Voraussichtlich ab Oktober soll es in Neustädter Erstaufnahmeeinrichtung ehrenamtliche Angebote geben.
Rund 800 Flüchtlinge sollen es am Ende sein, die in Neustadts Erstaufnahmeeinrichtung ihre ersten Wochen in Deutschland verbringen, aktuell sind es 723, Stand gestern.
von Michael Rinde
Neustadt. Es war ein besonderer Besuch gestern in der Erstaufnahmeeinrichtung in Neustadt. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier verzichtete dabei auf einen Rundgang. Zunächst führte Bouffier kurze Gespräche mit Neustadts Bürgermeister Thomas Groll und Landrätin Kirsten Fründt, danach stellte er sich rund 100 Bewohnern der Erstaufnahmeeinrichtung und beantwortete deren Fragen. Die Presse war da bei nicht zugelassen.
Der Ministerpräsident, begleitet vom Gießener Regierungspräsident Lars Witteck, gab sein Statement vor den Toren ab. Die Flüchtlinge, die überwiegend aus Ländern vom Westbalkan kommen, bewegte dabei laut Bouffier vor allem die zentrale Frage: „Alle möchten schnell wissen, wie es für sie weitergeht.“
Bouffier betonte gegenüber der OP den „dauernden Kontakt“, in dem die Landesregierung mit der Stadt Neustadt stünde, betonte die Herausforderung, die ein Bevölkerungszuwachs von rund 15 Prozent für eine Kleinstadt bedeute und sagte „Hilfe an verschiedenen Ecken“ gegenüber der Stadt zu. „Wir brauchen aber auch nicht über verschiedene Probleme hinwegzureden“, betonte der Ministerpräsident. Konkret sprach er dabei Vorkommnisse im Neustädter Freibad an (die OP berichtete). Bouffier hatte vorher die Zeltunterkunft in Marburg besucht (lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag auf der Seite 3).
In Neustadt sollen am Ende maximal rund 800 Flüchtlinge untergebracht werden, dies hatte das Regierungspräsidium immer wieder betont, zuletzt vor zwei Wochen gegenüber der OP. In Neustadt gibt es theoretisch Aufnahmemöglichkeiten für rund 1 000 Menschen, wobei dazu weitere Unterkunftsgebäude hergerichtet werden müssten. Ein Unterkunftsgebäude befindet sich derzeit noch im Umbau.
Witteck machte gestern auf Nachfrage noch einmal klar, dass „wir alles daransetzen, dass es auch dabei bleibt“. 80 mögliche Standorte für die Unterbringung von neu ankommen- den Flüchtlingen werden derzeit landesweit geprüft.
Kinderbetreuung bleibt weiterhin im Aufbau
An manchem fehlt es noch in der Neustädter Erstaufnahmeeinrichtung: So soll die Kinderbetreuung erst ab dem Herbst zur Verfügung stehen, wie eine Sprecherin des Regierungspräsidiums erläuterte. Fakt ist aber inzwischen, dass voraussichtlich ab Oktober das Diakonische Werk Oberhessen die ehrenamtliche Begleitung der Flüchtlinge in der Neustädter Erstaufnahmeeinrichtung koordinieren wird. Im Oktober soll es eine Informationsveranstaltung dazu geben. Auch wenn seit der Eröffnung der Erstaufnahmeeinrichtung im Mai mittlerweile einige Monate vergangen sind, sieht Groll nach wie vor Interesse von Neustädter Bürgern an ehrenamtlicher Unterstützung von Flüchtlingen. Es seien fast überwiegend Einzelpersonen, die sich einbringen wollten, sagt Groll.
Eigentlich sollen Asylanträge ab September auch direkt in der Neustädter Erstaufnahmeeinrichtung entgegengenommen und bearbeitet werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge richtet in Neustadt eine Außenstelle ein. Zuletzt hatte die Behörde den September als Eröffnungstermin genannt, eine Nachfrage der OP blieb gestern zunächst unbeantwortet.
Das Regierungspräsidium hatte sehr deutlich um Unterstützung von niedergelassenen Ärzten für seine verschiedenen Flüchtlings-Einrichtungen geworben, auch für Neustadt. „Wir haben insgesamt rund 100 Interessensbekundungen erhalten und werden jetzt ein Gesamtkonzept entwerfen“, sagt dazu Gabriele Fischer, Sprecherin des Regierungspräsidiums Gießen auf Anfrage. Ob es auch konkrete Rückmeldungen für Neustadt gegeben habe, könne sie derzeit nicht sagen. Neustadts Bürgermeister fühlte sich gestern seitens des Ministerpräsidenten ernstgenommen mit seinen Fragen und Anliegen. „Er hat sehr wohl erfasst, was die Erstaufnahmeeinrichtung für Neustadt bedeutet“, kommentierte Groll den Bouffierbesuch. Er machte im Nachhinein noch einmal deutlich, dass er eine Aufnahme von mehr als 800 Flüchtlingen in Neustadt auf keinen Fall für vertretbar hält. „Auch ich bin wie der Ministerpräsident und der Regierungspräsident dagegen, Menschen im Winter in Zelten unterzubringen“, stellte er klar.
Doch sei „Hessen nicht bei Butzbach zu Ende“. Es müsse in den mehr als 400 hessischen Kommunen doch möglich sein, eine ausreichende Zahl von Unterkünften zu finden, um Flüchtlinge nicht in Zelten unterbringen zu müssen.