Wenn die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen die Sanierung des Hauses der Begegnung nicht für sinnvoll hält, setzen die Neustädter nun eben auf einen Neubau – der ihnen eigentlich ohnehin lieber ist.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. „Ihr spinnt doch.“ So oder ähnlich seien die Reaktionen der Bürger ausgefallen, seitdem klar ist, dass die Neustädter beim Haus der Begegnung nun doch auf einen Neubau setzen. „Sie haben das nicht wörtlich gesagt, aber man hat es an der Mimik und Gestik gespürt“, berichtete der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans-Gerhard Gatzweiler von den vergangenen Tagen – in denen die Stadt eine komplette Kehrtwende machen und die sorgfältig ausgearbeiteten Pläne für die Sanierung des Gebäudes quasi in der Schublade verschwinden lassen musste (die OP berichtete).
Ein Mitarbeiter der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WI-Bank) war vor Ostern in die Stadt gekommen, hatte das Neustädter Sorgenkind unter die Lupe genommen und, so Gatzweiler, alles über den Haufen geschmissen. Feuchtigkeit im Keller, ein Flachdach, ein überdimensionierter Saal – nur einige Kritikpunkte, die der Finanzmann angeführt hatte. Dabei hatten sich die Neustädter ausgiebig auf den Termin vorbereitet und fast schon gefreut. Als ihren „Palmsonntag“ bezeichnete Bürgermeister Thomas Groll diesen Tag, an dem der WI-Bank-Vertreter eigentlich unter großem Jubel hätte einziehen sollen. „Die Ampeln standen eigentlich auf Grün – aber es kam ein wenig anders, als wir es geplant hatten“, erinnert sich der Rathauschef und ergänzte, dass der „Palmsonntag“ im Nu zum „Karfreitag“ wurde: „Er hat dem Gebäude die Sanierungswürdigkeit abgesprochen“, erinnerte Groll. Und auf einmal war das ganze Konzept für das 3,5 Millionen schwere Projekt dahin.
Dann jedoch telefonierte er mit dem Hessischen Umweltministerium und bekam die Info, dass der Abriss bei Neubau an gleicher Stelle doch förderfähig sei. Und dass die Stadt aus dem Programm „Soziale Stadt“ 75 Prozent an Förderung für den Bau erwarten kann – beziehungsweise, noch besser, gar 90 Prozent, wenn sie es ins Programm „Investitionspakt Soziale Integration im Quartier“ schafft. „Das Ministerium hat den Ball gespielt, und wir müssen ihn jetzt aufnehmen“, sagte Groll und ergänzte: „Unser Konzept passt gut, wir müssen nur noch ein bisschen an den Schrauben drehen. Wir wollen ein Bürgerhaus, das über das Jahr hinweg erfüllt ist mit Leben.“
Die Stadtverordneten jedenfalls folgten seiner Anregung, legten sich metaphorisch gesprochen den Ball auf den Elfmeterpunkt und schossen gezielt aufs Tor: Einstimmig votierten sie für die Anmeldung bei den beiden Förderprogrammen – und müssen nun hoffen, dass ihr Schuss nicht pariert wird. „Wir haben natürlich keine Garantie, dass wir in ein Förderprogramm aufgenommen werden. Aber die, die in uns in den Tagen der Dunkelheit und Traurigkeit Licht zeigten, sind auch die, die im Herbst Entscheidungen treffen“, zeigte sich Groll zuversichtlich.
Gatzweiler widmete sich der oftmals gestellten Frage, warum die Kommunalpolitiker bisher eigentlich nie einen Neubau – der rund fünf Millionen Euro kosten soll – in Erwägung gezogen hatten: „Vor drei Jahren haben wir uns noch Gedanken gemacht, ob wir sicherstellen können, dass wir das Gebäude noch offenhalten können. Zwischenzeitlich dachten wir sogar darüber nach, nur den Saal zu renovieren“, betonte der Sozialdemokrat und erinnerte an die einstmals schwierige finanzielle Lage der Stadt, die mit Defiziten zu kämpfen hatte. „Wenn es uns nun wirklich gelingt, Fördermittel für einen Neubau zu erhalten, dann hätte uns nichts Besseres passieren können. Dann könnten wir notfalls unseren Vereinen auch zumuten, zwei Jahre kein Fasching zu feiern beziehungsweise nach Ausweichmöglichkeiten zu suchen“, resümierte er und betonte: „Hoffentlich erwartet uns im Herbst nicht der nächste Karfreitag.“
Karsten Gehmlich (FWG) erinnerte an seine Haushaltsrede, in der er angeregt hatte, auch an das Unmögliche zu denken. „Ich hätte nicht gedacht, dass mich meine Worte so schnell einholen. Aber nun sind wir mehr oder weniger gezwungen, neu zu denken – was uns auch neue Chancen gibt.“ Es sei nun wichtig, den Bürgern zu vermitteln, dass es sich bei der Kehrtwende nicht um „Fake News“ handele, sondern um einen sinnvollen Schritt. Abschließend regte er an, eine kleine „Projektkonferenz“ zu gründen, um den schnellen Informationsfluss bei dem Thema beizubehalten.
„Der Neubau wird eine bessere Sache für Neustadt. Das muss erkennbar sein“, schloss sich Hans-Dieter Georgi (CDU) an und stellte ebenfalls heraus, dass eine „offensive Darstellung“ wichtig sei: „So steigt das Verständnis der Bürger für unser Vorgehen.“
Die Neustädter gehen nun davon aus, dass sie ihr neues Gebäude eingeschossig bauen. Ziel ist es, ein „Haus der Stadtgesellschaft“ zu schaffen: „Es soll für alle Einwohner der Stadt da sein und Nutzungsmöglichkeiten bieten“, erklärt Groll den Begriff.
Vorgesehen ist natürlich ein großer Saal mit Bühne, der in mindestens drei Abschnitte unterteilbar ist. Die Bücherei soll weiterhin umziehen – und auch das Familienzentrum soll in die neue Heimat folgen. Ebenfalls weiter Teil des Vorhabens sind eine von Hephata organisierte Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Behinderung sowie für ältere und jüngere Leute, ein Raum für die Gemeinwesenarbeit und das Quartiersmanagement, ausreichend Umkleidemöglichkeiten und Sanitär- sowie Versorgungsräume.
Zudem ist vorgesehen, der Martin-von-Tours-Schule die Räumlichkeiten, beispielsweise als Aula, zur Verfügung zu stellen.