Land streicht Geld für Kita-Neubauten – Bürgermeister sind empört

Cölbes Dr. Jens Ried und Neustadts Thomas Groll kritisieren das Land Hessen für ihre Förderpolitik
Von Katharina Kaufmann-Hirsch

Neustadt.
„Wir fühlen uns in Sachen Kinderbetreuung allein gelassen“, sagt Dr. Jens Ried, Bürgermeister der Gemeinde Cölbe und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Bürgermeister im Landkreis: „Die Universitäten werden vom Land bezahlt, die Schulen werden gefördert – warum nicht auch die Kindergärten?“, fragt Ried. Bis vor zwei Jahren gab es eine Förderung für die Neubauten von Kitas von rund 30 Prozent der Gesamtkosten. „Das ist jetzt komplett weggefallen“, kritisiert auch Neustadts Bürgermeister Thomas Groll: „Wir bekommen gar nichts mehr an Zuschüssen vom Land, wenn wir einen neuen Kindergarten bauen wollen.“
Investitionsprogramm ist ausgelaufen

Das stellt die Kommunen – und zwar nicht nur Neustadt und Cölbe – vor große finanzielle Herausforderungen und darauf wollen die beiden Bürgermeister im Namen aller Bürgermeister des Landkreises aufmerksam machen. „Die Hauptgründe für die defizitären Haushalte sind die Kindergärten“, erklärt Ried. Weil dort vielerorts hohe Investitionen nötig seien, die nicht weiter aufgeschoben werden könnten. „Das Problem sind die gewaltigen Investitionsstaus bei Kinderbetreuungseinrichtungen im ganzen Landkreis, eigentlich sogar im ganzen Land“, sagt Ried. Rund 13 Milliarden Euro betrage der Investitionsstau bei Kitas bundesweit. Und die Hauptkosten dafür müssten nun durch die Städte und Gemeinden getragen werden, trotz klammer Haushaltskassen.

„Das Land bietet statt einer Förderung nur noch billige Kredite an“, berichtet Bürgermeister Groll. Für den Neubau der Kita in der Neustädter Kernstadt muss die Stadt nun etwa 4,5 Millionen Euro aufbringen. Mit der alten Landesförderung hätte das Land Hessen zu dem Neubau rund 800.000 Euro dazugegeben. „Wir Bürgermeister im Landkreis sind alle der Meinung, dass es eine Landesförderung braucht“, betont Ried. Denn die vom Land angebotenen sogenannten zinsverbilligten Darlehen könne er bei heimischen Banken auch selbst bekommen. „Dafür brauche ich das Land nicht.“

Die Kinderbetreuung ist Ländersache, damit ist das Land Hessen dort zuständig. Nachdem die Bundesregierung entschieden hatte, ihr viertes Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung“ bis zum Jahr 2020 auslaufen zu lassen, beschloss die hessische Landesregierung ein eigenes Landesinvestitionsprogramm „Kinderbetreuung“ 2020 bis 2024 für Investitionen im Bereich der Kindertagesbetreuung. Das Programm hatte ein Volumen von 92 Millionen Euro – und ist nun ausgelaufen. Ein Nachfolgeprogramm existiert nicht.

Das Land gebe genau vor, wie eine Kita gebaut werden muss, beteilige sich dann aber nicht an der Finanzierung, kritisieren Groll und Ried: „Das geht gar nicht! Damit Wiesbaden die schwarze Null vorzeigen kann, müssen wir rote Zahlen schreiben.“

So viel kostet ein Kindergartenplatz

Auch die Gemeinde Cölbe braucht eine neue Kita, in Schönstadt. „Wir müssen dort neu bauen, sanieren geht nicht, weil das noch teurer werden würde. Außerdem: Wo sollen die Kinder unterkommen in der Zeit, in der wir sanieren“, so Ried. Die Bürgermeister aus Marburg-Biedenkopf wünschen sich, dass mehr mit den Kommunen gesprochen wird und appellieren an die hessische Landesregierung: „Überlegt noch mal, ob das wirklich so sein muss!“ Wie teuer ein Platz für ein Kindergartenkind ist, rechnen Ried und Groll exemplarisch für Neustadt vor: Rund 900 Euro im Monat werden dafür nämlich je Kind fällig. Das Land Hessen zahle 149,16 Euro im Monat pro Kind für die kostenfreien sechs Betreuungsstunden am Tag. Denn: Grundsätzlich gilt in Hessen eine Gebührenfreiheit ab dem dritten Geburtstag eines Kitakindes – aber nur für maximal sechs Stunden, geht das Kind länger in die Kita müssen die Eltern dafür aufkommen. „Wir müssten aber mindestens das Doppelte vom Land bekommen, dann hätten wir die Kosten zumindest gedrittelt: ein Drittel die Eltern, ein Drittel die Stadt, ein Drittel das Land“, erklärt Groll.

Aufs Jahr betrachtet bekommt Neustadt vom Land rund 1,2 Millionen Euro an Betriebskostenförderung und Geldern für die Kinderbetreuung. Dazu kommen die Beitragsgelder der Eltern. Die Stadt legt rund zwei Millionen Euro oben drauf. „Wir hätten überhaupt keine finanziellen Probleme, wenn das Land sich stärker in der Kinderbetreuung einbringen würde“, sagt Groll und ergänzt: „Wir werden wahrscheinlich zum Ende des Jahres nicht drumherum kommen, die Gebühren für die Kinderbetreuung zu erhöhen, damit das Defizit im städtischen Haushalt nicht zu hoch wird.“