Arbeitskreis mit Schülern recherchierte die Schicksale jüdischer Familien
Von Michael Rinde
Neustadt.
Auch Neustadt hat am Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Etwa 70 Besucher wohnten der Gedenkstunde bei. Ein Thema anlässlich des Gedenkens war die näherrückende erste Verlegung von Stolpersteinen in der Junker-Hansen-Stadt. Am 31. März verlegt der Künstler Gunter Demnig sechs Stolpersteine zur Erinnerung an die Familie Stein.
Hinter der Verlegung stehen Schülerinnen und Schüler der Neustädter Martin-von-Tours-Schule mit Lehrer Roman Mehler. Sie bekommen Unterstützung von Stadtarchivarin Andrea Freisberg (die OP berichtete). Eine Arbeitsgruppe Stolpersteine ist entstanden, die sich um die Recherchen zur Geschichte der Opfer kümmert und die Verlegungen organisiert. Ansprechpartner ist dabei die Stadtarchivarin, ein Bindeglied zwischen allen Beteiligten.
Zwei Gemeinden, ein Schicksal
Es wird ein besonderes Ereignis in der jüngeren Stadtgeschichte, wenn Neustadts Erinnerungskultur an die Opfer der Nazis um ein weiteres Element bereichert wird. Im Jahr 2021 hatte die Stadt die „Bank der Erinnerung“ am Rathaus geschaffen.
„Wichtig ist, dass der Schritt für die Verlegung von Stolpersteinen von Bürgerinnen und Bürgern ausgeht“, sagt Bürgermeister Thomas Groll zur Entwicklung. Dieser Schritt hätte nicht von der Stadt ausgehen sollen. Es dürfe nicht an den Anschein haben, als habe „sich das Rathaus etwas einfallen lassen“. Besonders freut es ihn, dass die Martin-von-Tours-Schule nun eine besondere Rolle bei der Stolperstein-Verlegung spielen wird.
In Neustadt und im damals selbstständigen Momberg gab es jeweils eine jüdische Gemeinde. In Neustadt existierte eine jüdische Synagoge, die einen Tag vor der Reichspogromnacht geschändet wurde. In der Stadt gab es einen Mob von 200 bis 300 Menschen, der auch Scheiben einwarf und jüdisches Eigentum zerstörte. Nach früheren Angaben lebten in Neustadt im Jahr 1933, dem Beginn der Nazizeit, insgesamt 89 Menschen jüdischen Glaubens. In Momberg lebten zum selben Zeitpunkt 31.
Die Nazis sollten 70 Jüdinnen und Juden schließlich bis 1945 ermorden, in Momberg waren es 14. Andere jüdische Familien schafften es, rechtzeitig das Land zu verlassen. Es existiert nach wie vor ein jüdischer Friedhof, eine letzte sichtbare Erinnerung an die einstigen beiden jüdischen Gemeinden.
Eine Infobroschüre gibt grundlegende Auskünfte zur Stolpersteinverlegung. Sie zeigt auch das einzige Foto der einstigen Neustädter Synagoge, das erhalten geblieben ist. Wer möchte, kann die Stolpersteinverlegungen gerne auch finanziell unterstützen, auf dem Flyer ist ein Spendenkonto der Stadt Neustadt zu finden. Alle Spenden sind steuerlich absetzbar.
Es bleibt natürlich nicht bei nur einer Stolperstein-Verlegung. Als Nächstes ist die Erinnerung an die jüdische Familie Levi vorgesehen, das wird wahrscheinlich erst im Jahr 2026 passieren. Schülerinnen und Schüler hatten bei der Gedenkstunde auf dem Schlossplatz bereits Einblicke in die Geschichte der Familie gegeben.
Anlässlich der ersten Stolpersteinverlegung wird es auch einen Flyer zur Geschichte der Familie Stein geben, kündigt Andrea Freisberg an. Das sei für jede Verlegung geplant.
Wer sich bei der Organisation der Stolperstein-Verlegungen in Neustadt engagieren möchte, kann sich an das Stadtarchiv, Andrea Freisberg, Telefon 0 66 92 / 98 51, E-Mail stadtarchiv@neustadt-hessen.de, wenden.