Hoher Krankenstand, Ferien, Neuzuschneidung der Bezirke: Verzögerte Zustellungen haben einige Gründe
Ein Steuerbüro verpasste Fristen, weil tagelang keine Post kam. Die Stadt Neustadt stellte Wahlpost persönlich zu, um sicher zu gehen. In den vergangenen Tagen häuften sich im Ostkreis die Beschwerden.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Fünf Tage lang schauten Thomas Dingel und die Angestellten seiner Mengsberger Steuerberatungskanzlei erwartungsfroh in den Briefkasten. Fünfmal stellten sie ernüchtert fest: Wieder keine Post gekommen. Dabei erwarteten sie wichtige Briefe. Steuerberatungskanzleien sind schließlich an Fristen gebunden – werden diese nicht eingehalten, gibt es Geldbußen. Also Strafen, die Dingel unbedingt umgehen wollte. Daher sind seine Mandanten angehalten, ihre Zuschriften so an die Post zu übergeben, dass die Steuerberater sie nach Erhalt noch fristgerecht bearbeiten können.
Problematisch wird es dann, wenn die Post ihre in der Universaldienstleistungsverordnung festgelegten Qualitätsmerkmale nicht einhält: Darin steht, dass Zustellungen zu 80 Prozent am nächsten Werktag beziehungsweise zu 95 Prozent am übernächsten Werktag erfolgen müssen – was das Unternehmen in Mengsberg nicht einmal ansatzweise schaffte. Justament am Tag, als die Fristen endeten, traf um 13.15 Uhr eine riesige Kiste voller Briefe beim Steuerberater ein: „Eine fristgerechte Bearbeitung war nie und nimmer möglich“, kommentiert Dingel und betont, dass er und seine Angestellten sich den Frust der Mandanten ob der Geldbußen anhören mussten, „obwohl uns keine Schuld trifft“.
Vor allem nicht, da seine Mitarbeiter versucht hatten, telefonisch Kontakt zur Post aufzunehmen – aber nicht fündig geworden seien. Entweder, sie hätten Ansprechpartner am Rohr gehabt, die ihrer Aussage nach nicht zuständig seien, oder die gewählten Nummern seien veraltet gewesen, oder sie seien auf Kontaktformulare im Internet verwiesen worden. Das Ende vom Lied: kompletter Frust.
Ein Problem, auf das auch die Stadt Neustadt stieß, nachdem sich Bürger beschwert hatten, dass sie eine Woche lang keine Post bekommen hätten. „Man kriegt niemanden an die Strippe“, moniert Bürgermeister Thomas Groll, der sich der Sache sogar selber annahm. Im Rathaus gibt es nämlich eine große Sorge: Da am 28. Oktober Landtagsund Bürgermeisterwahlen sind, werden natürlich derzeit Briefwahlunterlagen hin- und hergeschickt.
Oder würden sie zumindest, denn die Stadt geht inzwischen auf Nummer sicher, überbringt die Unterlagen persönlich und rät den Bürgern auch, sie ihrerseits persönlich im Rathaus wieder abzuliefern. „Noch ist ja ein bisschen Zeit – aber in der kommenden Woche sieht das ganz anders aus. Wir haben jedenfalls schon mal den Landes- und den Kreiswahlleiter eingeschaltet“, so Groll – der auch in seiner Funktion als Kandidat ein Problem mit der Post hat: Er wollte, dass das Unternehmen Wahlwerbung verteilt. In der Regel erfolge die Zustellung nach vier Tagen, habe er als Auskunft bekommen. Nach 14 Tagen seien aber noch lange nicht alle Bürger beliefert worden: „Manche Straßenzüge warten immer noch, andere wurden dafür doppelt beliefert. Was macht denn das für einen Eindruck?“
Doch damit immer noch nicht genug: Ein Stadtallendorfer aus dem Hangweg nahm ebenfalls Kontakt zu dieser Zeitung auf – nachdem er und seine Nachbarn eine Woche lang keine Post bekommen hatten. Er äußerte ebenso wie Steuerberater Dingel die Vermutung, dass die Service-Probleme mit einer zentralen Veränderung in Verbindung stehen: Am 15. November schließt die Post ihre Filiale in Stadtallendorf, während im Supermarkt Rewe zeitgleich eine sogenannte Partnerfiliale öffnet.
„Nein, damit hat es nichts zu tun“, versichert Alexander Böhm, Pressesprecher der Post in Frankfurt. Bis zum 15. November seien noch Postbank- Mitarbeiter zuständig, danach würden „geschulte Rewe-Mitarbeiter“ übernehmen – doch der Wechsel stehe in keiner Verbindung zu der Zustellung. „Da hatten wir Probleme“, gibt er unumwunden zu und nennt drei Gründe: erhöhter Krankenstand, Herbstferien und eine Neuzuschneidung der Bezirke. „Wir konnten nicht alle Löcher stopfen. Dafür können wir uns nur in aller Form entschuldigen.“ Der Postsprecher bedauert, dass sein Unternehmen derzeit seinen Verpflichtungen nicht nachkommen könne, kündigt aber an, dass sich die Lage wieder bessern werde. In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass die Post deutschlandweit durchschnittlich 94 Prozent aller Briefe schon am ersten Tag zustelle und somit eigentlich deutlich über den gestellten Anforderungen liege: „Und das egal ob auf Hallig Hoge oder der Zugspitze.“
Auch dass durch die Verpassten Fristen beim Steuerbüro Geldbußen fällig werden, bedauert er, betont aber gleichzeitig: „Die Post haftet bei gewöhnlichen Sendungen nicht für Folgeschäden. Haftung gibt es nur bei Einschreiben, nicht aber bei normalen Briefsendungen – von denen wir täglich 59 Millionen zustellen.“ Was mit Thomas Grolls Wahlflyern schiefgelaufen ist,
ließ sich laut Böhm bis gestern nicht herausfinden. „Wir haben teilweise auf Verbund umgestellt, das heißt, Briefe und Pakete werden zusammen zugestellt und es gibt andere Strecken. Das könnte ein Problem sein. Aber das ganze Straßen doppelt und andere gar nicht beliefert werden, sollte nicht sein. Wo Menschen arbeiten, passieren eben auch Fehler.“ Die Suche nach der Ursache läuft. Bei einer Suche kann er helfen: Es gibt eine zentrale Telefonnummer für Kritik, Beschwerden, Anregungen oder Lob. „Dort werden die Informationen kanalisiert und an die zuständige Stelle weitergeleitet und dann gesammelt, um einen Überblick zu haben“, sagt Böhm. Die Nummer lautet 02 28 / 4 33 31 12.