Losekam zollt seiner Heimat Respekt

69-Jähriger hat zum Dorfjubiläum die Geschichte des Zolls in Speckswinkel niedergeschrieben
Von Florian Lerchbacher
Speckswinkel. 120 Jahre lang war Speckswinkel – beziehungsweise damals „Spexwinckel“ – landgräfliche Zollstelle. Die von 1450 bis 1570 existierende, aber bereits 1431 als Ziegenhainer Zollstelle beziehungsweise „czol zu Spexwinckil“ gegründete Einrichtung war prägend, nicht umsonst heißt das Dorfgemeinschaftshaus des kleinsten Neustädter Stadtteils „Zollhof“. Die Bedeutung spiegelt sich entsprechend auch im Jubiläum „800 Jahre Speckswinkel“ wider, das in diesem Jahr groß gefeiert wird.

Und angesichts der Historie ist auch nicht weiter verwunderlich, dass aus dem Dorf ein echter Zollexperte stammt: 45 Jahre lang war Herbert Losekam an verschiedenen Orten für die deutsche Zollverwaltung tätig. Inzwischen ist der 69-Jährige zwar Zollbeamter außer Dienst, engagiert sich aber auch nach 36 Jahren weiterhin für die IHK als Dozent in der Erwachsenenbildung rund um das Thema Zoll, wurde dafür sogar schon mit dem „Certificate of Merit“ (der höchsten Auszeichnung der Weltzollorganisation in Brüssel) geehrt und bringt sich als Zollhistoriker ein.

Die Familie Zoller prägte die Zollstelle über Generationen

In der Vergangenheit hatte er sich im Jahr 1989 bereits dem Zollamt in Marburg und 2010 anlässlich des Hessentages dem Thema „Zoll in der hessischen Provinz“ gewidmet. Zum Dorfjubiläum hat sich der inzwischen in Neustadt lebende Speckswinkler aber den Besonderheiten seiner Heimat gewidmet und in liebevoller Kleinarbeit nach vielen Jahren intensiver Recherche das Buch „Zoll und Zoller von Speckswinkel“ geschrieben.

„Das Buch soll ein Beitrag zur Orts- und Landesgeschichte sein, in dem über den Zoll, die Zöllner und die Familie Zoller im Spätmittelalter und Anfang der Neuzeit berichtet wird“, erklärt der Verfasser – der stets das Nordic Walking nutzte, um seine Gedanken für das Buch zu strukturieren. „Man muss sich auch in die Lage der Zeit versetzen und ein Gefühl für das Mittelalter bekommen“, betont er und gerät ins Schwärmen: Davon, wie der Kaufmann Claus Zoller im 15. Jahrhundert aus Marburg nach Speckswinkel kam und die Zollstation übernahm – und insbesondere Anfang des Jahres nach der Frühjahrsmesse in Frankfurt, wenn die Händler nach Leipzig weiterzogen, das Geschäft für ihn lukrativ gewesen sei.

Der Grund ist simpel: Stets zum Ende der Saison holte sich der Landgraf zum Zollabschluss sein Geld. Im kommenden Jahr war die Kasse entsprechend leer. Bei Auszahlungen musste der Zöllner/Kaufmann Geld vorstrecken – und ließ sich selbiges dann mit hohen Zinsen vom Landgraf zurückzahlen. Aber auch Zollers Enkel Conrad Zöllner hat es Losekam angetan: Als erster Staatssekretär von Landgraf Philipp dem Großmütigen sei Zöllner bedeutendster Mann seiner Familie und berühmtester Sohn des Dorfes geworden.

Historische Ortskernführung während Festwoche im Juni

Im 15. und 16. Jahrhundert habe die Lage am Fernweg „Lange Hessen“ und die Zollstelle dem Dorf eine wirtschaftliche Blütezeit beschert, fasst Losekam zusammen und ergänzt, dass die Menschen durch die durchziehenden Fuhr- und Kaufleute auch gut in das damalige Nachrichtennetz eingebunden gewesen seien. Sein Buch hat er in vier Bereiche eingeteilt: Er widmet sich der Zollstelle, der Familie Zoller, ihrem Stammsitz „Zollerhof“ (der dort stand, wo heute der Dorfplatz ist) und den Zollstöcken und Zollfehden.

Am Donnerstag, 27. April, stellt Losekam sein Buch ab 19.30 Uhr im Zollhof Speckswinkel vor. Sein Werk ist dann für 15 Euro bei Ortsvorsteher Martin Naumann sowie im Neustadt-Laden zu haben. Doch damit nicht genug: Der 69-Jährige bietet während der Festwoche am Freitag, 9. Juni, ab 16 Uhr eine historische Ortskernführung an. Zuvor werden Infostände des Hauptzollamtes Gießen und des Deutschen Zollmuseums Hamburg aufgestellt. Zudem wird unter Mitwirkung der historisch gewandeten Festungsfreunde Ziegenhain ein rund 2,50 Meter hoher Zollstock (eine Säule, die auf die nächste Zollstelle hinweist) am Dorfplatz eingeweiht. Und im Nachgang stellen Menschen aus Speckswinkel noch eine Zollabfertigung nach, wie sie im Spätmittelalter vor Ort stattgefunden hatte.