Neustadt verliert Prozess – MNZ

Verwaltungsgericht bestätigt Denkmalschutz für alte Schule
Von Horst Joh. Boßhammer (0 64 28) 44 8840 h. bosshammer@mittelhessen.de
Neustadt. Seit fünf Jahren kämpft die Stadt für den geplanten Abriss der alten evangelischen Schule in der Hindenburgstraße. Gestern hat sie diesen Kampf einstweilen verloren: Die l. Kammer des Gießener Verwaltungsgerichtes hat die Klage der Stadt gegen den Landkreis Marburg-Biedenkopf auf Abbruch des Gebäudes abgewiesen und sich in der Urteilsbegründung den Argumenten des Kreises angeschlossen.
Bürgermeister Manfred Holm (CDU) hatte schon nach der Niederlage vor dem Widerspruchsausschuss des Kreises auf einem Urteil des Verwaltungsgerichts bestanden. Gegen die Klageabweisung werde die Stadt Beschwerde einreichen und – falls möglich – vor den Verwaltungsgerichtshof ziehen, kündigte Hoim gestern auf Anfrage dieser Zeitung an. Hoim geht es dabei um etwas Grundsätzliches.
„Ich wehre mich gegen die Verschwendung öffentlicher Gelder. Der Denkmalschutz entwickelt sich immer mehr zu einer heiligen Kuh. Es muss aber auch dort möglich sein, ab und zu zu tun“.
Hoim verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Stadt in den vergangenen Jahren zwischen sieben und acht Millionen Euro für die Altstadtsanierung und für die Erhaltung wertvoller Gebäudesubstanz investiert habe. Allein für die laufende Sanierung des Schwesternhauses wende die Stadt rund 1,7 Millionen Euro Eigenmittel auf.
Eine Sanierung des Fachwerkgebäudes in der Hindenburgstraße für Wohnzwecke würde rund 800 000 Euro verschlingen und damit fünfzig
Prozent über den Kosten eines Neubaues liegen. Auf Zuschüsse aus der laufenden Stadterneuerung kann die Stadt dabei nicht bauen, zumal die alte Schule außerhalb des Sanierungsgebietes liegt. Für den Fall, dass die Denkmalpflege fünfzig Prozent der Kosten beisteuert, würde Hoim einlenken. Aber dieser Fall wird wohl nicht eintreten.
Der Magistrat will das 1852 durch Bürgermeister Carl Ludwig Braun errichtete Fachwerkgebäude abreißen lassen, um Platz zu schaffen für die Erweiterung eines Supermarktes in unmittelbarer Nachbarschaft.
Aus diesem Grund können sich selbst die Neustädter Sozialdemokraten mit dem angedachten Abbruch anfreunden, auch wenn sie sonst die Arbeit des Bürgermeisters und seiner Mehrheit kritisch begleiten. Den Genossen geht es darum, die innenstadtnahe Versorgung mit Lebensmitteln und Getränken zu erhalten. Die von ihnen ins Gespräch gebrachte Alternative am Standort des Gefrierhauses war nicht mehrheitsfähig.
Aus der Sicht der Denkmalpflege kommt ein Abbruch nicht in Frage. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und ist als erhaltenswert, aber auch erhaltensfähig eingestuft. Es handelt sich, so die Einschätzung des Amtes, um einen zweigeschossigen stattlichen Fachwerkbau, der auf einem Sandsteinsockel aus Werksteinen steht. Eine zweiarmige Treppe führt in den zentralen Eingang. Im Dachgeschoss darüber thront ein Zwerchhaus.
Auch die l. Kammer des Gießener Verwaltungsgerichts stellte gestern während der Urteilsverkündung fest, dass die alte Schule erhaltenswert und erhaltensfähig sei. Der Streit zwischen der Stadt Neustadt und dem Denkmalschutz geht also noch weiter.