Heimische Politiker bewerten Einigung des Landes mit A-49-Klägern • Gegner sehen noch viele offene Fragen
Überwiegend positiv reagierten gestern politische Vertreter auf verschiedenen Ebenen auf die jüngste Entwicklung beim Endlos-Projekt „Weiterbau derA49″.
von Florian Lerchbacher und Michael Rinde
Ostkreis. Es gibt nun endgültig Baurecht für alle drei Autobahnabschnitte – auch für den zwischen Stadtallendorf und Gemünden (Felda), dem geplanten Anschluss der A49 an die A 5. Wie die OP gestern exklusiv berichtete, wurde eine ruhende Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den Planfeststellungsbeschluss zurückgenommen. Geklagt hatte eine Eigentümergemeinschaft aus dem Ostkreis.
Im vergangenen Sommer hatte der Bundesrechnungshof gerügt, dass das Baurecht formal immer noch fehlt. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte die Freigabe von Geldern daraufhin an eine Einigung zwischen Land Hessen und Klägern geknüpft. Diese Bedingung ist erfüllt. Eine erneute Entscheidung des Haushaltsausschusses ist nicht erforderlich, wie sich der seinerzeitige Beschluss liest.
Der heimische Bundestagsabgeordnete Sören Bartol, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD, sprach gestern gegenüber der OP von einer „längst überfälligen Einigung“. Bartol hatte das Land und Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Die Grünen) zuletzt scharf für die lange Dauer der Verhandlungen mit der Eigentümergemeinschaft kritisiert. „Gut, dass eine Lösung gefunden und diese wichtige Hürde genommen worden ist“, kommentiert Bartol die aktuelle Entwicklung. Die Einigung sei auch dringend notwendig gewesen, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren.
Auch Bartol erinnert daran, dass der Rechnungshof die bis dato anhängige Klage als einen entscheidenden Knackpunkt angesehen habe. Er sei froh, dass dieses gravierende Problem auf dem Weg zur Autobahn 49 nun auch gelöst sei, erklärte Stadtallendorfs Bürgermeister Christian Somogyi (SPD). Besonders positiv stimmt ihn dabei auch die Zeitprognose, die das hessische Verkehrsministerium gegenüber der OP abgegeben und gestern in einer Presseerklärung veröffentlicht hat. 2020 soll Baubeginn für die beiden noch nicht angefangenen Autobahnabschnitte sein. „Gut, dass der zuletzt herausgegebene Zeitplan zu stehen scheint“, sagt Somogyi. Dem Stadtallendorfer Bürgermeister ist durchaus bewusst, dass seiner Stadt bei Fertigstellung des A-49-Ab- schnitts bis Schwalmstadt (voraussichtlich 2021) über Jahre mehr Verkehr droht. Er verlangt nach „intelligenten Umleitungen“.
Stadtallendorf wäre aber auch einer der größten Profiteure der Autobahn. Eine Abfahrt liegt unmittelbar am Gewerbegebiet Nordost. Über die Ausweisung zusätzlicher Gewerbeflächen will Somogyi jetzt zunächst eine Diskussion mit der Politik führen.
Auch in Neustadt herrscht Zufriedenheit – wobei Bürgermeister Thomas Groll (CDU) seine Aussage gleich mit einer Forderung garniert. „Es ist gut, dass eine langwierige Hängepartie endet und durchgängig Baurecht besteht. Allerdings wäre es schön, wenn die gesamte Finanzierung gesichert wäre.“ Für die VKE 20 kommt das Geld aus dem Bundeshaushalt, die VKE 30 und 40 sollen über öffentlich-private Partnerschaften bezahlt werden: „Ich weiß ja nicht, ob das als sicher zu bezeichnen ist“, kommentiert Groll.
Baubeginn für die letzten beiden Abschnitte soll 2020 sein. „Das wäre okay. Aber ich erwarte für die Zwischenzeit, die ich auch fünf Jahre plus x beziffern würde, eine wirksame Abhilfe“, betont der Bürgermeister. Die durch Neustadt verlaufende Bundesstraße 454 wäre schließlich ein wichtiger Zubringer für den Verkehr: „Nur ein paar Schilder aufstellen reicht nicht. Es muss auch kontrolliert und so klar gemacht werden, dass Abkürzen über Schleichwege nicht gewünscht ist.“
Eine Mehrbelastung der Stadt durch Autos hält er für vertretbar, durch Lastwagen wäre es allerdings nicht akzeptabel: „Aber ich muss natürlich der Realität auch Rechnung tragen: Wir wollen die stärkere Belastung nicht – aber das gilt auch für andere Kommunen. Insofern ist Ideenreichtum gefragt, wenn es um
eine Lösung geht.“ Die A 49 sei jedenfalls wichtig für den Wirtschaftsstandort Ostkreis: „Es wäre also gut, wenn jemandem eine intelligente Zwischenlösung bis zur Fertigstellung einfiele.“ Nur wenige Kilometer weiter ist die Stimmung derweil weniger gut-doch ans Aufgeben denkt Reinhard Forst, der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Schutz des Ohmtals, nicht. Für ihn ist der Kampf noch lange nicht vorbei: „Es gibt noch eine Unmenge von Dingen, die geklärt werden müssen.“ Zunächst gelte es abzuwarten, wie sich die Grundgesetz-Änderung zur Privatfinanzierung auf Projekte wie die A 49 auswirke. Dann sei auch das Thema „Wirtschaftlichkeitsberechnung“ noch lange nicht durch. Er glaube nicht an die Wirtschaftlichkeit der Straße und hoffe, dass eine Klage der Grünen durchkomme, sodass ein Einblick in die Berechnungen möglich werde.
Außerdem laufe eine Petition beim Europaparlament, in der es um Zweifel am zwingend erforderlichen öffentlichen Interesse am Bau der Autobahn gehe. Geschrieben hat er diese für die Botanische Vereinigung für Naturschutz in Hessen. Für Forst gibt es massive Fehler in den Planungsunterlagen, angefangen bei einer fehlerhaften Voraussage der Zahl der Autos, die über die Straße künftig fahren sollen, über eine mögliche Lärmentlastung bis zur angeblichen Abnahme der Umweltbelastungen. „Ich gebe nicht auf“, resümiert der 77-Jährige, der inzwischen mehr als die Hälfte seines Lebens gegen den Bau der Autobahn kämpft – und in dieser Zeit ein echtes Interesse von Parteien und Parlamentariern an seinen Belangen und Kritikpunkten vermisste.
Der CDU-Kreisvorsitzende Dr. Thomas Schäfer, seines Zeichens auch Hessens Finanzminister, begrüßte in einer Presseerklärung die Einigung zwischen Land und Eigentümergemeinschaft. Es sei die CDU gewesen, die sich immer vorbehaltlos für den kompletten Weiterbau der A49 zwischen Kassel und dem Anschluss an die A5 als eines der zentralen Verkehrsprojekte der Region eingesetzt habe, so der Christdemokrat. Schäfer verweist auf eine Entlastung der Anwohner der Bundesstraße 3 vom Schwerlastverkehr.