„Sorgenkind“ kostet eine Million Euro

Sanierung des „Bayrischen Hofes“ soll in einem Jahr abgeschlossen sein
Neustadt. Die Beseitigung des „Schandflecks Bayrischer Hof“ steht kurz bevor. Am Montag rollen die Bagger an.
von Nadine Weigel
Es sieht aus wie nach einem Bombenangriff. Nichts im „Bayrischen Hof“ erinnert mehr daran, dass Helmut Kohl, Heinz Erhardt oder Uwe Seeler im einst „ersten Haus am Platz“ residierten.
Heute schlägt jedem eine riesige Staubwolke entgegen, der die kleine Steintreppe erklommen und die knarzende Eingangstür geöffnet hat. Denn die Sanierung des im 17. Jahrhundert erbauten Gebäudes läuft auf Hochtouren. Mit eigenen Händen räumen Vincenzo, Nicola und Giuseppe Lonetti den Bauschutt zusammen. „Es wird nur in Eigenleistung gehen. Wir packen alle mit an“, sagt Vincenzo Lonetti, der mit seinen zwei Brüdern Besitzer des „Bayrischen Hofes“ ist.
Er weiß, was er sich mit der Restaurierung des maroden Gebäudes vorgenommen hat. Sein Blick schweift über das kraterähnliche Loch, das im zukünftigen Speisesaal klafft. Der Lehm bröckelt von den Wänden, das morsche Gebälk liegt blank. In einem Jahr will die Familie, die in Kirchhain die Pizzeria „La Pergola“ betreibt, den „Bayrischen Hof“ saniert haben. Die Gesamtkosten des Projektes werden sich wohl auf rund eine Million Euro belaufen. 90000 Euro kommen davon aus städtischen Mitteln, 210 000 Euro bezuschusst das Land Hessen. Die Auszahlung erfolgt jeweils nach Baufortschritt.
„Ich bin sehr froh, dass die jahrelange Diskussion ein Ende hat“, sagt Neustadts Bürgermeister Thomas Groll. Er begrüßt, dass nun das „Sorgenkind Bayrischer Hof“ eine positive Zukunft hat. „Der Verfall des Gebäudes an diesem zentralen Platz zwischen Kirche und historischem Rathaus war nicht mehr mit anzusehen“, betont Groll.
Architekt Holger Winter will die Fassade des denkmalgeschützten Hauses im gleichen Stil gestalten: mit Holzschindeln. „Schließlich soll der Charakter des Hauses erhalten bleiben“, sagt der Betreiber eines Rosenthaler Architekturbüros.
Winzige Lehmpartikel setzen sich auf Haaren, Wimpern und Kleidern nieder, die Luft ist staubig. Der Boden ist aufgebrochen, Zwischenwände gibt es genauso wenig wie eine Decke zwischen Keller, erstem und zweiten Stockwerk. Nur die alte Theke mit Zapfhahn steht noch fast unversehrt, aber mit Staub und Spinnweben bedeckt im Flur. „Beim nächsten Neustadt-Treffen können wir schon hier drin feiern“, scherzt Groll hoffnungsvoll. Rund 90 Sitzplätze sollen im offen gestalteten Lokal im ersten Stock entstehen, im zweiten sollen zwei Wohnungen gebaut werden. Der hintere Teil wird von der Baufläche verkürzt. Wenn alles gut läuft, möchte Lonetti später dort eventuell noch eine Eisdiele anbauen.