Alte Schusterei wird Tagespflegeeinrichtung

Eva Hartmann und Martin Krapp nehmen sich der maroden Hofanlage an
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. Wo die Neustädter einst ihre Schuhe machen oder reparieren ließen, soll bald eine liebevolle Betreuung hilfsbedürftiger Menschen stattfinden: Eva Hartmann und Martin Krapp wollen sich der maroden Hofanlage in der Ringstraße annehmen und dort eine Tagespflegestätte für Senioren einrichten.

Erstmals stellten die beiden Neustädter ihr Projekt „TagWerk“ während des Tages der offenen Tür am neugebauten Kultur- und Bürgerzentrum vor – passenderweise, denn dort kümmert sich Hartmann um die kommunale Leitstelle „Älter werden in Neustadt“ und ist gleichzeitig als Koordinationskraft der Bürgerhilfe des Vereins „Wir für uns“ Ansprechpartnerin für die Menschen. Sie weiß also genau, was im Stadtgebiet benötigt wird und nutzt nun die Gelegenheit, gemeinsam mit Martin Krapp einen Traum umzusetzen.

„Ich wollte immer nochmal etwas anderes machen. Etwas, bei dem ich mit Menschen zu tun haben, und etwas, das den Menschen etwas gibt“, erklärt der Steuerfachwirt, der in Hartmann die perfekte Partnerin für ihr Millionenprojekt gefunden hat. Seine Nachbarin hatte nämlich einst nach ihrer Ausbildung zur Ergotherapeutin noch ihr Diplom gemacht und sich dabei in der Theorie mit einer Seniorentagespflege für Neustadt auseinandergesetzt.

Für die Arbeit habe sie dabei unter anderem eine Marktstudie gemacht und festgestellt, dass eine solche Einrichtung im Stadtgebiet fehle. „Mein Fazit im Jahr 2006 war, dass es einen großen Bedarf gibt. Ich traute mich aber nicht, so etwas auf die Beine zu stellen, denn damals fehlte mir ein Partner, der sich mit Zahlen auskennt“, erinnert sie sich – dabei lebte sie zu diesem Zeitpunkt sogar in einer Mietwohnung Krapps. Außerdem wollte Hartmann zunächst noch etwas Berufserfahrung sammeln und arbeitet daher 16 Jahre in Pflegeheimen – darunter 14 Jahre als Leiterin der sozialen Betreuung im Pflegezentrum Haus Rauschenberg.

Vor drei Jahren sprachen Martin Krapp und dessen Frau Nadine, die sich ebenso wie Hartmanns Ehemann Michael im Hintergrund in das Projekt einbringen wird, ihre Nachbarin auf die Idee einer Tagespflegeeinrichtung an. „Und das passte einfach“, erinnert sie sich. Tagespflegeeinrichtungen in der Umgebung hätten lange Wartelisten, die Nachfrage nach Plätzen sei also groß. So sei die Entscheidung gereift, ein solches Projekt in Neustadt umzusetzen.

Bis die alte Schusterwerkstatt – in Teilen Einzelkulturdenkmal – und die dazugehörige Scheune saniert und umgebaut sind, wird es allerdings noch bis Ende 2022 dauern, sagen Krapp und Hartmann. Doch sie werden sich schon früher der Tagespflege widmen, wie sie berichten: Menetatis werde in dem noch im Bau befindlichen Seniorenzentrum in der Marburger Straße die dazugehörigen 20 Tagespflegeplätze nicht selber betreiben. Entsprechend planen die beiden Neustädter, diese Aufgabe zu übernehmen und gegen Ende des Jahres die Tätigkeit aufzunehmen. Dort bieten sie dann erstmal eine Gruppe an. In ihrem eigenen Komplex soll es dann auf drei Etagen mit insgesamt 46 Plätzen ganz unterschiedliche Angebote geben – je nach Anforderung und Bedürftigkeit, wie Hartmann erläutert: Auf einer Etage werde es Angebote für Demenzkranke geben, auf der nächsten stehen Senioren, die Gesellschaft und Unterhaltung suchen, im Mittelpunkt. Und die dritte Etage soll der körperlichen Pflege nach beispielsweise Schlaganfall oder bei Parkinson-Erkrankung vorbehalten sein. Im Vordergrund der Tagespflege stehe die Entlastung der pflegenden Angehörigen, stellt Hartmann heraus.

Außerdem sei die Förderung der Eigenständigkeit ein zentraler Aspekt: „Wir möchten so dazu beitragen, dass die Menschen solange wie möglich in ihrem eigenen Zuhause bleiben können. Noch dazu wollen wir ihnen Gemeinschaft und soziale Kontakte bieten.“ Das seien entsprechend auch wichtige Punkte bei der Gestaltung der Tagesabläufe: Das TagWerk – das gemäß des Personalschlüssels 16 bis 20 Angestellte haben wird – soll von 8 bis 16 Uhr geöffnet sein, allerdings mit Puffern an den Randzeiten. Es wird einen eigenen Fahrdienst haben, um zudem die Angehörigen zu entlasten. Die Angebote werden vielfältig sein: vom gemeinsamen Kochen und der gemeinsamen Arbeit im großzügigen Garten über Bewegungs-, Sing- und Kreativrunden bis hin zu Handy- oder Tabletkursen oder Sturztrainings. Geplant sei beispielsweise auch eine Kooperation mit Kindertagesstätten, so Hartmann. Es gelte schließlich, auch außerhalb der Einrichtung am sozialen Leben teilzunehmen.

Dazu gehört auch, dass ins Obergeschoss der alten Schusterwerkstatt zwei barrierefreie Wohnungen kommen sollen, die 65 beziehungsweise 80 Quadratmeter groß sein und per Aufzug bequem erreichbar sein werden. Krapp verspricht, dass die marode Hofanlage Ende 2022 ein schönes Ensemble aus Alt und Neu sein wird.