Ankündigung der Landesregierung führt für Neustadts Stadtparlament zu einer kuriosen Situation
Neustadts Bürgermeister Thomas Groll (CDU) will heute trotz der jüngsten Ankündigungen der hessischen Landesregierung über eine Erhöhung der Kindergartengebühren abstimmen lassen.
von Michael Rinde
Neustadt. Die Ankündigung der hessischen Landesregierung, ab August 2018 die ersten sechs Stunden der Betreuung für Kinder zwischen drei und sechs Jahren zu übernehmen, kam überraschend. Wer sein Kind länger betreuen lassen will, zahlt das weiter aus eigener Tasche. Für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren ändert sich bei dieser Regelung nichts (die OP berichtete).
Scheinbar verkehrte Welt: In Neustadt soll das Stadtparlament heute Abend über eine Anhebung der Kindergartengebühren entscheiden. Beispielsweise ist geplant, die Gebühren in der in Neustadt geltenden Kernzeit (von 7.30 bis 13.30 Uhr) von 120 auf 127 Euro zu erhöhen. Andere Gebühren sollen entsprechend angepasst werden.
Im Haupt- und Finanzausschuss gab es bereits eine klare Mehrheit dafür. Das war allerdings am 23. August, also vor Bekanntwerden der Pläne der schwarz-grünen Landesregierung. Die OP fragte bei Bürgermeister Thomas Groll (CDU) nach, ob er angesichts dieser überraschenden Entwicklung an den Plänen für eine Gebührenerhöhung festhalten will. Groll plädiert dafür, die Erhöhung wie vorgesehen zum 1. Januar nächsten Jahres zu beschließen. Denn in Neustadt sind die Kosten der Kinderbetreuung kontinuierlich angestiegen. Höhere Personalausgaben durch das Kindergartenförderungsgesetz (kurz KiföG) und Lohnerhöhungen sind Gründe dafür. Rund 40 000 Euro Mehrausgaben erwartet die Stadtverwaltung im nächsten Jahr. Davon sollen nur rund 18 000 Euro durch die höheren Gebühren aufgefangen werden. Die fehlenden weiteren 22 000 Euro sollen aus Steuergeldern kommen, vor allem aus einer höheren Spielapparatesteuer, die die Kommune erhebt (die OP berichtete), wie Bürgermeister Groll erläutert.
Mehrausgaben bei der „U3″-Betreuung bleiben
Hinzu kommt aus Sicht des Kämmerers ein weiterer Umstand: Bei den Ausgaben für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren (U 3) will sich das Land nicht engagieren, aber auch dort schlagen die erwähn
ten Mehrausgaben zu Buche. „Die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen darf sich nicht noch weiter vergrößern“, meint Groll. Grundsätzlich begrüßt der Christdemokrat die Wiesbadener Pläne, allerdings fehlten ihm noch weitere Details.
Er sieht allerdings kritische Punkte und weiß sich dabei mit dem Rüsselsheimer Oberbürgermeister Patrick Burghardt einig. Burghardt ist Präsident des Hessischen Städtetages. So solle das Land den geplanten Betrag von 136 Euro pro Kind und Monat noch einmal prüfen und anheben. Zugleich müsse dieser Betrag dynamisch ansteigen. „Ansonsten, so fürchte ich, müssten die Kommunen Kostensteigerungen künftig allein tragen“, sagt Groll. Hier setze er auf die Kommunalfreundlichkeit der aktuellen Landesregierung. Bei der bisherigen Kostenfreiheit des dritten Kindergartenjahres (die nur für fünf Stunden Betreuung gilt) war das so. Laut Groll ist der Betrag von 100 Euro pro Kind und Monat während der vergangenen zehn Jahre unverändert geblieben.
Und noch einen Punkt spricht Groll für die Zukunft an: Wenn das Land mit Geld aus dem Kommunalen Finanzausgleich die Betreuungskosten für eine Kernzeit übernimmt, so dürfte das auch den Kreis als Sozialhilfeträger entlasten. Er müsste weitaus weniger Geld für Kinder bereitstellen, deren Eltern sich die Betreuung nicht leisten könnten. Und das wiederum, so Groll, sollte sich doch auch bei der Höhe der Kreisumlage positiv niederschlagen. Ein Anstoß des Neustädter Bürgermeisters in Richtung von Landrätin Kirsten Fründt (SPD) und der großen Koalition aus CDU und SPD auf Kreisebene.
Doch die Entscheidung liegt heute Abend allein bei den Neustädter Stadtverordneten. In den vergangenen zehn Jahren hatten sie alle Anhebungen der Kindergartengebühren einstimmig mitgetragen. Ob das so bleibt, zeigt sich in der Stadtparlamentssitzung.