Stadt rechnet mit 920 000 Euro Defizit

Bürgermeister Thomas Groll übt während Haushaltseinbringung massive Kritik an Land, Bund und der EU
„Es geht nicht an, dass man über Steuersenkungen nachdenkt und die Kommunen verhungern lässt“, sagte Bürgermeister Thomas Groll gestern Abend, während er den Haushalt 2012 einbrachte.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Scharfe Worte wählte Thomas Groll gestern Abend, als er sich den Finanzmitteln, Zuweisungen und Abgaben widmete, EU, Bund und Land stellten zwar Fördermittel zur Verfügung, „die Seite dieser Geschenke“ fällt allerdings in der Gesamtbilanz wesentlich dürftiger aus als die Summe der neu hinzukommenden Belastungen.“ Städten und Gemeinden fehlten die Gestaltungsmöglichkeiten, die kommunale Selbstverwaltung gerate in Gefahr, und auch der vom Land angekündigte Schutzschirm für Kommunen verheiße keine Hilfe, sagte er und ergänzte süffisant: „Unsere Finanzen sind aus Sicht des Landes durchaus ,noch wohlgeordnet‘.“
Groll kritisiert, dass Land, Bund und EU den Kreisen, Städten und Gemeinden viele Aufgaben aufzwängen, ohne für einen ausreichenden finanziellen Ausgleich zu sorgen. Als Beispiele nannte er die Mindestverordnung in den Kindergärten, die Einführung der doppischen Haushaltsführung und des Digitalfunks für die Feuerwehren – die Stadt muss für den letzten Punkt einen Kredit über 1Q0 000 Euro aufnehmen. Die Kommunalaufsicht habe signalisiert, dass die Neuverschuldung für die vom Land veranlasste Ausgabe toleriert werde, sagte Groll um sich sogleich darüber zu ärgern, dass bei Kommunen eigentlich keine Nettoneuverschuldung mehr zugelassen werde: Beim Bund betrage die Neuverschuldung im Jahr 2012 jedoch rund 26 Milliarden Euro, beim Land würden es etwa 1,5 Milliarden sein: „Nur den Städten und Gemeinden will man in Hessen prinzipiell eine Null vorgeben. Dies ist für mich so nicht nachvollziehbar.“ Ein massiver Substanzverlust gehe damit einher: „Will man tatsächlich kaputte Straßen und den schrittweisen Verzicht auf Gemeinschaftseinrichtungen? Will man, dass gesetzliche Vorgaben nur noch schwerlich umgesetzt werden können? Sollen gewachsene soziale Strukturen langsam aber sicher geopfert werden?
Von einer „Null“ am Ende des Ergebnishaushaltes kann Groll indes nur träumen: Mit einem Minus von 920 000 Euro rechnet er für das kommende Jahr – und das, obwohl „die Leitlinie für unsere Ansätze das Notwendige waren, nicht das Wünschenswerte.“
Prägende Zahlen in diesem Teil des Haushaltes sind Mindereinnahmen in Höhe von 230 000 Euro beim Forst, ein um 65 000 Euro höheres Defizit bei den Kindergärten sowie eingestellte 15 000 Euro für die Ermittlung geeigneter Flächen für die Errichtung zusätzlicher Windräder. 5 000 Euro plant der Magistrat für die Trinitatis-Kirmes ein, 30 000 Euro für die Sanierung von Straßeneinläufen und 22 000 Euro für den Abschluss der Altstadtsanierung. Zudem will die Stadt einen geringfügig Beschäftigten einstellen, der sich um Falschparker kümmere. „Die Verkehrsdisziplin lässt erheblich nach. Wir wollen keine neue Einnahmequelle für die Kommune erschließen, sondern einen Missstand bekämpfen“, erklärte Groll.
Als wichtigste Punkte des Finanzhaushaltes bezeichnete der Bürgermeister die aus diesem Jahr verschobenen Straßenbauprojekte „Teichstraße“ und „Hattenrod“, die Sanierung der Rathaustreppe für 55 000 Euro, die Wasserversorgung in der Teichstraße (50 000 Euro), die energetische Ertüchtigung des Feuerwehrhauses Momberg (110 000 Euro Kosten, 36000 Euro Fördermittel) und die Dorferneuerung Momberg – für die Umgestaltung des Teiches, die Substanzerhaltung am Backhaus und den Verbindungsweg Hauptstraße-Pfaffenhöfer Straße sind 190 000 Euro an Ausgaben geplant, allerdings beläuft sich die Förderquote auf 75 Prozent. 48 000 Euro sind außerdem für den Rückkauf einer Fläche in der Hundskaute von der Hessischen Landgesellschaft eingeplant, die einst als „Bauerwartungsland“ für die Hälfte des Preises über den Tisch gegangen war.
Kleinere Veränderungen müssen die Bürger erwarten: Wahrscheinlich erhöht die Stadt die Grundsteuer B um fünf Prozentpunkte. Außerdem will sie die Eintrittspreise in den Bädern leicht anheben.