Den Bürgern ist's nachts viel zu dunkel

Die Stadt Neustadt schaltet von 1 Uhr bis 4.15 Uhr das Licht aus Testphase kommt nicht gut an
„Die Meinungen, die uns vorliegen, halten sich die Waage“, kommentiert Bürgermeister Thomas Groll die Resonanz auf einen Sparversuch der Stadt. Eine OP-Umfrage zeigte ein anderes Bild.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. „Nachts ist es so finster, dass man mitunter nicht einmal das Haus auf der anderen Straßenseite sieht“, sagt Helmut Hoch – der mitten in der Innenstadt von Neustadt wohnt. „Es ist nicht dunkel sondern schwarz. Das ist erschreckend“, kommentiert er und ergänzt: „Bei aller Sparsamkeit: Wenn die Sicherheit gefährdet ist, wird es unverantwortlich.“
Zwei Punkte spricht er damit an: Zum einen könne der Bürger nachts keine Hindernisse mehr erkennen. Zum anderen glaubt er, dass Dieben Tür und Tor geöffnet würden: „Geklaut wird natürlich auch nachts, aber so wird Kriminalität gefördert.“
Damit steht er nicht alleine. Auch Bert Schwalbach beklagt ein Gefühl der Unsicherheit: Im Schutz der Dunkelheit hätten sich bereits Unbekannte nachts in seinem Garten herumgetrieben, zudem seien Kleinlastwagen langsam durch die düsteren Straßen gefahren – womit er auf potenzielle Diebe anspielt, die ein Zielobjekt für Einbrüche suchten.
Eine 28-Jährige, die in Neustadt arbeitet, betont: „Ich hätte Angst, wenn ich nachts durch’s Stockdunkele laufen müsste.“
Eine 27-Jährige hat zwar persönlich noch nichts von dem nächtlichen Sparversuchen der Stadt mitbekommen, weil sie um diese Uhrzeit schlafe, wohl aber glaubt auch sie, dass die Risiken überwiegen.
„Besonders Frauen haben Angst, nachts noch auf die Straße zu müssen“, sagt eine 42-Jährige, deren Mitleid allen Schichtarbeitern gilt, die zwischen 1 und 4.15 Uhr nach Hause kommen oder zur Arbeit gehen, oder – wie Zeitungsausträger, arbeiten und sich ihren Weg entweder ertasten oder mit einer Taschenlampe ausleuchten müssten.
„Ich kenne keinen Momberger, der den Versuch gut findet“, sagt Jörg Sack und ergänzt: „Es formt sich Protest.“ Feiern an der Grillhütte seien ein Problem, „weil man von außerhalb einfach nicht mehr zurückfindet.“ Das spärliche Licht einer Taschenlampe könne die Straßenbeleuchtung nicht ersetzen. Zudem seien „nicht alle Straßen und Bürgersteige in Momberg in einem Top-Zu-stand“, somit sei es nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Knochenbrüche folgen. Des Weiteren fragte er in Richtung Bürgermeister: „Würden Sie Ihre 18-jährige Tochter allein von einer Fete im Stockdunkeln durch Neustadts Hinter-Straßen ziehen lassen? Licht schreckt auch vor Straftaten ab.“
Und auch in den anderen Ortsteilen ist die Begeisterung über den Versuch gering, das bestätigen Speckswinkels Ortsvorsteher Karl Stehl und sein Mengsberger Kollege Karlheinz Kurz, der von zahlreichen älteren Frauen berichtet, die um 3.45 Uhr zur Frühschicht müssen und mit der Dunkelheit zu kämpfen haben.
Lediglich die Familie Bierwirth äußerte sich in der OP-Umfrage positiv. Die Neustädter stellten heraus, dass es gut für die Umwelt sei und Energiekosten gespart werden, wenn nachts das Licht aus bleibt.
18 000 Euro könnte die Stadt jährlich sparen. Auf Beschluss der Stadtverordneten initiierte sie den Testlauf, der vom 1. Oktober bis zum 12. November dauert. Ursprünglich sollte das Licht von 1 bis 4.30 Uhr ausbleiben, nach Protesten von Schichtarbeitern wurde die Phase bis 4.15 Uhr verkürzt. Bürgermeister Thomas Groll verteidigt den Versuch. Das Abschalten des Lichts sei kein Spezifikum Neustadts: „In Wiera und Trutzhain ist nachts das Licht auch aus -und da ist die Kriminalitätsrate auch nicht gestiegen.“ Rund 20 Äußerungen von Bürgern lägen der Stadt vor, diese Meinungen hielten sich die Waage, berichtet er.
Der Versuch läuft weiter. „Im Frühjahr werden wir die Ergebnisse betrachten und auswerten“, ergänzt er und äußert sich zu dem Kompromissvorschlag, nur jede zweite Straßenlampe abzuschalten: Dies sei technisch „nicht so einfach“ und aufgrund der Schaltung wohl auch nicht möglich.
Insgesamt sei er bereit, mit den Bürgern über Vorschläge zu Einsparungen zu diskutieren: Sack hatte zum Beispiel vorgeschlagen, die Förderung der Kirmes einzustellen oder kein Geld mehr in den Erhalt des Backhauses Momberg zu stecken.