„Je größer, desto schwieriger“

 

Pro Asyl hofft, dass die Neustädter bei Problemfällen Fingerspitzengefühl zeigen und nicht pauschalisieren

Völlig problemlos wird es rund um die Erstaufnahmeeinrichtung nie zugehen, sagt Bernd Mesovic und führt dafür zahlreiche Gründe an. Zudem sieht der Pressesprecher von Pro Asyl die Sozialarbeiter in der Pflicht.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. Die Größe der Erstaufnahmeeinrichtungen sieht Bernd Mesovic von Pro Asyl als eines der größten Probleme rund um die Flüchtlingsthematik an. Zum einen sei die Schwellenangst der Bürger größer. Zum anderen seien die Einrichtungen aber auch entsprechend unübersichtlich – „und die Fluktuation ist größer“, betont er. So sei es schwierig, Probleme in der großen Runde anzusprechen: „Hausversammlungen sind aufgrund der zahlreichen gesprochenen Sprachen nicht möglich. Daher lassen sich Sorgen und Probleme nicht so leicht angehen. Je größer die Einrichtung, desto schwieriger.“

Auf Anfrage dieser Zeitung geht der Sprecher von Pro Asyl auf die Probleme mit Flüchtlingen ein, die Neustädter der Stadt gemeldet hatten (die OP berichtete am Dienstag). Wichtig ist ihm in diesem Zusammenhang, die Flüchtlinge nicht zu pauschalisieren, sondern stets im Hinterkopf zu behalten, dass es einzelne schwarze Schafe seien, die durch ihr Verhalten auffielen und für Unmut sorgten. So etwas sei aber auch zu beobachten, wenn über 600 zufällig zusammengewürfelte Deutsche auf einem Fleck zusammenkämen.

Mesovic überrascht es nicht, dass sich Anwohner rund um die Erstaufnahmeeinrichtung über Lärm beschwerten. Er verweist zum einen auf die Hitze und die fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten, die die Menschen aus ihren spärlich eingerichteten Unterkünften trieben. Zum anderen seien natürlich Muslime unter den Flüchtlingen, die im Fastenmonat eben abends erst aktiver würden.

Problematischer sieht er derweil die Sorgen der Neustädter um den Park an: Dort hat die Stadt inzwischen Schilder aufgestellt, die unter anderem darauf hinweisen, dass Müll in die entsprechenden Tonne gehöre und die Notdurft nicht öffentlich zu verrichten sei. Prinzipiell seien solche Schilder mit Piktogrammen und Hinweisen in verschiedenen Sprachen nicht schlecht, sagt Mesovic. Es sei nur fraglich, ob sie auch Beachtung fänden – viele Flüchtlinge kämen schließlich aus „zerfallenen Staaten“, in denen es kaum noch Ordnung gebe. Daher müssten sie sich erst wieder daran gewöhnen – oder es überhaupt erst lernen -, den Hinweisen auf Schildern Folge zu leisten.

Mesovic sieht die Sozialarbeiter in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Pflicht, den Flüchtlingen Normen und Gepflogenheiten zu vermitteln. Es sei allerdings schwierig für die zumeist verhältnismäßig wenigen Sozialarbeiter – in Neustadt sind zwei ausgebildete Sozialpädagogen beschäftigt sowie fünf weitere Personen in der Sozialbetreuung tätig – einen echten Zugang zu den Menschen zu bekommen. Zum einen, weil sie nur fünf oder sechs Wochen in den Erstaufnahmeeinrichtungen seien, zum anderen, weil viele in der großen Masse einfach untergingen. Noch dazu dürfe man nicht vergessen, dass die meisten traumatische Monate oder gar Jahre durchlebt hätten: „Es gibt eine hohe Zahl an psychisch belasteten Menschen. Ihre Probleme zu erkennen, ist eine schwierige Sache.“ Entsprechend wichtig sei es, qualifiziertes Betreuungspersonal einzustellen, das über gute Sprachkenntnisse und „mindestens interkulturelle Minimalkompetenzen“ verfüge.

Zumeist sei es aufgrund der verhältnismäßig kurzen Aufenthalte in den Erstaufnahmeeinrichtungen den Sozialarbeitern nicht möglich, Sorgen, Ängste und Probleme der Flüchtlinge wirklich aufzuarbeiten: „Eigentlich kann man dort nur Pflästerchen kleben.“ Und auch für Ehrenamtier sei es schwierig, mit den Menschen wirklich in Kontakt zu kommen: „Sie wollen die Flüchtlinge auf dem Weg in die Gesellschaft begleiten – aber das ist in Erstaufnahmeeinrichtungen eben nicht möglich.“

An die Neustädter appelliert Mesovic, geduldig zu sein und mit Fingerspitzengefühl Probleme im direkten Gespräch mit Flüchtlingen anzusprechen. Bei Flüchtlingen, die in Kommunen untergekommen sind, sei dies natürlich einfacher möglich, weil die Gruppen kleiner seien, was den Kontakt erleichtere. Entsprechend sei Geduld vonnöten.

Vor allem in Konfliktsituationen gelte es, Ruhe zu bewahren. Damit bezog sich der Sprecher von Pro Asyl auf die im Internet kolportierten Vorfälle im Schwimmbad, wo Flüchtlinge Frauen fotografiert haben sollen. Die Ansprache sei in solchen Fällen nicht einfach: „Es ist schwer, bei so etwas allgemeine Ratschläge zu geben“, gibt er zu – Bürgermeister Thomas Groll rät derweil, gegebenenfalls die Polizei zu rufen.

Strukturen im Tag sind wichtig, ein gutes Freizeitangebot sei unumgänglich – da schließt sich Mesovic der Forderung Grolls nach einer Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten an. Doch auch, wenn die derzeit hinter der Entwicklung der Flüchtlingszahlen hinterherhinkende Infrastruktur der Erstaufnahmeeinrichtung aufgeholt habe, ist er sich sicher: „Völlig problemlos wird es nie sein – aber der Sommer und die noch nicht abgeschlossene Renovierung erschweren die Lage.“

Zwei Tage, nachdem er die Sorgen der Neustädter in Wiesbaden und Gießen – und gegenüber der OP – ansprach, sieht sich Groll in seinem Vorgehen bestätigt. Viele Bürger hätten ihn kontaktiert und mitgeteilt, dass sie es gut fänden, dass er die Sorgen der Bürger ausgewogen anspreche: „Wir tun dies offen, damit es keinen Nährboden für Gerüchte gibt. Wir wollen Dinge objektiv ansprechen, um die rechte Lobby nicht zu stärken.“