Ein Paradies für Stammbaumforscher

Das Hessische Grundbuch- und Personenarchiv hat in Neustadt eine neue Heimat gefunden
Am 3. Januar 2011 eröffnet das Staatsarchiv Marburg in einer ehemaligen Ausbesserungswerkstatt der Bundeswehr in der Leipziger Straße 83 in -Neustadt einen neuen Archivstandort.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Dr. Andreas Hedwig blättert durch ein Grundbuch von Mornshausen / Dautphe aus dem Jahr 1872, das auf dem Ärmel des Direktors des Hessischen Staatsarchivs Marburg einen Staubfleck hinterlässt. Noch haben die Mitarbeiter des neuen Standorts in Neustadt das Buch nicht in den Bestand eingearbeitet, der schon jetzt aneinandergereiht 13 Kilometer lang ist.
Für 40 Kilometer Bücher und Akten ist in Neustadt Platz. Jährlich wächst der Bestand um rund drei Kilometer – der deutschlandweit größte Wert aller Archive, nicht einmal im Bundesarchiv ist der Zuwachs so groß, wie Hedwig betont. Sieben Mitarbeiter und drei Auszubildende kümmern sich um das Grundbuch- und Grundaktenarchiv, das Personenstandsarchiv oder arbeiten in der Restaurierungswerkstatt, in der beschädigtes Archivgut fachgerecht aufgearbeitet wird.
Die ehemalige Ausbesserungswerkstatt der Bundeswehr bietet dem in Marburg angesiedelten Staatsarchiv ganz neue Möglichkeiten: „Wir hatten in Marburg ein Problem mit dem Platz“, sagt Hedwig. Viele Jahre dauerte die Suche nach einem Ort, der als Außenstelle geeignet und finanzierbar ist. Insgesamt fast 14 000 Quadratmeter ist das Gelände groß, welches das Land vom Bund für rund 2,3 Millionen Euro kaufte.
4000 Quadratmeter Nutzfläche umfasst das Gebäude, dessen Böden zwischen anderthalb und zwei Tonnen Last je Quadratmeter tragen können – nur dieser hohe Wert ermöglicht eine sichere Lagerung vieler Tausend Kilogramm Papier.
Neue Möglichkeiten für Stammbaumforschung
Das Personenstandsarchiv übernimmt nach Ablauf bestimmter Fristen die Zweitschriften von Geburts- (nach 110 Jahren), Hochzeits- (80 Jahre) und Sterbebüchern (30 Jahre) von den Landkreisen und kreisfreien Städten. Diese Unterlagen stehen dann auch allen Besuchern der Einrichtung zur Verfügung – durch die Novellierung des Personenstandsrechts im Jahr 2009 gelten sie als Archivgut und sind nicht mehr nur für Vor- oder Nachfahren und Eheleute einsehbar. In der Leipziger Straße 83 gibt es künftig für die Lektüre der familiengeschichtlichen Quellen einen extra eingerichteten Lesesaal, sodass Bürger während der Öffnungszeiten Stammbaumforschung betreiben können. Allerdings sollten sie sich im Vorfeld mit altdeutscher Schrift vertraut machen, denn die Bücher sind in Kurrentschrift verfasst – die ältesten stammen aus dem Jahr 1876, hebt Dr. Kathrin Marx-Jaskulski hervor. Noch gibt es in Neustadt erst Zweitschriften aus Gießen, dem Vögelsbergkeis, Groß-Gerau, Darmstadt und Offenbach. „Die anderen kommen aber auch bald“, verspricht die Leiterin des Personenstandsarchivs.
Im Grundbucharchiv liegen geschlossene Grundakten und -bücher der hessischen Grundbuchämter. Die Neustädter sind also eine Art Dienstleister für 32 der 46 zuständigen Ämter Hessens, mit denen ein reger Austausch der Unterlagen stattfindet. Mehr als 1 200 der Schriften waren in diesem Jahr zum Beispiel auf dem Weg zwischen Archiv und Justiz, wie., Leiterin Dr. Nicola Wurthmann betont, die mit ihren Mitarbeitern an manchen Tagen zwischen 100 und 300 Metern Unterlagen empfängt und einlagert – viele sind noch handschriftlich verfasst worden, andere sind mit der Schreibmaschine getippt. Auf elektronische Datenspeicherung stellten die Ämter erst vor wenigen Jahren um.
„Wir planen die Digitalisierung aller Unterlagen“, kündigt Hedwig bereits ein anstehendes Großprojekt an – dabei dauert es noch ein bis zwei Jahre, bis zumindest alle derzeit für Neustadt vorgesehenen Unterlagen in der Junker-Hansen-Stadt angekommen sind. Um den Platz müssen sich die Archivare nach Angaben des Archivdirektors in den nächsten 20 bis 40 Jahren keine Gedanken machen.
■ Bürger können sich ab dem 1 3. Januar 2011 einen Überblick über das Angebot verschaffen. Offizielle Einweihung mit Eva Kühne-Hörmann, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, ist am 7. Februar 2010.