Falsche Farbe bringt Stadt in Bredouille

Während kleinerer Sanierungsarbeiten zeigen sich am historischen Rathaus massivere Schäden

Eigentlich wollte die Stadt für 23 000 Euro nur „turnusgemäße“ Sanierungsarbeiten am historischen Rathaus ausführen. Schon jetzt sind die Kosten um 55000 Euro gestiegen – nach nur einer Wand.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. Alle Jahre wieder stehen an historischen Gebäuden Sanierungsarbeiten an. Das ist eben das Schicksal von Eigentümern solcher Schmuckstücke. Die Stadt Neustadt hatte 23 000 Euro im Haushalt für kleinere, „turnusgemäße“ Arbeiten eingeplant – ein Betrag, der nicht im Ansatz reichen wird, wie sich nun herausstellte.

„Eigentlich waren nur ein paar Gefache herausgefallen“, erklärt Peter Lippert, der stellvertretende Fachbereichsleiter Bauen der Stadt Neustadt. Als dann das Gerüst stand, sei aufgefallen, dass es verschiedene hohle Stellen gebe und – weitaus schlimmer – Farbe von Balken abblättert. Dahinter entdeckten die Bauarbeiter gefaultes Holz. Problem sei, dass die Farbe nicht „dampfdiffusionsoffen“ sei, betont Lippert und übersetzt seine Fachsprache: Die Farbe lasse die Feuchtigkeit nicht aus dem Holz heraus.

Das Historische Rathaus war Ende der 1980er-Jahre grundlegend saniert worden (Mitte der 90er wurde noch für einen mittelhohen sechsstelligen Betrag ein neuer Unterzug eingebaut). Die verwendete Farbe sei der damalige Standard gewesen, betont Lippert und ergänzt: „Heutzutage weiß man mehr und nimmt Ölfarbe. Wir müssen nun alles abstrahlen und neu streichen.“

Stadt hat erst eine von vier Wänden überprüft

Die Kosten sind entsprechend gestiegen. Statt der geplanten 23 000 Euro müssen die Neustädter nun bereits (geschätzte) 78 000 Euro investieren – und das, nachdem erst eine von vier Wänden untersucht wurde. „Ich gehe nicht davon aus, dass wir alle Balken austauschen müssen“, wirft Bürgermeister Thomas Groll ein und hofft, „dass das nun kein dynamischer Prozess wird“. Die Stadt plane jedenfalls, „so viel wie möglich“ der Sanierung noch in diesem Jahr umzusetzen.

„Wer historische Gebäude sein Eigen nennen darf, der muss auch für zukünftige Generationen bereit sein zu investieren“, kommentiert der Bürgermeister: „Natürlich erfreuen mich die Mehrkosten nicht – aber es gibt keine Alternative. Wir können eben nicht nur Geld in Neustadts Zukunft investieren, sondern müssen dies auch für unsere Vergangenheit tun. Wir stolz darauf, die „historische Stadt‘ im Marburger Land genannt zu werden. Dieses Erbe der Vergangenheit bindet aber Haushaltsmittel, die wir natürlich auch an anderer Stelle gut gebrauchen könnten.“

Und selbst der Fördertopf-König kann dafür keine Unterstützung finden, denn für den Erhalt alter Gebäude gebe es keine Zuschüsse, weiß Groll. Erfreulich sei immerhin, dass die Mehrausgaben gedeckt sind: Die Kommune erwartet eine weitere Zuweisung aus dem Landesausgleichsstock, die sie nur erhält, weil es in Neustadt eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge gibt.