wir sind gut gestartet, erste Hürden sind übersprungen – aber noch ist eine gute Strecke zurückzulegen.“
Einmal allerdings ist die Stadt während ihres Laufs falsch abgebogen, wie der Rathauschef meint: Ursprünglich sei er der Meinung gewesen, Neustadt solle sich nicht noch ein Denkmal ans Bein binden. Daher habe er den Kauf des Bahnhofs abgelehnt und den Verkauf an einen Investor befürwortet. „Aber da sich dort so gar nichts tut, muss ich zugeben, dass dies ein Fehler war. Wir hätten ihn kaufen sollen“, sagt er, kritisiert unter anderem mangelhafte Sauberkeit und berichtete, dass der Investor, der einst den Stadtverordneten große Pläne präsentiert hatte, auf seine letzte Beschwerde-Mail schon gar nicht mehr reagiert habe: „Das gefällt mir nicht.“
Für die Zukunft plant Groll, dennoch das Thema Bahnhof sowie die Belebung der Innenstadt anzugehen. Es sei auch die Frage, ob und wie ein Stadtmarketing aufgebaut werden solle, das sich rund um Öffentlichkeitsarbeit und Tagestourismus engagiert. Ein Ansatz, um die Bürger bei der Weiterentwicklung mitzunehmen, sei ein Podcast. Außerdem sollen sich die Bewohner der Stadt in der „Zukunftswerkstatt 2030“ einbringen – von der allerdings noch nicht klar ist, wie sie in Zeiten der Pandemie an die Menschen herangetragen werden kann.
„Erfolg hat nur, wer etwas dafür tut“, zitiert Groll auch noch den amerikanischen Erfinder Thomas Alva Edison. Der Bürgermeister ist jetzt schon damit beschäftigt, über das Jahr 2025 herauszuschauen: „Wir haben Ideen und verfügen über die Kraft, diese umzusetzen.“ Dies sei allerdings nur mit finanzieller Unterstützung möglich. Entsprechend hält er bereits Ausschau nach Anschlussprogrammen an „Sozialer Zusammenhalt“.