Rainer Eppelmann blickte auf die Geschichte der DDR und den 9. November 1989, den Tag des Mauerfalls, zurück
Rainer Eppelmann berichtete den Neustädtern, wie es den Bürgern der DDR erging. Foto: Klaus Böttcher
Pfarrer Rainer Eppelmann, eine wichtigen Persönlichkeit der friedlichen Revolution in der DDR, machte die Gedenkveranstaltung „25 Jahre Deutsche Einheit“ zu einem besonderen Erlebnis.
von Klaus Böttcher
Neustadt. Gebannt lauschten die 90 Besucher der fast eineinhalbstündigen Rede von Rainer Eppelmann. Der ehemalige Pfarrer vermittelte, wie die DDR funktionierte oder funktionieren sollte und wie es den Bürgern dort erging.
„Damit man weiß, wo wir heute stehen, muss man in die Erinnerung gehen“, sagte er und widmete sich zunächst der Situation nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg. Deutschland wurde aufgeteilt, und aus der sowjetisch besetzten Zone wurde die Deutsche Demokratische Republik (DDR): „Die DDR sollte ein Schaufenster für sie werden“, betonte der ehemalige Bürgerrechtler und mein
te damit die Menschen im Westen. Die Jugend im Osten sollte zu vollendeten Sozialisten geformt werden. Die jungen Menschen wurden daher zu der Freien Deutschen Jugend und den jungen Pionieren gedrängt, die Kirche spielte keine Rolle mehr. Die Folge waren Ängste, und die Ersten gingen in den Westen – sie galten als DDR-Verräter.
Vier Millionen Bürger flohen
In Berliner Dialekt erzählte Eppelmann teilweise sehr emotional von den Einschränkungen der Bürger und von den entschädigungslosen Enteignungen der Landwirte oder Betriebsinhaber. Er ging auf markanten Eckpunkte der Geschichte der DDR ein. So den Juni 1953, als alle Werktätigen bei gleichem Lohn 10,3 Prozent mehr arbeiten sollten. Es kam zum Aufstand, der am 17. Juni mit russischen Panzern niedergewalzt wurde. Die Folgen waren 120 Tote und Tausende Verhaftete, die teilweise über 20 Jahre inhaftiert wurden.
Danach sprach Eppelmann über den 13. August 1961, den Tag des Mauerbaus. „Der antifaschistische Schutzwall sollte mich vor Ihnen schützen“, rief er den Neustädtern zu, um gleich darauf zu ergänzen: „Da wurden die DDR-Bürger Leibeigene.“ Er betonte, dass es eine gesellschaftliche Aufgabe sei, den jungen Menschen den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur zu vermitteln.
Der ehemalige Pfarrer erzählte von der Staatssicherheit und dem Wunsch vieler Bürger, in den Westen auszureisen. So schufen sich die Menschen einen Ersatz: „80 Prozent reisten jeden Abend in den Westen – außer Dresden und Rügen, da gab es keinen Empfang.“ Durch das Westfernsehen hätten sie alles gewusst und über die Menschen jenseits der Grenze gedacht: „Man, geht es denen aber gut.“
Aus der 17 Millionen Einwohner zählenden DDR seien bis 1989 vier Millionen Menschen geflohen. Alleine von 1953 bis 1961 flohen 2,2 Millionen Bürger in den Westen. Der entscheidende Meilenstein in der DDR- Geschichte war der Herbst 1989. Rainer Eppelmann erzählte von den Oktoberveranstaltungen in und um die Leipziger Nikolaikirche, wo es erst 10 000 und eine Woche später schon 70 000
Menschen waren, die friedlich aufbegehrten. „Dann kam die Selbstbefreiung der eingesperrten Leibeigenen“, sagte Eppelmann zum 9. November 1989, als Zehntausende an die Grenzübergänge kamen. “Sie haben aufgemacht, die Angst hatte die Seite gewechselt. Am Ende waren wir zahlungsunfähig und pleite“, stellte Eppelmann heraus.
IM BLICKPUNKT
15 Jahre Mitglied des Bundestags
Rainer Eppelmann war Pfarrer in der DDR. Er gehörte 1990 als Minister ohne Geschäftsbereich der Regierung Modrow an und war im gleichen Jahr Minister für Abrüstung und Verteidigung in der Regierung de Maiziere. Von 1990 bis 2005 gehörte er dem Deutschen Bundestag an. Seit 1998 ist er Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.