Stadt und Investoren unterzeichneten die Pachtverträge für den geplanten Windpark „Am Dreiherrenstein“
Je drei Windräder wollen die Energiegenossenschaft Vogelsberg und das Unternehmen „Rudewig Windpower“ am Dreiherrenstein bauen – bis zur Umsetzung des Projektes dauert es mindestens noch anderthalb Jahre.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Sicher ist es noch lange nicht, dass es zum Bau des Windparks „Am Dreiherrenstein“ kommt. Noch hat die Regionalversammlung den Teilregionalplan „Energie Mittelhessen“ nicht beschlossen, zudem müssen noch ein gutes Dutzend Gutachten erstellt und das Genehmigungsverfahren beim Regierungspräsidium erfolgreich durchlaufen werden: „Wir sind aber zuversichtlich, dass dies klappt“, sagt Bürgermeister Thomas Groll.
Mehr als drei Millionen Euro fließen in Stadtkasse
Die Stadt hat zwar mit dem eigentlichen Bau der Windräder nichts am Hut, verpachtet allerdings die Flächen, auf denen die Energiegenossenschaft Vogelsberg und „Rudewig Windpower“ je drei Anlagen aufstellen möchten. Pro Rad rechnet die Stadt mit einem jährlichen Pachterlös von 25 000 Euro. Hinzu kommen eine „pauschale Wegeentschädigung“ von 4 500 Euro im Jahr – und die Gewerbesteuer, wie der Bürgermeister betont. Selbst ohne diese Steuer spült der Windpark also innerhalb der kommenden 20 Jahre weit mehr als drei Millionen Euro in Neustadts leere Kassen. Die Investoren hätten allerdings versichert, dass die Einnahmen aus der Gewerbesteuer komplett in Neustadt verblieben, und dass sie beim Bau und der Wartung der Anlagen „soweit wie mögliche“ lokale oder wenigstens regionale Unternehmen berücksichtigen wollen.
Am Freitag erfolgte die Unterzeichnung der Pachtverträge für den Windpark, den die Stadtverordnetenversammlung Ende des vergangenen Jahres abgesegnet hatte. Bereits im Frühjahr 2012 war das Gebiet „Dreiherrenstein“ in der Windpotenzialanalyse als geeigneter Standort bezeichnet worden. Nach der Erstellung des Teilregionalplans „Energie Mittelhessen“ hatten die Stadtverordneten sich sogar noch für eine Ausweitung der dortigen „Windvorrangfläche“ ausgesprochen, um die Grundlage für den Bau von sechs Anlagen zu erwirken. „Da durch Berechnungen die notwendige Windgeschwindigkeit nachgewiesen werden konnte, ist davon auszugehen, dass dem Ansinnen der Kommune Rechnung getragen wird“, sagt Groll. Messungen zufolge betrage die Windgeschwindigkeit sechs Meter pro Sekunde – also etwas mehr als die oftmals zitierte Vorgabe von 5,75 Metern pro Sekunde.
Der Standort jedenfalls scheint so attraktiv, dass verschiedenste Investoren bei Groll versprachen und Interesse bekundeten. „Sie kamen aus Norden, Süden, Westen und Osten – aber man kennt es ja: Vieles von dem, was versprochen wird, wird dann nicht umgesetzt“, berichtet das Stadtoberhaupt.
Neustadt setzt auf regionale Wertschöpfung
Er und die örtliche Kommunalpolitik würden zudem immer den Grundsatz „bekannt und bewährt“ vertreten und der regionalen Wertschöpfung und dem Einbezug der Bürger „Vorrang geben vor wohlklingenden Versprechungen“. Entsprechend sei die Wahl auf „Rudewig Windpower“ gefallen – ein Unternehmen, das der Mengs-berger Windenergiepionier Michael Rudewig gründete. Inzwischen hat er 43 Anlagen umgesetzt, die zum Beispiel im Windpark bei Speckswinkel stehen.
Um den Bürger die Möglichkeit zu geben, sich finanziell zu beteiligen, nahm die Stadt zudem die Energiegenossenschaft Vogelsberg mit ins Boot – ein von Hans-Gerhard Gatzweiler initiierter Versuch, in Neustadt eine eigene Genossenschaft zu gründen, war schließlich fehlgeschlagen. Die Vogelsberger werden zunächst Neustädter privilegiert behandeln und ihnen die Option geben, sich über Nachrangdarlehen ab 3 000 Euro an der Finanzierung der drei Anlagen zu beteiligen und vom Ertrag zu profitieren. Wie genau die Konditionen aussehen, konnte Günter Mest vom Vorstand am Freitag natürlich noch nicht sagen: Sie würden aber finanziell interessant sein, versprach er und berichtete, bei bisherigen Projekten habe die Verzinsung immer mindestens drei Prozent betragen.
Rund 30 Millionen Euro kostet die Investoren der Bau der insgesamt sechs Windräder – so sie denn genehmigt werden. Sie wollen Enercon-Anlagen mit einer Nabenhöhe von 149 Metern und einem Rotordurchmesser von 115 Meter aufstellen, die jährlich rund 40 Millionen Kilowattstunden umweltfreundlichen Strom erzeugen. Sie seien „hochmodern und effizient“, kommentiert Rudewig und stellt heraus, dass sie zudem getriebelos seien – also kein Getriebeöl benötigt werde, was in der Lage im Wald am sinnvollsten sei.
Auswirkungen auf Wald sind laut Groll marginal
Pro Windrad müssten zunächst dreiviertel Hektar Wald gerodet werden – allerdings sollen Windwurfflächen zum Einsatz kommen. Ein Viertel Hektar können nach dem Bau an Ort und Stelle wieder aufgeforstet werden, sagt Rudewig und betont, für den Rest werde es Aufforstungen an anderer Stelle geben.
„Zum Vergleich: Die Stadt besitzt 1 000 Hektar Wald – da sind drei Hektar eher marginal“, ergänzt Groll.