Tradition bewahren und Zukunft entwickeln

„Mengsberg – auf dem Weg zum Bundesentscheid“ (Teil 6): Bauen und Sanieren • Auf das Gesamtbild kommt es an

Karl Heinz Waschkowitz ist sich sicher: Mengsberg hat Zukunft – und zwar auch unabhängig vom Ausgang des Bundeswett­bewerbes „Unser Dorf hat Zukunft“.

von Florian Lerchbacher

Mengsberg. „Ich habe keine Angst vor dem demografischen Wandel“, sagt Karl Heinz Waschkowitz und lehnt sich damit in Zeiten, in denen ländliche Ge­meinden Strategien entwickeln, um eben jenem Phänomen ent­gegenzuwirken, weit aus dem Fenster. Doch der Experte der Mengsberger Arbeitsgruppe „Baugestaltung / Bauentwick­lung“ hält eine Erklärung parat, die ebenfalls auf aktuellen Ent­wicklungen basiert: „Wir werden über kurz oder lang eine Stadt­flucht erleben, weil Wohnraum in Städten bald kaum noch be­zahlbar ist. Auf dem Dorf hin­gegen kann man günstig bauen oder preiswert zur Miete wohnen und hat außerdem noch ei­ne gute Wohnqualität.“

Waschkowitz kennt die Un­terschiede zwischen Stadt und Dorf nur zu gut: 1975 verließ sei­ne Familie Kassel und zog nach Mengsberg. Als junger Mann kehrte er zum Studieren wieder in die nordhessische Stadt zu­rück, stellte aber fest: „Für das Familienleben ist ein Haus auf dem Dorf viel besser. In Städ­ten ist es hektischer und stressi­ger, noch dazu gibt es viel mehr Staub und Lärm.“ Entspre­chend zog es ihn und seine Fa­milie zurück in die Heimat sei­ner Frau.

Die Familie Waschkowitz lebt nun in ei­nem Haus, das bis auf ei­ne rote, schne­ckenförmi­ge Verzierung im Eckpfosten alles hat, was für Mengsberger Gebäude typisch ist, da traditionell Mate­rialien aus der Umgebung ge­nutzt wurden: Holzschindeln an den Hauswänden, eine rote Na­tureindeckung auf dem Dach, als Fundament ein Sandstein­sockel und Fenster mit kleinteiliger Sprossenteilung.

Ungewöhnlich ist nur der Bal­kon, den die Familie anbringen ließ. „Allerdings haben wir dafür Holz wie bei einem Fachwerk­haus benutzt. Man kann Alt und Neu durchaus kombinieren – wir wollen schließlich nicht in einem Museum leben. Ins­gesamt muss sich ein stimmiges Bild ergeben“, sagt der 53-Jäh­rige und wirbt dafür, alte Ge­bäude zu sanieren. Der Denk­malschutz sei eigentlich kein Problem: „Man muss die Denk­malpflege frühzeitig einbinden – dann findet sich eigentlich im­mer ein Kompromiss.“

Der gelernte Zimmermann muss es ja wissen, schließlich war sein Fachgebiet einst die Instandsetzung von Fachwerk. Nach Fort- und Weiterbildun­gen studierte er Architektur, um dann mehrere Jahre lang in ei­nem Architektenbüro zu arbei­ten, bei dem er sich auf Stadt-und Dorfentwicklung mit dem Schwerpunkt Denkmalpflege konzentrierte. Inzwischen ist er als „Projektleiter Patronatskirchen“ für das Hessische Bauma­nagement tätig. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema „Dorfentwick­lung“ durch seinen Lebens­lauf. Entspre­chend ist es wenig über­raschend, dass er sich wäh­rend der Wett­bewerbe „Un­ser Dorf hat Zukunft“ auf das Thema „Bauen“ konzentriert. „Tradition bewahren und Zu­kunft entwickeln“, gibt er als Credo aus und nennt als bestes Beispiel die Umgestaltung von alten Scheunen, die inzwischen als Wohnhäuser fungieren.

Vier ehemalige Scheunen oder Ställe wurden in den 1980er Jah­ren umgestaltet, als Mengsberg an der „Dorferneuerung“ teil­nahm. 13 Wohnungen entstan­den auf diesem Weg und bie­ten optische Höhepunkte. Ent­sprechend hofft Waschkowitz, dass seine Heimat wieder Teil des Programms wird, das in­zwischen „Dorfentwicklung“ heißt: „Für Privatleute sind die Zuschüsse ein großer Anreiz. Wenn sie finanzielle Unterstüt­zung bekommen, sind sie viel eher bereit, Projekte wie die Umgestaltung alter Gebäude anzugehen.“ Viele Sorgen seien dabei unbegründet: „Viele Men­schen sagen, dass man in alten Ställen aus diversen Gründen nicht wohnen kann. Wenn die Sanierung unprofessionell aus­geführt wird, stimmt das. Aber eigentlich wird ein Haus im Haus gebaut – da kann nichts passieren.“

Essentiell sei, Vorhaben ge­nau zu planen, Tipps nie kritik­los hinzunehmen und sich Zeit zu lassen, schließlich handele es sich meist um eine Investiti­on für das Leben, sagt Waschkowitz. Das gilt sowohl für das Sanieren von Gebäuden aber auch für das Bauen: Ein Neu­baugebiet gibt es nicht, stattdes­sen müssen Bürger Baulücken füllen. 13-mal war dies seit dem Jahr 2002 der Fall, doch noch immer gibt es 28 freie Plätze. Vorteil sei, dass die Infrastruktur bereits vorhanden ist. „Bauen im historischen Kontext ist aber natürlich schwieriger als auf der grünen Wiese: Das Gesamtbild muss stimmen“, gibt er zu be­denken. Doch das ist nicht im­mer einfach, schließlich gibt es in dem kleinen Dorf die stol­ze Zahl von 28 Kulturdenkmä­ler und 68 „erhaltenswerten Ge­bäuden“.

Das Wohnen in Mengsberg schmackhaft machen, kann Waschkowitz dennoch wie kein Zweiter. Für ihn jedenfalls ist klar, dass seine Heimat Zu­kunft hat – und in großen Teilen will er sie mitgestalten. Ein Vor­schlag lautet zum Beispiel, ein altes Gebäude zur Spielscheu­ne mit Indoor-Spielplatz, Rut­schen, Klettergerüsten und vie­lem mehr umzubauen. Dies ist zwar nur eine Idee, doch wenn Waschkowitz über Details phi­losophiert, scheint eigentlich nichts mehr gegen eine Umset­zung zu sprechen.