Extra-Schutz für prägende Baudenkmäler

Warum ist der Junker-Hansen-Turm nicht im Regionalplan aufgelistet?
Von Stefan Dietrich
Marburg. 176 Seiten stark ist der Text zum Entwurf des neuen Regionalplans Mittelhessen. Es geht um Vorranggebiete für Siedlungen, Gewerbe und Industrie, um mögliche Abbauflächen und Verkehrswege, aber es geht auch darum, wo solche Planungen nicht ohne Weiteres möglich sind. Unter anderem sind deshalb „zu schützende Baudenkmäler und Gesamtanlagen“ aufgeführt.

Die Tabelle mit den Baudenkmälern im Landkreis liest sich fast wie eine Hitliste der Sehenswürdigkeiten in den einzelnen Gemeinden – aber nur fast. Die alten Stadtkerne von Marburg, Biedenkopf, Amöneburg und Rauschenberg sind beispielsweise dabei, auch einige Burgen – aber was ist eigentlich mit dem Junker-Hansen-Turm? Das Wahrzeichen von Neustadt gilt als größter erhaltener Fachwerkrundbau der Welt. Bürgermeister Thomas Groll bezeichnet den Turm als „Baukulturdenkmal von nationaler Bedeutung“ und kritisiert, dass er nicht in der Liste der besonders zu schützenden Denkmäler steht (die OP berichtete). Andererseits enthält die Liste auch ein Gebäude-Ensemble, das viele Menschen nicht als besondere Sehenswürdigkeit betrachten: die Institute und das Fernheizwerk auf den Marburger Lahnbergen. In den vergangenen Jahren gab es in Marburg sogar Debatten über einen Abriss dieser Gebäude.

Es geht um die Fernwirkung

Was haben also die Uni-Gebäude auf den Lahnbergen, was der Junker-Hansen-Turm nicht hat? Es geht um eine „hohe visuell prägende Fernwirkung“, erklärt Thorsten Haas, stellvertretender Pressesprecher des Regierungspräsidiums Gießen, auf OP-Anfrage. Mit anderen Worten: Manche Baudenkmäler, wie das Marburger Schloss oder eben das Fernheizwerk, kann man von weither sehen. Solche Gebäude sind im Regionalplan-Entwurf als besonders schützenswert aufgeführt. Der Junker-Hansen-Turm ist demnach nicht vergleichbar landschaftsprägend – so jedenfalls die Einschätzung der Fachleute vom Landesamt für Denkmalpflege, auf deren Fachbeitrag laut Regierungspräsidium die Liste basiert. „Entsprechend dem Fachbeitrag handelt es sich hierbei um ein Kulturdenkmal aus künstlerischen, geschichtlichen und städtebaulichen Gründen, dem allerdings nur eine geringe visuell prägende Fernwirkung beigemessen wird“, teilt Haas mit.

Denkmalgeschützt ist der Turm natürlich sowieso, Regionalplan hin oder her – ebenso wie das Marburger Schloss oder die Elisabethkirche. Die im Regionalplan aufgelisteten, landschaftsprägenden Baudenkmäler sollen aber „über den eigentlichen Objekt- und Ensembleschutz nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz hinausgehend“ geschützt werden, erklärt Haas, „indem die vorhandenen Freiflächen im Umkreis der Anlagen in ihrem ungestörten Zustand zur Sicherung der komplexen Ansichten gesichert werden“. Ein plakatives Beispiel: Neben dem Marburger Schloss darf kein großes Gebäude entstehen, das die Sicht auf das Schloss verdecken würde.

Uni-Institute waren prägend für andere Neubauten

Und warum gelten die Uni-Gebäude auf den Lahnbergen überhaupt als Baudenkmäler? „Das Anfang der 1960er Jahre entwickelte Marburger System gilt als das erste Fertigteilbaukonzept im bundesdeutschen Hochschulbau“, erläutert Haas. Bis in die 1970er Jahre hinein habe es Hochschulbauten zum Beispiel in Darmstadt, Hamburg, Tübingen oder Dortmund beeinflusst.