Landkreis und Ostkreis-Kommunen wollen Eigentümer von Baudenkmälern nicht allein lassen
Der Erhalt von Baudenkmälern und die Bekämpfung des Leerstandes gehören in den ländlichen Regionen zu den großen Problemfeldern. Eine Denkmalagentur soll die Situation verbessern.
von Matthias Mayer
Neustadt. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf hat die Agentur gemeinsam mit den sechs Ostkreis-Kommunen Stadtallendorf, Kirchhain, Neustadt, Amöneburg, Rauschenberg und Wohratal gegründet.
An den Rathäusern der fünf Städte und der Gemeinde Wohratal finden sich jetzt Schilder mit der Aufschrift Denkmalagentur. Diese Schilder stehen dafür, dass in diesen Rathäusern sanierungswillige Eigentümer von Baudenkmälern oder Interessenten, die ein geschütztes Gebäude erwerben wollen, fachkundig beraten werden. Die Beratung erfolgt nicht durch die Verwaltungen, sondern durch den Architekten Carsten Fehr im Auftrag der Denkmalagentur.
In Neustadt wurde das Projekt vorgestellt – selbstverständlich in einem Baudenkmal, dem Neustädter Rathaus, an dessen Fassade jetzt das Schild hängt. Zu dem Ereignis waren die Bürgermeister Christian Somogyi (Stadtallendorf), Thomas Groll (Neustadt), Michael Emmerich (Rauschenberg) und Peter Hartmann (Wohratal) nach Neustadt gekommen. Die Bürgermeister von Kirchhain (Olaf Hausmann) und Michael Plettenberg (Amöneburg) waren dem Treffen ferngeblieben, da sie die Schilder bereits zuvor erhalten hatten.
Der Erste Kreisbeigeordnete Marian Zachow bezeichnete die Gründung der Agentur als einen Meilenstein für den Denkmalschutz im Landkreis, mit deren Hilfe der Turnaround gelingen könne. Es gelte zu vermitteln, dass Baudenkmäler für die Zukunft, für Lebensqualität und zu Zeiten steigender Wohnraumnachfrage für Chancen stünden. Die erste Säule des Projektes seien die Sprechstunden in den Rathäusern. Carsten Fehr sei Ansprechpartner für Eigentümer, Investoren und Kaufwillige. Diese stünden oft genug ratlos vor ihrem alten Haus und wüssten nicht, wo man anfangen soll. Diese Beratungslücke
werde Carsten Fehr schließen, erklärte Marian Zachow.
Die zweite Säule sei die Option der Kommunen, jeweils drei ausgewählte Projekte, die Carsten Fehr gewissermaßen ins Schaufenster stellen werde. „Sanierung lohnt sich. Wir wollen Lust auf Nachahmung machen“, sagte Marian Zachow.
„Nicht jedes Gebäude kann erhalten werden“
„Neustadt ist mit vielen Baudenkmälern gesegnet, die aber nicht nur Segen bringen, sondern auch Leerstände“, sagte
Thomas Groll. Die Stadt habe eine historische Substanz, die erhalten werden müsse. Aber nicht jedes Gebäude könne erhalten werden, sagte der Bürgermeister. Es gehe in solchen Fällen darum, gangbare Wege zu finden ohne hohe Hürden des Denkmalschutzes, erklärte der Neustädter Bürgermeister.
Die Stadt Neustadt hat für die Beratung den Verbindungsbau zum Haus der Vereine, das hinfällige Gebäude Kreuzgasse 7 und ein privates Haus in der Ritterstraße, das zum Verkauf steht, angemeldet.
Christian Somogyi berichtete vom eigenen Denkmalschutz- Programm Stadtallendorfs. 100 000 Euro stelle die Stadt für Bürger bereit, die ihre Baudenkmäler sanieren. Die Rettung der Mainzer Kellerei sei ein Initial gewesen. Und jede Sanierung in den Ortskernen löse einen Schneeballeffekt aus. Es sei sehr erfreulich, dass es für die Nachahmer nun fundierte Beratung gebe.
Ins „Schaufenster“ stellt die Stadt Anwesen in Niederklein und in Schweinsberg.
Reichlich Erfahrung mit Baudenkmälern und gezielten Leer- stands-Management hat die
Stadt Rauschenberg gesammelt. Die Beratung von Hauseigentümern sei ein ganz wichtiger Faktor. Viele Eigentümer wüssten nicht, wie sie an ein solches Sanierungsvorhaben heran- gehen können, erklärte Michael Emmerich. Für die Beratung hat die Stadt ein städtisches Haus in Bracht, das herrenlose und zur Zwangsversteigerung anstehende Haus Marktstraße 7 und das Backhaus neben dem Rathaus, angemeldet.
„Wir sind nicht in der Lage, die Eigentümer von alten Fachwerkgebäuden selbst zu beraten“, lobte Peter Hartmann das Projekt. Der Aufwand lohne sich, denn Wohratal verfüge über eine gute Infrastruktur. Private Objekte in den Ortsteilen Wohra, Halsdorf und Langendorf werden besonders unter die Lupe genommen.
Dr. Renate Buchenauer vom Denkmalbeirat begrüßte die neue Initiative. „Wir haben die Gründung der Agentur von Beginn an unterstützt. Die entscheidende Frage ist: Wie kommen wir an die privaten Eigentümer heran? Eine informelle Vorbereitung halte ich für sehr wichtig“, sagte die erfahrene Fachfrau, die sich eine Teilnahme aller Kreiskommunen an dem Programm wünschte.
Carsten Fehr sieht in den beteiligten Kommunen ein großes Potenzial und einen großen Bestand denkmalgeschützter Gebäude. Er wolle ein niederschwelliges Angebot machen, Wege aufzeigen, sich mit dem eigenen Baudenkmal zu beschäftigen. Er versprach einen bunten Strauß von Beratungsmöglichkeiten für private und gewerbliche Objekte. Dazu gehörten unter anderem Standort- Beratungen und das Aufzeigen von Fördermöglichkeiten. Wann Carsten Fehr mit seinen Sprechstunden beginnt, wird zum Ferienende bekanntgegeben.