Neustadt-Treffen war bis auf sein Ende ein voller Erfolg
Dieses Ende hatte das 33. Neustadt-Treffen nicht verdient: Ein massives Gewitter beendete das Fest abrupt und sorgte dafür, dass die hessischen Neustädter einmal mehr putzen mussten.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Abgesehen von der für den frühen Abend vorgesehenen Siegerehrung fehlte eigentlich nur noch ein Programm-Punkt, dann wäre das 33. Neustadt-Treffen allen Besuchern in perfekter Erinnerung geblieben. Zwar machte sich der Seiltänzer nach dem Regen doch noch auf in luftige Höhen, um einen tollen Schlusspunkt zu setzen – doch nicht alle Neustädter konnten sein Engagement würdigen: Viele Hessen waren bereits dabei, Gullys von Unrat zu befreien oder die Straße zu kehren. Die feierliche Stimmung war dahin.
Bis Sonntag, 15 Uhr, hatten mehr als 20 000 Besucher jedoch ein tolles Fest erlebt. „Wir sind die lustigsten Neustädter und haben die schönste Stadt, aber hier in Hessen gefällt es uns auch gut“, sagte Karin Weiß aus Neustadt an der Spree (Ausrichter 2009) und sprach Neustadt / Hessen ein großes Kompliment aus: Das eigene Fest ist in der persönlichen Bewertung schließlich immer das Beste, mithin liegen die hiesigen Neustädter mit ihrer Feier ganz weit vorne in der ewigen Bestenliste.
„Die Festfläche war überschaubar – was auch gut so ist, denn man will sich ja mit anderen Neustädtern unterhalten“, betonte die Sächsin und gab ebenso wie Maria Dittrich und Heide Vock aus Neustadt an der Orla dem Ausrichter des Treffens 2012 den Tipp, das Gelände ebenfalls kleiner zu gestalten. „Die Begrüßung auf dem Platz mit Musik der Kapelle und der kleine Rahmen insgesamt haben uns besonders gut gefallen“, ergänzte Dittrich und lobte Neustadts Drittklässler, die alle Wappen der Gast-Städte während des Straßenmalerfestivals auf den Asphalt brachten.
Die Höhepunkte des Neustadt-Treffens waren vielfältig: Wer mit dem Helikopter-Service Ziegler aus Lauterbach eine Runde über dem Festgelände drehte, konnte sich zwar einen Überblick verschaffen -überall fanden sich jedoch noch versteckte Besonderheiten: das Biedermeiercafe* im Rathaus, die Modellbahnausstellung im historischen Rathaus für kleine und große Kinder, eine Rennbahn des Minicar-Teams, ein Lager geprägt von Rittern, Söldnern und aus heutiger Sicht eigenartig anmutenden Sprache und vieles mehr. „Der Turm ist einfach unglaublich. Wir kommen viel rum, aber das ist genial“, freute sich Targa, die Drachenbändigerin, von der Söldnergruppe Frank und Frey über das Ambiente der Altstadt.
Nicht minder beeindruckt zeigten sich verschiedene Festredner – sowohl von der Stadt als auch dem Hintergedanken der Neustadt-Vereinigung: „Man glaubt immer, Europa dreht sich nur ums Geld – dahinter verbirgt sich aber eine viel größere Idee und mit ihr eine große Chance“, sagte Finanzminister Dr. Thomas Schäfer.
Letztendlich hatten Neustädter aus 30 Städten in sechs Ländern die Reise nach Hessen angetreten und allein auf dem Hinweg fast 15 000 Kilometer zurückgelegt. Der Weg lohnte sich jedoch für alle. Das ließ sich allein schon am farbenfrohen Festzug feststellen, der sich am Samstag durch die Stadt schlängelte. Im Anschluss durfte jeder Bürgermeister (oder sein Vertreter) das jeweilige Neustadt vorstellen – was weitaus länger dauerte als gedacht, aber sich lohnte. So wissen die Gäste des Nachmittags nun zum Beispiel, dass Neustadt /Spree 402 Einwohner hat, von denen 10 Prozent in Hessen waren. Neustadt am Kulm ist derweil die kleinste Stadt Bayerns und der Neustadt-in-Europa-Vereinigung. Was jedoch das Besondere an Neustadt am Rennsteig ist, blieb ein Geheimnis: Die Besucher aus Thüringen brachen immer, wenn der Name ihrer Heimat fiel, in so lauten Jubel aus, dass kaum noch etwas zu hören war.
Neustadt / Hessen hat am Samstag übrigens einen Stadtteil verloren: Den Gästen aus Neustadt an der Donau gefiel es in Speckswinkel so gut, dass sie den kleinen Ort spontan und wohl auch scherzhaft gemeint eingemeindeten.
Ein weiterer Höhepunkt des Neustadt-Treffens war der ökumenische Gottesdienst am Sonntag im Festzelt mit Nuntius Erzbischof Dr. Jean-Claude Perisset. Der Abgesandte des Papstes sprach in dem außergewöhnlichen Gottesdienst über Solidarität, Nächstenliebe und Vergebung-Werte, die die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg gelebt hätten: „Wir müssen auf den Spuren unserer Ahnen weitermachen.“ Ein Wermutstropfen blieb jedoch: Als die Besucher des Gottesdienstes nach einem herrlich gesungenen „Hallelujah“ spontan in Applaus verfielen, mahnte er: „Man applaudiert nicht während der Liturgie.“
Letztendlich tat der Kommentar der Stimmung aber keinen Abbruch: „Der Gottesdienst war schön. Das ganze Neustadt-Treffen war schön“, erklärte Liesel Heidenreich und ergänzte: „Viel schöner als die Kirmes.“