Von anonymem Ärger und „polnischen Festspielen"

Stadt Neustadt verkürzt die nächtliche Phase der Dunkelheit
So schlecht gelaunt wie . am Montagabend in der Stadtverordnetenversammlung erlebt man Bürgermeister Thomas Groll nur selten.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Griesgrämig betrat Thomas Groll den Sitzungssaal des historischen Rathauses. Zu gleich zwei Themen fand er in der anschließenden Stadtverordnetenversammlung dann auch deutliche Worte: der nächtlichen Lichtabschaltung und dem Sperrmüll.
Die Laune verhagelt hatten ihm Kommentare auf der Homepage der Oberhessischen Presse zu einer Umfrage: Bürger hatten gegenüber dieser Zeitung vornehmlich ihren Unmut darüber geäußert, dass die Stadt derzeit als Testlauf nachts von 1 Uhr bis 4.15 Uhr die Straßenbeleuchtung ausschaltet. Nach Erscheinen des Artikels haben mehrere Bürger unter www.op-marburg.de Kritik geäußert und dem Bürgermeister sogar gedroht, ihn nicht wiederzuwählen. „Ich bin jederzeit bereit, sachlich zu diskutieren“, sagte Groll und ärgerte sich über die anonymen Meinungsäußerungen: Die Neustädter sollten sich gegenüber der Stadt äußern und für ihre Ansichten und Begründungen einstehen – nur das sei konstruktives Feedback, aus dem beide Seiten ihren Nutzen ziehen können.
Noch dazu monierte er, dass die Bürger ihm den schwarzen Peter in die Schuhe schieben wollten, dabei sei die Testphase eine Magistratsentscheidung gewesen, von der auch die Stadtverordneten wussten. Hintergrund der Entscheidung seien neben den möglichen Einsparungen – die so auch im Haushaltskonsolidierungskonzept festgehalten worden seien – auch das gemeinsam mit Amöneburg unterzeichnete Klimaschutzkonzept gewesen. Inzwischen haben sich auch User gefunden, die der Stadt zur Seite sprangen und sich positiv über das Abschalten des Lichts äußerten.
„Die Idee für den Versuch ist nicht auf Neustädter Mist gewachsen“, betonte Groll, zählte zahlreiche Städte auf, in denen es nachts zeitweise dunkel ist und hob hervor, dass entgegen aller Befürchtungen die Kriminalität in der Testphase im Vergleich zum Vorjahr gesunken sei. Vor allem aber ärgerte er sich über einige Vorschläge zu Einsparungen – nicht dass sie geäußert wurden, sondern wie: Eine Bürgerin, vermutlich aus einem Stadtteil, schrieb: „Streicht doch Euer Neustadttreffen.“ Dazu sagte Groll, es sei das Treffen aller Neustädter, nicht das der Kernstädter. Gleiches gelte für die Kirmes, die alle Bürger erfreuen sollte. Besonders erzürnte ihn jedoch die Androhung einer anderen Bürgerin, die schrieb, sie werde die Kabel der „unnützen“ Weihnachtsbeleuchtung kappen, sollte diese brennen.
„Wir müssen die Emotionen rausnehmen und sachlich über Hinweise und Vor- und Nachteile diskutieren“, fasste der Bürgermeister zusammen, der gemeinsam mit dem Magistrat bereits Anpassungen initiiert hat: Ab morgen wird das Licht zwischen Sonntag und Freitag nur noch von 1 Uhr bis 4 Uhr ausgeschaltet, am Wochenende von 2 bis 4 Uhr. Die Testphase läuft noch bis zum 12. November.
Die jährliche Einsparmöglichkeit ist hochgerechnet nach der ersten Verkürzung von 18 000 auf etwas über 16 000 Euro gesunken. Darauf wies Michael Dippel (CDU) hin: „Wenn die nächtliche Phase jetzt noch kürzer ist, können wir das Geld auch anders einsparen – bei etwas, von dem nicht so viele Menschen betroffen seien. Was er konkret damit ansprach, erklärte er aber nicht. H Das zweite Thema, bei dem Groll sich in Rage redete, war der Müll: Zunächst brachte er eine Neufassung der Abfallsatzung ein {ausführlicher Bericht folgt). Dann kritisierte er eine Entscheidung der Stadtverordneten, die sich Ende des vergangenen Jahres dafür ausgesprochen hatten, einmal Sperrmüll in ganz Neustadt ohne Beantragung abzuholen: 91 000 Euro fielen so an, die auf die Bürger umgelegt würden.
Zudem habe es dadurch zwei Wochen lang „polnische Festspiele“ in Neustadt gegeben – sprich Menschen aus Ländern des Ostblocks hätten zuhauf den Sperrmüll durchforstet. „Denken Sie darüber nach, ob sich nicht doch die Abholung per Karte schon ab dem ersten Mal einführen“, sagte er in Richtung der Stadtverordneten.