Erste asylsuchende Familien bezogen gestern ihre Zimmer in der Erstaufnahmeeinrichtung in Neustadt
Tobias Hirsch
Elke Weppler, Leiterin der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen und auch für Neustadt verantwortlich, wirbt dafür, offen auf die Flüchtlinge zuzugehen, die ab jetzt zum Stadtbild gehören werden.
von Michael Rinde
Neustadt. Der erste Bus mit Flüchtlingen bog gestern Mittag gegen 13 Uhr auf das Gelände der früheren Ernst-Moritz- Arndt-Kaserne ein. Hinter der Pforte luden die Asylsuchenden ihr Gepäck aus, um sich in einem angrenzenden Gebäude registrieren zu lassen. Ihnen werden in den nächsten Jahren tausende weitere Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern folgen. Die ersten rund 100 Flüchtlinge werden in den nächsten Tagen beim Einwohnermeldeamt der Stadt Neustadt angemeldet. Ab August verfügt die Verwaltung über eine zusätzliche Mitarbeiterin dafür, die das Land bezahlt. Bis dahin werde man sich mit vorhandenen Kräften behelfen, sagt Neustadts Bürgermeister Thomas Groll.
Flüchtlinge werden ab jetzt mehr und mehr zum Neustädter Stadtbild gehören. Sie können die Einrichtung jederzeit verlassen, schließlich sind sie keine Gefangenen. Elke Weppler, Leiterin der Erstaufnahmeeinrichtung, weiß, dass es mit Sicherheit bei Neustädter Bürgern auch Ängste geben wird. „Das Fremde macht manchen Angst“, sagt sie. Doch nach ihren Erfahrungen erzeuge Offenheit und Freundlichkeit positive Reaktionen. Nach ihren Erfahrungen nähmen Asylsuchende durchaus wahr, ob sie willkommen seien oder nicht. „Wie immer im zwischenmenschlichen Bereich, können erste Begegnungen mit einfachen Bürgern‘ auch sehr positiv verlaufen. Nach meinen Erfahrungen finden negativ verlaufende Begegnungen nicht so häufig statt wie oft kommuniziert“, sagt sie.
Neustadts Bürgermeister wurde gestern vom Regierungspräsidium vorab informiert. Er berichtet gegenüber dieser Zeitung, dass es in den vergangenen Tagen schon einige Nachfragen von Bürgern gegeben habe, wann denn die ersten Flüchtlinge ankämen. Groll selbst betont erneut, dass die Stadt ein guter Gastgeber sein wolle, von den Bewohnern der Erstaufnahmeeinrichtung aber auch erwarte, dass sie sich an deutsches Recht hielten.
Genauso deutlich wird Groll bei einer weiteren Erwartung, die er formuliert. Er gehe davon aus, dass das, was zugesagt wurde, auch vom Nachfolger von Regierungspräsident Dr. Lars Witteck eingehalten werde. Konkret meint Groll die Zusage, dass nicht mehr als 800 Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung Neustadt untergebracht werden.
Mitte Juni wird sich Groll mit seinen Amtskollegen aus Büdingen wie auch Rothenburg/ Fulda treffen. Sie wollen überlegen, ob sich gemeinsame Positionen gegenüber dem Land in der Flüchtlingsfrage finden lassen. Und noch eine Erwartung formuliert der Neustädter Rathauschef. Er hoffe, dass es dank der aufwendigen Brandmeldeanlage in der Erstaufnahmeeinrichtung am Ende wirklich nur zu sehr wenigen Einsätzen für die Freiwillige Feuerwehr Neustadt käme.
Bereits in den vergangenen Tagen zeigte die Polizei Präsenz rund um die frühere Kaserne, die auch von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht wird. Die Polizei werde generell in Neustadt vermehrt vor Ort sein. „Dabei wollen wir auch gezielt das Gespräch mit Bürgern suchen, um Ängsten entgegenzuwirken, wo sie vorhanden sind“, sagt Heinz Frank. Er leitet die für Neustadt zuständige Polizeistation Stadtallendorf. Ein Augenmerk hat die Polizei dabei generell auch immer auf potenzielle Gegner der Erstaufnahmeeinrichtung (die OP berichtete). „Ich hoffe, dass alles ruhig bleibt und die Einschätzung von Polizeipräsident Manfred Schweizer zutrifft“, merkt Thomas Groll an.
Rund 11 Millionen Euro investiert das Land in die neue Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) Neustadt, in der bis zu 800 Flüchtlinge während ihrer ersten Wochen in Deutschland leben werden. Bis Herbst soll die Einrichtung komplett genutzt werden. Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge werden ab September dort dann auch Asylanträge annehmen und bearbeiten. Bis zu 150 Menschen werden in der EAE arbeiten.